
Vertuschen oder gestehen? Fehler passieren, ob wir wollen oder nicht. Auf den Umgang damit kommt’s an! Wie wir von einer positiven Error Culture in Unternehmen profitieren …
Shit happens. Und das fast jeden Tag. Wir verpassen Deadlines, vertippen uns, verschütten Kaffee über frisch ausgedruckte Präsentationsunterlagen oder vergessen kurz mal, wie die neue Mitarbeiterin mit Vornamen heißt. Kristin? Kathrin, ähm, Kerstin? Nö? Das Gute daran: Die häufigsten Hoppalas sind nicht die gravierendsten. „Wir machen laufend Fehler, weil wir Menschen sind, keine Maschinen“, weiß Elke Schüttelkopf. Die Wiener Management-Trainerin ist seit über 20 Jahren Expertin für Fehlerkultur (fehlerkultur.at) und hat zahlreiche Unternehmen bei der Verbesserung ihres Arbeitsklimas unterstützt. „Dabei geht es um die Art und Weise, wie in einem sozialen System mit Problemen umgegangen wird. Das hat nämlich maßgeblichen Einfluss auf den Erfolg eines Unternehmens“, so Schüttelkopf. Die Vorteile einer konstruktiven Fehlerkultur liegen auf der Hand: „Sie verbessert die Qualität der Produkte und Dienstleistungen, senkt die Kosten, hebt die Arbeitszufriedenheit, boostet das Firmenimage und stärkt damit die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftstüchtigkeit des Betriebs.“ In ihren Workshops und Trainings achtet der Profi in erster Linie darauf, Fehlerbewusstsein überhaupt erst einmal zu schaffen. Das heißt, dass alle Mitarbeiter:innen lernen, ihre Hoppalas richtig einzuschätzen und zu bewerten, um in weiterer Folge eine richtige Strategie einzusetzen. „Es muss zwischen teuren und billigen, gefährlichen und harmlosen, dummen und intelligenten Fehlern unterschieden werden“, hebt sie hervor.
Die Angst davor, etwas Falsches zu tun, blockiere nämlich viele in der Weiterentwicklung. Schüttelkopf: „Wenn wir uns freier und leichter fühlen, trauen wir uns mehr zu, wagen mehr und haben auch mehr Erfolg. Wer Angst vorm Stolpern hat, wird nie gehen lernen. Stolpern gehört dazu, wenn man Fortschritte machen will.“ Sie empfiehlt, am eigenen Mindset zu arbeiten. Angst und Scham abzubauen, das Vertrauen sowie die Kommunikation zwischen Mitarbeiter:innen und Führungsetagen zu optimieren. „Es sollen klare Regeln etabliert werden, die das Aufzeigen von Fehlern fördern und das Verheimlichen sanktionieren“, erklärt die Business-Expertin die ersten Steps am Weg zu einem konstruktiven Miteinander und rät dazu, sich auf das Positive zu konzentrieren: „Denn Fehler sind nichts anderes als Zwischenergebnisse. Sie sagen uns, dass etwas noch nicht ausreicht, noch nicht funktioniert.“ Der Weg zu Innovationen ist immer mit Fehlern gepflastert.
Die Learnings
Aber wie schaut’s in der Praxis aus – was tun, wenn in der Arbeit ein größerer oder kleinerer Fauxpas passiert ist? Mit welcher Strategie fährt man nachhaltig am besten? Auf alle Fälle ruhig und sachlich die Fakten benennen und sich entschuldigen. Dabei wichtig: „Ein simples ,Tut mir leid!‘ klingt nach einer leeren Phrase. Als wollte man die Sache nur schnell wegwischen. Überzeugender wirkt es dagegen, wenn wir konkret benennen, was verbockt wurde. Beispielsweise: ,Mir ist Folgendes passiert …‘ Und idealerweise reagieren die Vorgesetzten dann auch mit den richtigen Worten, wie etwa: ,Danke, dass Sie es mir gleich mitgeteilt haben‘“, veranschaulicht Schüttelkopf. Dadurch entstehe eine gute Kooperationsbasis, um miteinander Ursachen zu ergründen und alternative Wege zu überlegen, damit Wiederholungsfehler vermieden werden können. „Unternehmen, die eine gute Fehlerkultur leben, wissen, dass keiner Missgeschicke verbieten kann. Sie bestrafen daher nicht das Fehler-machen, aber sie erwarten, dass man kritische Szenarien frühzeitig aufzeigt und gemeinsam Verbesserungen setzt“, so die Beraterin. „Nicht der oder die Verursacher:in, sondern die Learnings sollen im Mittelpunkt stehen.“
Vorbildwirkung
Eine „Null-Fehler-Doktrin“ hält Schüttelkopf für brandgefährlich. „Werden Fehler ständig unter den Teppich gekehrt und vertuscht, ist das wie eine Zeitbombe, die irgendwann hochgehen wird“, gibt sie zu bedenken. Vor allem Führungskräfte spielen im konstruktiven Umgang mit Fehlern eine Schlüsselrolle und sollten sich ihrer Vorbildrolle im Umgang mit eigenen Baustellen bewusst werden. Denn es reicht nicht, eine offene Fehlerkultur nur zu proklamieren.
Was eine Kultur ausmacht, ist nämlich immer nur das, was Tag für Tag tatsächlich gelebt wird“, unterstreicht Schüttelkopf. Und da gibt es noch einiges an Nachholbedarf. Eine neue Studie zeichnet ein ernüchterndes Bild in Bezug auf Fehlerkompetenz und Vorbildfunktion in den Chef:innenetagen. 1.000 Führungskräfte und Angestellte wurden zum Fail Management in ihrem Unternehmen befragt – hauptsächlich Angestellte aus den Branchen Maschinenbau, Transport und Logistik, Automobilhersteller sowie Banken und Versicherungen. Dabei kam raus, dass zwei Drittel der Leader:innen nicht über eigene Missgeschicke sprechen. Besonders alarmierend sei das Ergebnis in der Finanzbranche. Hier haben 82 Prozent der Manager:innen ihre Fehlschläge vollständig beziehungsweise teilweise unter den Teppich gekehrt, so die deutsche EY-Studie.
Optimismus-Boost
Ja, da ist noch Luft nach oben. „Im Unterschied zu Deutschland nimmt man es in Österreich nicht so genau in puncto Fehlerkultur“, bemerkt Expertin Schüttelkopf abschließend. Seit über 20 Jahren ist sie vor allem in Deutschland intensiv gebucht, während hierzulande nur „punktuell Aktivitäten zur Verbesserung gesetzt werden“. Elke Schüttelkopf wünscht sich eine neue Aufbruchsstimmung – das gesellschaftliche Klima ist aktuell sehr lähmend, auf Vorsicht und Vermeidung ausgerichtet, analysiert sie: „Eine gute Fehlerkultur kann ein Katalysator sein und verstärkt den gemeinsamen Spirit und Optimismus.“