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Was kommt nach der Teilzeit?

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Frau mit Anzug

©Roberta Sant Anna

Österreich ist Spitzenreiter bei der weiblichen Teilzeitquote. Für Frauen bedeutet das weniger Chancen, weniger Absicherung – und ein System, das von alten Rollenbildern geprägt ist. Was sich ändern müsste, damit Arbeit gerechter wird.

Gäbe es einen Preis für die höchste Teilzeitquote, Österreich wäre ein heißer Anwärter. Fast ein Drittel (31,5 Prozent) arbeitet mit reduziertem Stundenumfang, und nein, das ist kein Zufall: Es sind vor allem Frauen. „Teilzeit ist weiblich. Jede zweite erwerbstätige Frau ist teilzeitbeschäftigt (51,5 Prozent), bei Männern sind es nur 13,7 Prozent“, stellt Ökonomin Sophie Achleitner vom Momentum Institut fest. Im EU-Vergleich liegt Österreich damit auf Platz zwei hinter den Niederlanden – der EU-Durchschnitt beträgt 28 Prozent. Vier von zehn Frauen geben an, wegen Betreuungspflichten ihre Erwerbstätigkeit zu reduzieren. Fast 70 Prozent aller Mütter im Lande (und das ist ein EU-weiter Spitzenwert!) arbeiten nicht Vollzeit. Ja, das ist ganz schön viel.

Der Politik ist die hohe Teilzeitquote ein Dorn im Auge. Immer wieder kocht die Debatte hoch – wir erinnern uns an den „Lifestyle-Teilzeit“-Sager von Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, an Vorwürfe wie „asozial“, „unsolidarisch“ gegenüber Menschen, die keiner 40-Stunden-Erwerbstätigkeit nachgehen. Was dabei komplett übersehen wird? „Dass die meisten Frauen nicht freiwillig weniger arbeiten“, bemerkt Achleitner. Mütter tun das, um die Hauptlast der Care-Arbeit neben ihrem Job überhaupt bewältigen zu können. Und sie tun das, damit ihre meist besser bezahlten Partner Vollzeit arbeiten können. Dazu kommt, dass in den Branchen mit hohem Frauenanteil wie Pflege, Handel oder Gastronomie überdurchschnittlich viele Teilzeitstellen ausgeschrieben werden, wie Auswertungen des Momentum Instituts zeigen. Bei Vätern sieht das anders aus: Nicht einmal einer von zehn reduziert seine Stunden, um Familie und Beruf besser zu vereinbaren – sie tun es meist für Ausbildungen oder aus freien Stücken, fasst die Expertin die ernüchternden Fakten zusammen.

Reality-Check

Und trotzdem hält sich die sogenannte Lifestyle-Teilzeit, in der Frauen und Mütter vermeintlich tätig sind, hartnäckig im öffentlichen Diskurs. „Das hat allerdings nichts mit der Realität zu tun“, so Achleitner. Fakt ist: Solange es keine flächendeckende Kinderbetreuung gibt und in ländlichen Regionen die Betreuungsstätten bereits am frühen Nachmittag dichtmachen, ist die überragende Mehrheit der Mütter von einer Vollzeit-Option Lichtjahre entfernt. „Unser Arbeitsmarkt und Sozialsystem basieren noch immer auf dem Modell der 1950er Jahre: Papa schafft das Geld ran, während die Mama Kinder, Haushalt und Angehörige schupft – unbezahlt. Heute arbeitet sie zusätzlich Teilzeit“, analysiert die feministische Ökonomin. Dabei wissen wir längst, dass die Auswirkungen jahrelanger Teilzeit massiv sind: weniger Lohn, niedrigere Pensionsbeiträge und langfristig ein deutlich geringeres Lebenseinkommen. Altersarmut ist in Österreich ein überwiegend weibliches Problem.

Ungleichgewicht

Die viel zitierte „bessere Work-Life-Balance“ durch weniger Stunden gilt in der Praxis meist nur für Männer beziehungsweise Bestbezahlte. Im Schnitt überwiegen für Frauen die Nachteile der Teilzeit, beispielsweise schlechtere Jobperspektiven, erklärt Anna Nowshad, New Work-Expertin und Partnerin bei Deloitte. Karriere in Teilzeit? Schwierig. Nowshad weiß, dass sogenannte Shared-Leadership-Modelle nicht optimal funktionieren. „Obwohl viele Unternehmen Führung auch in Teilzeit ermöglichen, ist das bei sehr geringem Stundenausmaß oft schlicht unmöglich oder aber es fehlen die dafür notwendigen Rahmenbedingungen. Auch die Wirtschaftswissenschaftlerin und EcoAustria-Direktorin Monika Köppl-Turyna betont die negativen Aspekte. „Viele unterschätzen die finanziellen Konsequenzen. Erst später kommt dann der große Schock, dass die Pension bei 1.000 Euro im Monat liegt – mit der Ausgleichszulage wohlgemerkt.“

