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Friederike Seiler im WOMAN-Interview über Liebe, Kochen und das Rettersyndrom

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Friederike Seiler im WOMAN-Interview über Liebe, Kochen und das Rettersyndrom
© Ernst Kainerstorfer©Ernst Kainerstorfer
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Die Lebensgefährtin von Albertina-Boss Klaus-Albrecht Schröder will Psychotherapeutin werden, schreibt ihr Doktorat über pathologisches Kaufverhalten und schuftet als Küchengehilfin von Starkoch Christian Petz am Wiener Badeschiff“.

WOMAN:Frau Seiler, man kennt Sie von Galadinners, bei denen Sie an der Seite Ihres Mannes regelmäßig in der Albertina dabei sind. Warum stehen Sie jetzt in einer fremden Küche und machen sich die Hände schmutzig?

Seiler: Es hilft mir eine gewisse Normalität zu bewahren. Es schon lange ein großer Wunsch zu von der Pieke auf richtig professionell kochen zu lernen. Das ist der beste Ausgleich zu den Herausforderungen, die mir meine wissenschaftliche Arbeit abverlangt. Am Abend, wenn hier am Badeschiff Hochbetrieb herrscht, ist der Druck enorm. Aber ich lerne hier absolute Konzentration, Stressresistenz, Teamarbeit. Ich bin dankbar, dass mich die Kollegen annehmen und mit all meinen Schwächen akzeptieren. Ich bewundere Christian Petz sehr für seinen Mut, das Coburg, ein Spitzenrestaurant zu verlassen und demokratisch und für alle Menschen zugänglich, ohne Preisschwelle Spitzengastronomie im zeitgenössischen Umfeld anzubieten. Das ist wahrer Pioniergeist.

WOMAN:Und es stört Sie nicht, wenn Sie zu niedere Diensten verdonnert werden?

Seiler: Nein, ganz im Gegenteil. Ich bin privat eine passionierte, aber eben nicht professionell ausgebildete Köchin. Ich denke gar nicht darüber nach, wenn ich drei Stunden Salatblätter zupfen muss: ich mache das bis zum Schluss wirklich sorgfältig, denn am Ende geht das, was ich hier vorbereite, am Abend als Produkt unter dem Namen von Christian Petz heraus und der steht für höchste Qualität. Ich klinke mich hier total aus dem Alltag aus. Da bleibt keine Zeit, um SMS zu schreiben oder über Projekte oder nicht erledigte Arbeit zu grübeln. Entweder man ist hundertprozentig konzentriert bei der Sache oder man scheitert. Ich finde das alles sehr befreiend! Trotz Brandblasen und der körperlichen Herausforderung, die die Arbeit in einer Spitzenküche an mich stellt ...

WOMAN:Was sagen Klaus und auch Ihre hochkarätigen Freunde aus Politik und Wirtschaft zu Ihrer neuen Passion?

Seiler: Mein Leben im Dauerlauf ist sicher nicht immer leicht für Klaus, aber er hat die menschliche Größe und bringt die Zuneigung mit, mich so sein zu lassen wie ich bin. Und auch sonst bekomme ich gutes Feedback. Ich stehe ja auch vor Galadinners in der Albertina auch immer in der Küche und erkundige mich nach den Küchengeheimnissen. Ich habe mir mit 14 mein erstes Kochbuch von Plachutta gewünscht und bin ein klassischer Autodidakt aus Leidenschaft und Neugier. Für mich ist Kochen wie guter Sex: Es braucht Technik, Intuition, Kreativität, Leidenschaft, Teamarbeit und das richtige Timing. Und man sieht hier sofort das unmittelbare Ergebnis seiner Mühen...

WOMAN:Kochen Klaus und Ihr Sohn Konstantin auch zuhause?

Seiler:(schmunzelt) Jeder hat so seine Talente. Man muss sich den Partner ja nicht verbiegen! Und ich würde von Klaus nie verlangen, dass er mir fünf Kilo Zwiebel fürs Gulasch klein schneidet. Der Konsti ist da anders: Er kann schon eigenständig Serviettenknödel zubereiten und Kuchen backen!

WOMAN:Sie haben vor drei Jahren radikal abgenommen. Haben Sie einen gesunden Zugang zum Essen?

