
Dominik Dos-Reis als Tod auf der Bühne der Salzburger Festspiele
©Barbara Gindl / APA / picturedesk.comDominik Dos-Reis spielt zum zweiten Mal den Tod beim Salzburger „Jedermann“. Welche Frage ihm die Rolle ans Leben gestellt hat und worauf er sich freut – das Porträt.
"Unglaublich!" – So beschreibt Dominik Dos-Reis das Gefühl, als die Salzburger Festspiele bei ihm anklopften. Der 32-jährige Schauspieler steht heuer zum zweiten Mal in Folge in der Rolle des Todes in Robert Carsens Inszenierung des „Jedermann“ auf der Bühne. Mit der Premiere des Stückes am 19. Juli findet zum 105. Mal die künstlerische Eröffnung der Festspiele statt. Hugo von Hofmannsthals Mysterienspiel vom „Sterben eines reichen Mannes“ hat bis zum heutigen Tag nichts von seiner Faszination verloren. Im Gegenteil: Die existenziellen Fragen nach Vergänglichkeit, Sinn und Wert des Lebens wirken heute dringlicher denn je. Der in Niederösterreich geborene und teils in Frankreich aufgewachsene Dos-Reis erinnert sich an seine ersten Begegnungen mit dem Stoff in seiner Jugend: „Wir haben den ‚Jedermann‘ im Deutschunterricht am Gymnasium gelesen und Ausschnitte aus der Inszenierung mit Nicholas Ofczarek, Birgit Minichmayr und Ben Becker angeschaut.“ Live erlebte er das Stück erstmals 2015 mit Cornelius Obonya in der Hauptrolle. „Mir vorzustellen, nun selbst Teil dieser einzigartigen Theatertradition zu sein, hat mich – auch wenn der Begriff etwas verstaubt klingt – mit Ehrfurcht erfüllt.“
Leichtigkeit
Der „Jedermann“ hat in Österreich zweifellos Kultstatus. Dos-Reis findet es spannend, „in diese Bilderwelt einzutauchen, die so reich an Historie ist und manchmal etwas Traumhaftes hat“. Wie sich sein Blick auf das Stück verändert habe, seit er mittendrin stehe? „Ich bin nun selbst in den Genuss gekommen, zu erleben, wie es sich anfühlt, auf dieser Bühne zu stehen, und darüber staunen zu können, wie viele Augen auf einen gerichtet sind.“ Laut dem Künstler ist es der Domplatz, der dem Stück seine besondere Strahlkraft verleiht: „Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass Hofmannsthals Stück an einem anderen Ort dieselbe Wirkung entfalten könnte.“ Die Rolle des Todes zu übernehmen, hat ihn bewegt: „Ich meine, was für ein Geschenk!“ Es waren Schauspielgrößen wie Otto Sander, Jens Harzer, Edith Clever oder Peter Lohmeyer und Ulrike Folkerts, die diese vor ihm verkörpert haben. Die Verjüngung der Figur ist dabei kein Zufall, wie Dos-Reis erklärt: „Bei der Besetzung von mir als jungen Tod sprach Robert Carsen gerne von einem Todesengel, einer hellen und schönen Gestalt also, die nicht dem düsteren Bild als Sensenmann entspricht, der allen das Fürchten lehrt. Ich fand diesen Ansatz interessant, und es hat mir gefallen, die Figur leicht, fein und zerbrechlich anzulegen.“ Die intensive Beschäftigung mit der Rolle hat auch seine Haltung zur Vergänglichkeit verändert: „Eine einfache Frage, die mir die Rolle in diesem Zusammenhang an das Leben gestellt hat, ist, ob wir ,mittendrin im besten Leben‘, wie es im Stück heißt, wirklich in der Lage sind, es loszulassen, ohne uns dagegen zu wehren. Vielleicht stünde uns im Hinblick auf unsere Endlichkeit hier und da ein bisschen mehr Bescheidenheit und Achtsamkeit gegenüber dem Leben ja ganz gut zu Gesicht.“
Es erfüllt mich mit Ehrfurcht, Teil dieser einzigartigen Theatertradition zu sein.
Vorfreude
Sein Weg führte Dominik Dos-Reis vom Schauspielstudium an der Musik und Kunst Privatuniversität Wien über den Dschungel Wien bis zum Ensemble des Schauspielhauses Bochum, wo er seit 2018/19 Mitglied ist. Unter anderem wurde er 2023 von der Fachzeitschrift Theater heute als „Nachwuchsschauspieler des Jahres“ ausgezeichnet. Wichtig sei ihm, „auf neue Rollen stets offen zuzugehen, auch wenn man den Stoff schon kennt“. Die Begegnung mit Robert Carsen beschreibt er in diesem Zusammenhang als besonders schön, denn „er hatte meiner Meinung nach einen offenen und klugen Blick auf das Stück“. Interessant wird Theater für ihn dann, „wenn eine echte Verbindung zwischen dem Geschehen auf der Bühne und dem Publikum entsteht. Das gelingt nicht immer, und in der Regel ist diese Erfahrung individuell verschieden. Oft sind es nur kurze Augenblicke. Dann entsteht etwas. Eine Öffnung sozusagen. Ich glaube, wenn man von einem Moment wirklich berührt ist, dann vergisst man es so schnell nicht wieder.“ Auf den Festspielsommer freut er sich jetzt schon wegen der Atmosphäre auf dem Domplatz. „Vor allem während des Schlussbildes, das Robert Carsen für diese Inszenierung realisiert hat. Dieser letzte gemeinsame Auftritt des gesamten Ensembles aus dem Dom. Ein langer Abschied. Das hat mich in jeder Vorstellung aufs Neue bewegt.“ Es ist ein Bild, das bleibt – wie das Stück selbst und die Fragen, die es stellt.
