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Soziale Phobie erkennen und behandeln: Expertentipps einer Psychologin

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Vortragsangst, die Angst zu versagen oder Angst davor, man selbst zu sein – die Angst vor bestimmten sozialen Situationen kann das alltägliche Leben stark beeinflussen. Eine Psychologin verrät, wie du die Angst vor der Frage "Was denken die anderen über mich?" verlierst.

Die Angst, von anderen abgelehnt, negativ bewertet oder kritisiert zu werden. Eine Form der Angst, die das Leben der Betroffenen stark einschränkt. Was kann man gegen diesen Leidensdruck tun? Darüber haben wir mit einer Psychologin gesprochen.

Menschen sind soziale Wesen, und ihre Fähigkeit, sich im Umgang mit anderen wohlzufühlen, wirkt sich auf viele wichtige Lebensbereiche aus. Eine Soziale Phobie ist charakterisiert durch die Furcht oder Angst vor bestimmten gesellschaftlichen und leistungsbezogenen Situationen. Betroffene vermeiden diese oder können diese nur unter großer Qual ertragen.

Die Angst vor der Angst verlieren: Zu Besuch in einem Phobiezentrum

Für WOMAN habe ich Phobius, ein Psychologisches Zentrum für Angst, Panik & Phobien, in Wien besucht. Phobius hat sich auf die Therapie von Phobien, Ängsten und Panikattacken spezialisiert und bietet eine einzigartige Methode: die Angsttherapie mit virtueller Realität, um Phobien mithilfe von virtuellen Welten zu bewältigen.

Psychologin Maria Chamarina ist seit etwa zwei Jahren bei Phobius tätig. Dort hat sie sich unter anderem auf die Behandlung der Sozial Phobie spezialisiert und arbeitet sowohl im Einzel- als auch im Gruppensetting. Im Gespräch mit ihr habe ich über die Ursachen, Symptome und vor allem: die Behandlung der Sozialen Phobie gesprochen.

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Psychologin Maria Chamarina, B.A. M.Sc.

© Elke Mayr

Warum haben wir Angst?

Angst. Eine der ältesten Emotionen und evolutionsbedingt grundlegend wichtig. Ohne sie hätte die Menschheit nicht überlebt. Schon in der Steinzeit, als unsere Vorfahren sich vor gefährlichen Tieren in Sicherheit brachten. Angst hilft uns auf Gefahren zu reagieren und kann uns zu körperlichen Höchstleistungen anregen. Unser Körper schüttet Stresshormone wie Adrenalin aus und wir können beispielsweise viel schneller rennen als sonst.

Doch wenn die Angst in einem Maße über unser Leben bestimmt, wird sie zur psychischen Belastung und führt zur Isolation.

Was ist eine Soziale Phobie?

Angst entsteht in Kopf. Die Gedanken können nicht aufhören zu kreisen, ein Versuch unseres Gehirns die Situation unter Kontrolle zu kriegen. Soziale Angst ist ein häufiges Phänomen. Die meisten von uns verspüren Nervosität vor einem Date oder anderen sozialen Ereignissen. Die Soziale Phobie bildet das Störungsbild, das dahinter liegt

Oft manifestiert sich diese in alltäglichen Situationen, die für die meisten Menschen selbstverständlich sind. Einkaufen gehen, das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel oder das Bestellen im Restaurant.

Für manche Betroffene können bereits Aktivitäten wie diese zu erheblichem Unbehagen führen. Das Gefühl, komisch angeschaut oder bewertet zu werden, begleitet von Symptomen wie Atemnot, beschleunigter Puls und Schwitzen. Eine Soziale Phobie kann tiefgreifende Auswirkungen haben und führt möglicherweise sogar dazu, dass Betroffene das Haus nicht verlassen möchten.

Wie häufig ist eine Soziale Phobie und wann tritt sie auf?

Frau Chamarina erklärt, dass die Soziale Phobie typischerweise im Jugendalter auftritt, oft zu Beginn der Pubertät. "Wenn sie unbehandelt bleibt, kann sie bis ins hohe Erwachsenenalter bestehen", so die Expertin. Der Zeitpunkt, an dem eine Person sich in Behandlung begibt, spielt eine wichtige Rolle für den Verlauf der Erkrankung.

In einigen Fällen können leichte Ausprägungen der Sozialen Phobie sich von selbst auflösen, wenn die betroffene Person bereits selbsthilfende Maßnahmen ergreift. Tatsächlich gehört die Soziale Phobie zu den häufigsten psychischen Erkrankungen.

Statistisch betrachtet sind mehr Frauen von einer Sozialen Phobie betroffen

Maria ChamarinaPsychologin

Ursachen: Wie entsteht eine Soziale Phobie?

