Beim WOMAN ELEVATE CIRCLE bringen wir jeden Monat die Top-Managerinnen des Landes und jene, die am Weg dorthin sind, zusammen. Im exklusiven Rahmen tauschen sie sich mit spannenden Persönlichkeiten aus. Unser Special Guest dieses Mal: Nadja Swarovski über ihre Herausforderungen und Learnings.
"Nicht alles, was glänzt, muss ein Kristall sein. Das ist jetzt mein neues Lieblingsschmuckstück", sagt Nadja Swarovski, 54, und holt das Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich aus ihrer Tasche. "Ich muss mir nur noch überlegen, ob ich es als Kette, Brosche oder am Gürtel tragen möchte", lacht die Unternehmerin und hält sich die Medaille dabei wie ein Cowboy an ihre Gürtelschnalle. "Im Ernst: Ich fühle mich wahnsinnig geehrt, dass der österreichische Staat unser Engagement anerkannt hat. Deshalb habe ich heute auch einige Wegbegleiterinnen mitgebracht, mit denen ich schon lange zusammenarbeite. Sie repräsentieren so viele tüchtige Kolleg:innen, deshalb ist es mir wichtig, diese Anerkennung mit ihnen zu teilen."
Am 3. Oktober erhielt Swarovski in ihrer Wahlheimat in London das Große Ehrenzeichen für ihre Verdienste um die Republik Österreich. Die Ururenkelin des Firmengründers Daniel Swarovski war die erste Frau im Vorstand und 26 Jahre im Konzern tätig. Vor knapp drei Jahren legte sie die Funktion im Zuge eines Gesellschafterstreits zurück, ist aber weiterhin Gesellschafterin des Familienunternehmens. Außerdem hat sie ein neues Projekt: Sie hat eine Mehrheitsbeteiligung am britischen Label Really Wild Clothing erworben. Im großen Gespräch erzählt sie von ihren Erfolgen, aber auch Misserfolgen, und warum sie unbedingt Verantwortung übernehmen wollte.
Ihre Kolleginnen haben mir erzählt, dass Sie ihnen in schwierigen Zeiten oft motivierende Nachrichten schicken. Wie wichtig ist es Ihnen, andere Frauen zu unterstützen?
Lassen Sie mich so beginnen: Ich habe 26 Jahre lang bei Swarovski gearbeitet, davor war ich in der recht eigenwilligen Kunstwelt bei Gagosian und habe dort sehr schnell gelernt, mich durchzukämpfen. Damals gab es keinen Support von anderen Frauen – im Gegenteil, es war eher konkurrierend, überhaupt von der älteren Generation den Jüngeren gegenüber. Das hat sich geändert. Frauen helfen sich heute untereinander. Und ich will meinen Beitrag dazu leisten, dass sich die nächste Generation unterstützt fühlt. In gewissem Sinne fühle ich mich wie ein Schneepflug: Ich möchte mein Wissen und meine Erfahrungen teilen, um den Weg für jene, die nach mir kommen, leichter zu machen.
Gab es für Sie ein Aha-Erlebnis, das Ihnen gezeigt hat, dass Sie hier eine wichtige Verantwortung haben?
Die Schule, auf der ich war, hatte ein Motto: „to serve, to strive and not to yield“. Das wurde ein starker Leitfaden für mich – nur zusammen kommen wir voran. Ich kann eine Vision haben, aber das Ziel erreichen wir nur durch Teamwork.
Sie wurden heuer auch bereits mit dem „World Woman Hero Award“ ausgezeichnet. Wie können Unternehmen eine Kultur schaffen, die mehr Frauen fördert?
Es geht nur von oben nach unten, denn wer bereits oben ist, hat einen besseren Blick und eine größere Hebelwirkung. Viele möchten Karriere machen, um mehr Macht zu haben, darum ist es mir nie gegangen, ich wollte in einer Führungsposition sein, um einen positiven Impact für die Allgemeinheit leisten zu können.
Sie wurden in ein Familienunternehmen hineingeboren. Wie haben Sie Ihren eigenen Weg in diesem Umfeld gefunden?
Es war schwierig, in so einem alteingesessenen Betrieb – noch dazu in Tirol – neue Ideen umzusetzen, die Vorurteile waren groß. Niemand hat darauf gewartet, dass ein weibliches Familienmitglied in diesem Unternehmen, das von Männern geleitet wurde, überhaupt arbeitet, geschweige denn eine Führungsposition anstrebt. Aber ich hab viel Ausdauer und Kraft. Und ich war in meinem Leben sehr oft bergsteigen. Wenn du zur Hälfte oben bist, kannst du nicht einfach umdrehen. Und ich muss auch sagen, dass mein Großvater und Vater immer sehr unterstützend waren.