Sie fordert eine bessere ökonomische Absicherung, die Frauen ein selbstständiges Leben ermöglicht und Abhängigkeiten verhindert. „Frauen sind eine ausgesprochen gut ausgebildete Gruppe. Ihre Qualifikationen gehen der Wirtschaft verloren, wenn sie nicht Vollzeit tätig sind. Am Ende macht uns Teilzeit alle ärmer, kritisiert Köppl-Turyna. Dazu Nowshad: „Niedrigere Einkommen werden geringer besteuert. Das bedeutet auch weniger Einnahmen für den Staat. Gerade in Zeiten eines hohen Budgetdefizits ist das problematisch.“

Gerechtigkeit

Wie lässt sich also Wohlstand in Zukunft sichern und finanzieren, wenn die Teilzeit am Vormarsch ist? Arbeiten wir wirklich zu wenig? Im Gegenteil, sagt Sophie Achleitner: „Wir leisten trotz Teilzeit immer mehr und sind produktiver als je zuvor. Eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich wäre längst überfällig. Der gesellschaftliche Fortschritt sollte auch bei den Beschäftigten ankommen.“ Pilotprojekte zeigen, dass weniger Stunden keinen merkbaren Produktivitätsverlust bringen.

Die Vorteile überwiegen, betont die Momentum-Ökonomin: weniger Burn-outs und Krankenstände, weniger Fluktuation und zufriedenere Beschäftigte. Nur: Damit die Rechnung aufgehe, müssten alle einen fairen Beitrag leisten, hebt sie hervor. Zum Beispiel mit der Einführung von Erbschafts- und Vermögenssteuern oder einer gerechteren Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit. Das könne aber nur gelingen, wenn die (bezahlte) Arbeitszeit insgesamt sinke. Denn Frauen leisten ohnehin mehr, wenn man unbezahlte Tätigkeiten dazurechnet. Nach dem Teilzeitjob wartet oft die zweite, unbezahlte Schicht zu Hause. Sie können nicht noch mehr leisten – Männer müssen mehr übernehmen, sind sich die Expertinnen einig.

Moderne Schichtarbeit

Mehr Gestaltungsfreiheit am Jobmarkt fordert Köppl-Turyna. Etwa durch eine 30-Stunden-Woche, weg vom Vollzeit-Ideal, hin zu flexibleren Modellen. Der aktuelle Trend des „Microshiftings“ passt hier gut rein – das Wirtschaftsmagazin Forbes feiert das Konzept als „Zukunft der Arbeit“. Was man sich darunter vorstellen kann? Der Arbeitstag wird in mehrere flexible Blöcke geteilt – superflexibel, oft im Homeoffice, abgestimmt auf individuelle Bedürfnisse. Was aber auch eine brisante (und vor allem ungesunde!) Vermischung von Arbeit und Freizeit mit sich bringen kann. Ökonomin Köppl-Turyna sieht diese Möglichkeit zwar grundsätzlich positiv, weist allerdings darauf hin, dass sich geschlechtsspezifische Lohnunterschiede auch mit mehr Flexibilität nicht automatisch verringern. Studien zeigen, dass Frauen flexible Arbeitsformen häufiger für Betreuungs- und Hausarbeit nutzen. Männer hingegen verwenden die gewonnene Flexibilität eher für persönliche Weiterbildung.

Das bestätigt auch Achleitner: „Homeoffice hat die Ungleichverteilung eher verschärft. Flexibilität darf nicht heißen, dass Frauen ihre Arbeitszeit noch weiter reduzieren, um Betreuungslücken zu füllen – das passiert ohnehin schon.“ Auch wenn Homeoffice mittlerweile ein fixer Bestandteil unserer Arbeitswelt ist, setzen viele Firmen wieder stärker auf hybride Arbeitsmodelle und fordern mehr Büropräsenz ein. Köppl-Turyna führt dafür zwei Gründe an: Dauerhaftes Arbeiten von zu Hause schwächt die Bindung an das Unternehmen. In Zeiten des Fachkräftemangels kann das dazu führen, dass qualifizierte Mitarbeitende leichter abwandern. Außerdem würden Beschäftigte im Homeoffice häufiger bei Beförderungen übersehen als jene, die präsent sind.

Fazit: Teilzeit ist kein Lifestyle, sondern Ausdruck eines Systems, das noch immer auf ungleicher Arbeitsteilung basiert. Wenn wir eine gerechtere Zukunft wollen, muss Gleichstellung zur Voraussetzung, nicht zur Verhandlungssache werden.

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