Bei der Entstehung einer Sozialen Phobie wirken verschiedene Faktoren zusammen:

  1. Genetische Anlagen (Vererbung)

  2. belastende Lebensereignisse

  3. Persönlichkeitsmerkmale

Frau Chamarina verweist auf das Bio-Psycho-Soziale Modell in der modernen Psychologie, bei dem viele verschiedene Faktoren zusammen wirken. "Manche Gehirne reagieren mehr auf Angstreize als andere", erklärt sie. Menschen zeigen auch unterschiedliche Körperreaktionen bei Angst, manche werden rot, andere neigen hingegen dazu stark zu schwitzen.

"Wichtig sind jedoch die psychologischen Faktoren. Wie man aufgewachsen ist, wie man gelernt hat, über sich selbst zu denken oder wie man vielleicht beurteilt wurde", erklärt sie.

Ein klassisches Beispiel: Wie wird das schüchterne Kind beurteilt? Wird gesagt: "Wieso bist du so still?" Oder "Wieso sagst du nichts?" Das trägt zu Glaubensmustern bei wie: "Mit mir stimmt was nicht."

Diese Glaubensmuster fungieren dabei als eine Art selbsterfüllende Prophezeiung. Diese Überzeugungen können durch Erfahrungen geprägt werden, sei es in der Schule, an der Universität, während der Ausbildung oder in anderen sozialen Situationen. Insbesondere im Jugendalter, wenn die Persönlichkeit noch geformt wird, können sich diese Glaubensmuster manifestieren und zu einer Sozialen Phobie führen.

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Psychologin Maria Chamarina, B.A. M.Sc.

© Elke Mayr

Man wird nicht mit einer Sozialphobie geboren, man wird eher mit einer erhöhten Ängstlichkeit geboren.

Maria ChamarinaPsychologin

Symptome: So äußert sich eine Soziale Phobie

"Wenn Angst aktiviert wird, tritt das vegetative Nervensystem, insbesondere der Sympathikus, in Aktion. Dies führt dazu, dass der Körper mobilisiert wird, um sich gegen eine Bedrohung zu verteidigen", erklärt Frau Chamarina.

Man könnte also sagen, dass wir in den "Fight-or-Flight-Modus" gehen, also in die Kampf-oder-Flucht-Reaktion, die in uns verankert ist. Mit ihr reagieren Menschen und auch Tiere auf eine akute Bedrohung, die ihr Leben gefährden könnte.

Die klassischen körperlichen Reaktionen laut der Psychologin sind:

  • Herzrasen

  • Zittern

  • Muskelanspannung, insbesondere in den Schultern

  • ein trockener Mund

  • Erröten

  • Bauchschmerzen (da die Verdauung vorübergehend in den Hintergrund tritt)

  • Ein mulmiges Gefühl im Bauch oder Übelkeit

Ausprägungen: Einschränkungen im täglichen Leben

Die Ausprägungen einer Sozialen Phobie können äußerst vielfältig sein und reichen von leichtem Unbehagen in sozialen Situationen bis hin zu schweren Einschränkungen im täglichen Leben:

  • Angst, sich peinlich zu verhalten

  • Angst, in der Öffentlichkeit zu essen

  • Angst, vor anderen Menschen zu sprechen

  • Angst, in eine Gruppe hinzuzukommen

  • Angst, einen Vortrag in der Uni oder bei der Arbeit zu halten

  • Angst, vor den Blicken anderer

  • Angst, die anderen bemerken das eigene Zittern oder Schwitzen

  • Angst, zu erröten

  • Angst, andere könnten einem die Angst ansehen

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© iStock

Therapie: Wie kann man eine Soziale Phobie behandeln?

Wenn der innere Druck unerträglich wird, sollte man sich Hilfe suchen. Es zeigt sich in kleinen Handlungen des Alltags, die zu unüberwindbaren Hürden werden. Eine Therapie sollte in Betracht gezogen werden, wenn der Leidensdruck zu groß wird und das tägliche Leben beeinflusst.

"Zu Beginn der Therapie steht das Kennenlernen der eigenen Ängste im Vordergrund. Es geht darum zu verstehen, welche Ursachen hinter diesen Ängsten stecken und was sie aufrechterhält", so Frau Chamarina. Letztendlich ist das Ziel, sich den Ängsten zu stellen, jedoch nicht auf eine unkontrollierte Weise, sondern durch gezielte und strukturierte Übungen.

