Fühlt sich scheiße an", schrieb die österreichische Schauspielerin Mavie Hörbiger letztens auf Twitter. Der Grund für ihre Empörung war, dass sie für eine Rolle abgelehnt wurde, weil man sich für eine jüngere Besetzung entschieden hatte. Hörbiger ist 41! Ein Einzelfall? Fehlanzeige. Frauen ab 40 verschwinden praktisch von der Leinwand, sie werden kaum mehr in Hauptrollen besetzt.
Wir haben uns längst daran gewöhnt, dass Schauspielerinnen in erster Linie jung und hübsch sein müssen, während ihre männlichen Partner gerne auch alt ("gut gealtert"), hässlich ("ein Charakterkopf") oder einfach dick ("ein Lebemann") sein dürfen. Ein paar Beispiele gefällig?
Der kleine Unterschied
Hugh Grant, 60, gibt in der Netflix-Serie "The Undoing" den Lover einer jungen Frau, deren Darstellerin 25 Jahre ist. Lasst uns doch kurz mal nachrechnen Genau, das wären dann 35 Jahre Altersunterschied. Weiter geht's mit der 30-jährigen Zoë Kravitz, die in der HBO-Serie "Big Little Lies" die Partnerin des 55-jährigen James Tupper mimt. 20 Jahre dazwischen. Oder kannst du dich noch an Maggie Gyllenhaal erinnern, die als 37-Jährige "zu alt" war für einen 55-jährigen Spielpartner und mit diesem Besetzungsskandal an die Öffentlichkeit ging?
Der "Fuckability Factor"
"Es scheint für Produzenten nicht zumutbar zu sein, einem sagen wir 50-jährigen Mann eine Frau im gleichen Alter zur Seite zu stellen", ärgert sich die österreichische Schauspielerin Monica Reyes über die frauenverachtende Praxis, bei der der Fuckability Factor leider eine große Rolle spielt. Fuckability Factor? "Das ist leider ein gängiger Begriff in unserer Branche." Der Wert der Schauspielerinnen werde proportional zur Lust der Männer definiert. Soll heißen: "Je eher der durchschnittliche Kinobesucher mit der Darstellerin Sex haben will, desto höher ihr Wert, desto wahrscheinlicher ihre Besetzung und desto höher ihre Gage", erklärt Reyes diesen Teufelskreis.
Zu alt zum Spielen?!
Wer in dieses Schema nicht mehr reinpasst und nicht mehr als junges "Objekt der Begierde" durchgeht, "mit dem Mann ins Bett will", hat ganz einfach Pech gehabt. Da heißt's dann auf der Besetzungscouch: "Ja, die hat Falten, die soll sich Botox spritzen lassen." Oder: "Die hat zu viel Botox gespritzt, die können wir nicht besetzen.""Die hat schlaffe Oberarme und kann nichts Ärmelloses anziehen.""Die schaut beim Sex aus wie ein Mensch und nicht wie eine Projektionsfläche, wer soll sich damit identifizieren?" So fasst die österreichische Filmemacherin Sabine Derflinger Sprüche über vermeintlich zu alte Schauspielerinnen zusammen.
Quoten und das kollektive Gedächtnis
Als Regisseurin hat Derflinger sich in ihren Filmen schon immer erfolgreich dagegen wehren können, wenn Frauenrollen für 40-oder 50-Jährige mit zehn Jahre jüngeren Schauspielerinnen besetzt werden sollten. Die 58-Jährige ist schon viele Jahre in der österreichischen Kulturbranche erfolgreich unterwegs und kämpft dafür, Frauen im Film ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. "Auch historisch gesehen gibt es durchaus Filme mit starken weiblichen Protagonistinnen. Diese sollten wir ins kollektive Gedächtnis bringen. So etwas beginnt schon in der Schule."
Ein Ausblick
Was muss also passieren, um Frauen ab 40 wieder zurück ins Filmgeschehen zu holen? "Quotenregelungen müssen her und mediale Aufmerksamkeit für das Thema", findet Derflinger. Statistiken zeigen: Je mehr Frauen hinter der Kamera und für Regie oder Drehbücher verantwortlich sind, desto höher auch der Anteil vor der Kamera. "Wir brauchen jetzt tolle Drehbücher für Frauen über 50, Geschichten mit interessanten Heldinnen. Wir müssen uns der Absurdität der Altersdiskriminierung bewusst werden. Aber zuerst müssen wir das Problem einmal überhaupt öffentlich machen", sagt Derflinger abschließend.
Und damit fangen wir jetzt an!