Seiler:Ja, wer abnehmen will, muss sein Essverhalten und seine Ernährung, seine Gewohnheiten und Einstellungen komplett umstellen: das heißt nicht nur gezuckerte Getränke und Fastfood weglassen und eine vorübergehende Diät machen. Das wichtigste ist vor allem, sein Essverhalten zu beobachten: In welchen Situationen esse ich? Habe ich eine schlechte Tagesroutine? Wie viel esse ich? Mache ich ausreichend Bewegung? Und vor allem auch: was esse ich? Wann immer ich Appetit hatte, gab ich früher dem Impuls immer nach. Mein Magen wurde dadurch immer größer, der Blutzuckerspiegel war immer ganz oben und wollte hoch gehalten werden. Das alles führt über kurz oder lang unweigerlich zu Übergewicht. Über die Mariahilfer Straße zu gehen und an jedem Eck von einem Bäcker, einer Fast Food Kette, Pizzabäckern, Kebab- oder Würstelständen angelacht und von der intensiven Geruchswelt der Geschmacksverstärker angelockt zu werden, ist eine ständige Verführung, der man mit hungrigem Magen oft schwer widerstehen kann. Das ist auch mit ein Grund, warum so viele Jugendliche unter Übergewicht leiden. Wir werden deshalb im Herbst eine Studie zum Essverhalten und zur Prävention von Essstörungen machen. Es gibt viele externe Faktoren, aber genauso viele wenig beachtete interne Faktoren etwa Depressionen, starke Impulsivität, mangelnde Kontrolle der Emotionen, beginnendes Suchtverhalten - , die das Entstehen von Übergewicht aber auch von anderen Essstörungen Magersucht, Ess-Brech-Sucht, Fressattacken langfristig befeuern. Das sind Störungen des Essverhaltens, die man ernst nehmen sollte und für die man in der Früherkennung und in der Prävention mehr tun muss. Und bevor die Gesundheitskosten noch weiter explodieren, wollen wir hier für Österreich Pionierarbeit in der Forschung dazu leisten. Auch anderen chronischen Erkrankungen, die mit der raschen Überalterung der Gesellschaft zusammenhängen und uns Europaweit mittel- bis kurzfristig vor große Herausforderungen stellen werden, werden wir verstärkt unsere Aufmerksamkeit in der Forschung und therapeutischen Betreuung schenken: das sind Lücken, die es im österreichischen Gesundheitssystem gibt und die wir zum Wohle der Allgemeinheit hoffentlich mit der Unterstützung zahlreicher privater Partner und Sponsoren schließen wollen. Das sind die großen Chancen, die wir an der Sigmund-Freud-Universität, der weltweit ersten Universität für Psychotherapiewissenschaft und Psychologie, aus dieser Position der gebündelten Multi-Disziplinarität heraus, wahrnehmen können. Man muss im Rahmen der Ausbildung auch selbst eine Therapie machen. Das ist Pflicht!

WOMAN:Haben Sie eine auch vorher schon mal gemacht? Immerhin mussten Sie den Tod Ihrer Tochter verkraften...

Seiler: Als Anna starb, habe ich keine Therapie gemacht. Man muss innerlich bereit sein, eine Reise ins Innerste des Innersten, ins Verdrängte, Geheime und Unbekannte zu gehen. Erst eine Zufallsbekanntschaft im vergangenen Jahr war ein wichtiger Impuls den Schritt in die totale Veränderung, zurück zu mir selbst, zu machen. Psychotherapie ist ein ganz wichtiges Instrument, um an den vielfältigen Wendepunkten, Beziehungskrisen und den kleinen und großen Katatrophen des Alltags langfristig zu reifen ohne psychisch zu zerbrechen. Unter professioneller Anleitung, das weiß ich aus eigener Erfahrung, ist Psychotherapie ungeheuer effektiv. Auch wenn ich jetzt nicht gleich zur Heiligen mutiert habe ...

WOMAN:Aber das Rettersyndrom tragen Sie gewiss in sich!

Seiler: Selbstverständlich, aber man lernt damit umzugehen. Natürlich ist es mir schon einmal passiert, dass ich erfahren musste, dass man einen Menschen trotz bester eigener Intention nicht vor sich selbst retten kann. Das war eine sehr schmerzvolle Erfahrung für mich. Dann muss man loslassen lernen Ich lasse ungern jemanden zurück, der mir wichtig ist: Loyalität und Kontinuität, Verlässlichkeit, sind mir sehr wichtig. Ich bleibe entschieden lieber in Kontakt, im Austausch, sogar wenn es schmerzvoll ist, als die Beziehung abzubrechen.

WOMAN:Ist Liebe nicht das beste Heilmittel?

Seiler: Natürlich ist Liebe imstande große Kräfte freizusetzen, aber Liebe allein bewirkt leider noch keine Verhaltensänderung. Das wäre ja super, wenn man sich so einfach vom Ekel zum Ideal wandelt! Das ist leider Utopie. Und Verliebtheit dauert, das ist wissenschaftlich erwiesen, bedauerlicherweise maximal drei Jahre. Das ist ein Teil des Kennenlernprozesses, dass der Flügelschlag der hormonell bedingten Schmetterlinge im Bauch mit der Dauer der Bekanntschaft abnimmt ...

WOMAN:Sind Sie in Klaus nach 11 Jahren wilder Ehe immer noch verliebt?

Seiler: Liebe bedeutet für mich Intimität, Nähe, Gleichklang, Vertrauen und Innigkeit. Ich glaube, dass diese Gefühle in einer Beziehung, um die sich beide Partner bemühen, zunehmen; im Gegenzug wird aber eben der Flügelschlag der Schmetterling schwächer. Da gibt es dann immer wieder Momente, in denen man innehält und sich fragt, ob man zugunsten der gewachsenen Gemeinsamkeit in Beziehung bleibt oder nicht und auf den Rauschzustand der ersten Verliebtheit einer neuen Beziehung verzichtet. In jeder Partnerschaft, auch bei uns, stellen sich im Zeitablauf diese Fragen.

WOMAN:Und wie steht’s um Ihr Bedürfnis, Ihre Partnerschaft zu legalisieren?

Seiler: Ich bin jemand, der mit äußeren Symbolen um der Symbole selbst wie Ehering oder Trauschein wenig anfangen kann. Ziele, die viele nur rein aus Konvention verfolgen, bedeuten mir nichts.

MEHR über Friederike Seiler finden Sie in WOMAN 12/2011!

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