"Es geht auch darum, mit den Gedanken zu arbeiten, sich die Glaubensmuster anzuschauen und die Situation zu überprüfen", erklärt sie. Zum Beispiel bei einem klassischen Vortrag: Was sind meine Annahmen? Was denke ich darüber? Und die gefürchtete Situation im Rahmen von abgestuften Expositionen (Konfrontationen) zu überprüfen.

Die erste Stufe könnte darin bestehen, einen kurzen Mini-Vortrag vor dem Therapeuten oder der Therapeutin zu halten. Als nächstes könnte man sich vor einem kleineren Publikum präsentieren. Später dann herauszufinden, was lösen vielleicht computergenerierten Figuren Figuren aus?

Frau Chamarina arbeitet auch in Gruppentherapien, in sich Menschen mit sozialen Phobien einander begegnen können. Durch den gemeinsamen Austausch von Erfahrungen unter Gleichgesinnten entsteht eine Atmosphäre des Verständnisses, die für alle Beteiligten unterstützend wirkt. Bei den Gruppen geht es nicht nur um Austausch, sondern auch um Übungen, also um Feedback und um Konfrontationen in Form von Rollenspielen oder Small-Talk-Übungen.

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Mithilfe der VR-Brille den Ängsten ins Auge schauen

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Die VR-Bille dient als Brücke zur Realität.

Maria ChamarinaPsychologin

WOMAN Test: Stell dich deiner Angst

Für WOMAN habe ich Phobius, ein Psychologisches Zentrum für Angst, Panik & Phobien, in Wien besucht. Das Phobiezentrum hat sich auf die Therapie von Ängsten, Phobien und Panikattacken spezialisiert und bietet eine einzigartige Methode: die Angsttherapie mit virtueller Realität, um Phobien mithilfe von virtuellen Welten zu bewältigen.

Mit den Virtual-Reality-Brillen kann man so einiges: Auf Wolkenkratzer steigen, Autobahn fahren, in Konferenzsälen sprechen oder mit dem Aufzug fahren. Auf Tuchfühlung mit Hunden und Spinnen gehen, Blutabnehmen, U-Bahn fahren oder in ein Flugzeug steigen.

Indem Stresssituationen in der VR simuliert werden, können diese intensiv geübt und erlebt werden. Ich hatte die Möglichkeit die Virtual Reality Brillen zu testen.

Persönlich habe ich mit Flugangst und Höhenangst zu kämpfen. Eine Angststörung liegt bei mir zwar nicht vor, als ich aber plötzlich auf einem Hochhaus stand, ging mein Herzschlag direkt in die Höhe. Ein unangenehmes Gefühl im ganzen Bauch. Unser Gehirn lässt sich sich ziemlich leicht austricksen.

Ich durfte auch testen, wie es ist vor einem großen Publikum zu sprechen. Die Anzahl der Personen kann dabei variiert werden. Simuliert wurde bei mir zum einen ein Publikum, das mir aufmerksam zuhört. Danach eines, welches unaufmerksam ist. Schon eine kleine Herausforderung, dabei konzentriert zu bleiben.

Wenn man große Angst hat vor Menschen zu sprechen, kann die Simulation wirklich hilfreich sein, sich an diese Art von Situationen zu gewöhnen. Man lernt ruhig zu bleiben und sich nicht von den anderen Menschen verunsichern zu lassen. Du kannst sogar einen echten Vortrag einspielen lassen, den du bald halten musst. Dadurch wird das ganze Setting noch realer. Alles, was wir mit unseren eigenen Augen sehen (ob wir nun wollen oder nicht), hat großen Einfluss auf uns. Das Testen der VR-Brille, war wirklich eine einmalige Erfahrung.

Wie lange dauert es, um angstfrei zu sein?

Die Zeit, die benötigt wird, um die Angst zu überwinden, ist individuell und wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst, darunter die Schwere der Angststörung und die Bereitschaft des Einzelnen, sich der Therapie zu widmen.

"Es hängt ganz davon ab, auf viele Lebensbereiche die Angst übergreift und wie stark die soziale Phobie das Leben beeinflusst. Je mehr Lebensbereiche betroffen sind, desto umfassender muss die Behandlung sein". Bei uns dauert eine Therapie typischerweise zwischen 10 und 15 Sitzungen. Manchmal löst sich die Phobie bereits nach 8 Sitzungen auf. Manchmal auch 20 - ganz nach Stärke der Ausprägung", so unsere Expertin.

Aber keine Sorge, eine klassische soziale Phobie, bei der nur die soziale Angst allein vorliegt, kann schneller behandelt werden.

Die Soziale Phobie steht oftmals in keinem Zusammenhang mit dem Maß an sozialer Kompetenz

Maria ChamarinaPsychologin
Frauengesundheit

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