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Warum Weiterbildung wichtiger ist denn je

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Blumen in rosaroten Pastellfarben

©Stocksy

KI, Krisen und Umbrüche: Zwei Expertinnen erklären, warum Weiterbildung in Zukunft der Schlüssel für Unternehmen und Karrieren ist.

Noch nie war lebenslanges Lernen so wichtig wie heute. Auch für Unternehmen ist Weiterbildung längst nicht mehr ein schönes Extra, sondern eine Überlebensfrage. Digitalisierung, globale Krisen und künstliche Intelligenz verändern die Arbeitswelt in einem Tempo, das selbst erfahrene Führungskräfte unter Druck setzt. Laut Martina Ernst, akademische Leiterin des „People & Culture Management“-Lehrgangs an der WU Executive Academy, international erfahrene Management-Consultant, Business-Coach und ehemalige HR-Chefin der Erste Bank, fehlt es in vielen Unternehmen noch immer an einer klaren Weiterbildungsstrategie: „Oft gibt es keine echte Verknüpfung mit der Strategie und den Business-Zielen – und zu selten wird gefragt, welchen konkreten Nutzen Mitarbeitende von ihren Schulungen haben.“

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: „Laut einer Schätzung des World Economic Forum sind 75 Prozent der Firmen nicht auf die Geschwindigkeit des Wandels vorbereitet und auch nicht darauf, wie stark sich ihre Branche verändern wird“, sagt Ernst. McKinsey geht sogar davon aus, dass bis 2030 rund 375 Millionen Menschen ihren Beruf wechseln oder ihre Qualifikationen massiv anpassen müssen. Für Ernst ist klar: „KI wird die Welt komplett transformieren. Daher müssen wir unbedingt wieder lernen zu lernen.“ Doch in vielen Firmen beschränkt sich Weiterbildung noch immer auf technische Trainings, oder sie wird im Krisenmodus betrieben. „Das torpediert mittelfristige Business-Strategien“, so Ernst. „Wer Lernen in der Unternehmenskultur verankert, steigert nicht nur Innovation und Produktivität, sondern macht Mitarbeitende zu aktiven Gestalter:innen.“

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Martina Ernst, People & Culture Profi, Unternehmerin, akademische Leiterin an der WU Executive Academy

MARTINA ERNST. Sie ist People & Culture Profi, Unternehmerin (E&S FairEqualSolutions), akademische Leiterin an der WU Executive Academy und Global Executive MBA Alumna.

 © privat

Kulturwandel

Auch Martina Huemann, Akademische Leiterin des Executive MBA Strategic Project Management und Leiterin der Project Management Group an der WU Wien, betrachtet Weiterbildung viel umfassender. „Die Arbeitswelt hat sich durch Corona stark verändert und wird sich durch KI weiter wandeln. Heute arbeiten 60 bis 80 Prozent der Menschen in Projekten. Für Projektmanager:innen wird es immer wichtiger, ihre Fähigkeiten in Strategie und Kommunikation zu vertiefen.“ Hinzu kommt der Anspruch der jüngeren Generation: „Sie wollen sich entwickeln und Sinn erleben, aber nicht in Programme gepresst werden, die andere für sie auswählen. Weiterbildung muss ein Dialog sein. Wer das nicht bietet, verliert Talente schnell“, warnt Huemann.

Auch für Ernst geht es nicht nur um Kurse oder Tools. „Die Skills sind nur die Schrauben. Entscheidend ist, eine lernende Organisation zu schaffen. Unternehmen müssen ihre Mitarbeitenden mitnehmen – und auch Ängste adressieren.“ Lernräume, Feedbackkultur, Peer-Learning: All das gehört dazu. Führungskräfte haben dabei eine Schlüsselrolle. „Walk the talk gilt auch fürs Lernen“, so Ernst. „Wenn Führungskräfte selbst Lernende sind, entsteht ein Klima, in dem Neugierde wächst.“

Auch der Blick auf Frauen zeigt Handlungsbedarf: Sie sind heute besser ausgebildet, nutzen Weiterbildungsangebote häufiger als Männer – und stoßen dennoch auf strukturelle Hürden. Teilzeitfalle, Gender-Pay-Gap, gläserne Decken und mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Karriere sind noch immer Realität. „Es braucht einen kulturellen Wandel und einen neuen gesellschaftlichen Diskurs, um Rollenbilder aufzubrechen“, fordert Ernst. Dazu gehören politische und unternehmerische Maßnahmen wie transparente Gehaltsprozesse, geteilte Führungsverantwortung und bias-freie Auswahlprozesse.

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Martina Huemann, Leiterin des Executive MBA Strategic Project Management

MARTINA HUEMANN. Sie ist akademische Leiterin des Executive MBA Strategic Project Management und Leiterin der Project Management Group an der Wirtschaftsuniversität Wien.

 © WU Wien

Lernlabor

Viele Programme scheitern laut Huemann daran, dass sie als Pflichtübung gelten. „Oft fehlt der Kontext. Es braucht Kommunikation, warum etwas wichtig ist, und Zeit, es wirklich zu lernen.“ Ihr Plädoyer: Lernen stärker in Projekte integrieren. „Sie sind Lernlabore, in denen Mitarbeitende neue Rollen ausprobieren, Verantwortung übernehmen und Wissen teilen können.“ Gerade in Branchen, in denen Hierarchien kaum noch Gewicht haben, sei projektbasiertes Lernen ein Karrierebooster. Neue Technologien können dabei helfen: Interne Chatbots bündeln Wissen, Virtual-Reality-Trainings bereiten auf komplexe Aufgaben vor, KI-gestützte Lernplattformen passen Inhalte individuell an. Doch Technik ersetzt nicht die Expertise der Profis. „KI kann Prozesse beschleunigen. Aber ohne Fachkenntnis der Expert:innen sind die Ergebnisse zweifelhaft“, betont Ernst. „Wir brauchen Superteams: Mensch und Maschine im Zusammenspiel.“

Frage der Haltung

Unternehmen, die Weiterbildung ernst nehmen, profitieren mehrfach: Sie sichern Fachkräfte, fördern Innovation und steigern Motivation. „Wer Lernen strategisch verankert, macht Organisationen zukunftsfähig“, sagt Ernst. Sie verweist auf die „70-20-10“-Formel: 70 Prozent des Lernens passiert im Arbeitsalltag, 20 Prozent durch Kolleg:innen, nur 10 Prozent in Kursen. Entscheidend sei die Wahl des richtigen Weiterbildungs-Partners. „Didaktische Qualität, Transferorientierung und ein starkes Netzwerk sind ausschlaggebend. Ein gutes Programm inspiriert – es vermittelt nicht nur Wissen.“ Wie sehr Weiterbildung Karrieren verändern kann, weiß Ernst aus eigener Erfahrung: „Meinen dritten Karriereweg verdanke ich der WU Executive Academy. Dort habe ich nicht nur Wissen, sondern eine Community gefunden, die mich bis heute trägt.“

Auch Huemann betont die Verantwortung der Anbieter: „Universitäten und Programme müssen individuell beraten, nicht einfach Lösungen von der Stange anbieten. Es geht darum, Karrieren strategisch zu begleiten.“ Beide Expertinnen sind sich einig: Weiterbildung ist kein Luxus und keine Zusatzaufgabe, sondern eine Haltung. Eine Haltung, die lautet: Wir lernen gemeinsam, weil Stillstand keine Option ist.

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