Was war für Sie die größte Herausforderung?
Es gab immer wieder Widerstand. Was geholfen hat, war, dass ich eine gute Ausbildung und bereits Arbeitserfahrung gesammelt hatte. Aber ich musste mich aufgrund meines Namens oft rechtfertigen. Schon im Gymnasium haben die Lehrer:innen mit den Augen gerollt: "Schon wieder eine Swarovski!" – Just call me Nadja! Ich bin eine Person mit Herz und Hirn. Später habe ich zwölf Jahre in New York gelebt, das war sehr angenehm, weil der Name Swarovski für die Leute dort schwer auszusprechen ist. Herrlich – am liebsten bin ich einfach Nadja S. Die Zeit in den USA und europäische Familienunternehmen wie Valentino, Trussardi oder Missoni haben mich auch inspiriert, unsere Firma internationaler aufzustellen.
Wie bleibt man vehement, wenn es Widerstand gibt?
I didn’t take no as an answer. Um dafür nur ein Beispiel zu nennen: Wir wollten vor vielen Jahren bei Swarovski einen bestimmten Lusterkristall vermarkten. Ich habe mir ein Projekt überlegt, bei dem bekannte Designer:innen neue Modelle entwarfen – Swarovski Crystal Palace. Mein Chef meinte nur: „Nein, der Lusterstein verkauft sich ja sowieso nicht. Wenn du das machst, feuere ich dich.“ Ich hatte schlaflose Nächte, weil ich so überzeugt von meiner Idee war, aber meinem Vorgesetzten nicht widersprechen wollte. Am dritten Tag habe ich mir gedacht: Wir versuchen es einfach, und ich nehme das Risiko auf mich. In Mailand haben wir dann eine Ausstellung mit zehn Designer:innen gemacht, die ihre Luster kreiert haben, und es war so ein Erfolg – die Leute sind Schlange gestanden. Und dann stand sogar am Cover der „New York Times“: „The thing to see at the Milan Furniture Fair was Swarovski Crystal Palace“. Die Resonanz der Presse war riesig, aber das Tolle war, dass sich auch die Verkäufe um 62 Prozent erhöht haben.
Sie haben den Nachhaltigkeitsbereich bei Swarovski ebenso vorangetrieben. Das Thema ist längst kein Nice-to-have mehr, sondern ein Must-have: Wie haben Sie diesen Wandel erlebt?
Führungskräfte sehen oft nur den wirtschaftlichen Erfolg, mir war immer die „Triple Bottom Line“ wichtig: People, Planet, Profit. Ich habe gemerkt: Hat man das große Ganze im Blick, verändert sich die ganze Energie im Unternehmen. Wir haben damals damit begonnen, die zehn Prinzipien des UN Global Compact im Arbeitsalltag zu implementieren – und weiterführend auch die Women’s Empowerment Principles. Das sind so etwas wie unsere zehn Gebote. Neue Mitarbeiter:innen habe ich im Vorstellungsgespräch auch immer nach ihrem IQ, EQ und SQ interviewt – Herz, Hirn und Seele.
Was kann jede:r sofort im Kleinen tun, um die Welt zu verbessern?
Es sind die kleinen Dinge, mit denen man anfangen kann: ein freundliches Hallo, ein Lächeln, einen Kaffee anbieten, ein ehrliches "Wie geht es dir?". Es liegt an uns, welchen Spirit wir in die Welt hinaustragen. Es ist auch ein komplett altmodisches Verständnis, zu glauben, wer an der Spitze einer Firma steht, müsse streng sein. Gerade wer in einer Leadership-Position ist, hat umso mehr Grund, nett zu sein, den Kolleg:innen die Tür aufzuhalten. Es fängt mit dem eigenen Benehmen und der persönlichen Einstellung an. Wir haben alle die Macht, einen guten Einfluss auf diese Welt zu haben. Positive Energie ist immer stärker als negative.
Das war der WOMAN ELEVATE Circle mit Nadja Swarovski
Über die Autor:innen
Melanie Zingl
Melanie ist seit 2007 bei der Verlagsgruppe News (VGN) tätig. 2016 wurde sie Leitende Redakteurin und 2018 Stellvertretende Chefredakteurin. Seit 2024 ist Melanie Chefredakteurin bei WOMAN. Ihr erklärtes Ziel: "Make the World more WOMAN. Weil wir davon überzeugt sind, dass eine gleichberechtigte Welt eine bessere ist."