Die Künstlerin hat eine Vorliebe für die Ästhetik vergangener Epochen.
©Mercedes HelnweinSie schreibt, malt und beschäftigt sich mit Film und Musik: In Amerika ist die Universalkünstlerin Mercedes Helnwein längst eine fixe Größe. Bis 28. Dezember sind ihre Werke in ihrer ersten österreichischen Einzelausstellung in Wien zu sehen.
Wir erreichen Mercedes Helnwein zum Interview via Zoom in Irland. Die in Los Angeles lebende Künstlerin ist gerade zu Besuch bei ihren Eltern. Vor fast drei Jahrzehnten übersiedelte ihr Vater, der weltbekannte Künstler Gottfried Helnwein, mitsamt Familie dorthin in das Schloss Gurteen nahe Kilsheelan, einem kleinen Dorf in der südirischen Grafschaft Waterford. "Irland ist ein großartiges Land. Was mein Vater hier erschaffen hat, allein was das Schloss und das Gelände betrifft, ist einfach magisch, es ist ein wirklich schöner Zufluchtsort. Jedes Mal, wenn ich hierherkomme, fühlt es sich fast so an, wie in eine andere Zeit zu reisen", erzählt die 45-Jährige, die sich nicht nur als bildende Künstlerin, sondern auch als Schriftstellerin international einen Namen gemacht hat. Mit ihrer ersten österreichischen Soloschau "Sometimes. Mercedes Helnwein" eröffnete die Galerie Kovacek & Zetter am 27. November einen neuen Standort in Wien.
Mercedes Helnwein, selbst in Wien geboren, lebte später mit ihrer Familie in Deutschland und ab dem Teenageralter in Irland. Im Interview spricht sie mit uns über ihre Karriere – und was Heimat für sie bedeutet.
In Ihrer Biografie heißt es, Sie haben sich bewusst gegen ein Kunststudium entschieden. Warum?
Schon als Kind habe ich viel gezeichnet und geschrieben, aber ich hatte nie den festen Plan, Künstlerin zu werden. Deshalb kam auch die Frage nach einer Kunstschule für mich gar nicht erst auf. Mir war es wichtiger, meinen eigenen Stil ohne äußere Einflüsse zu entwickeln – und meinen eigenen Weg zu gehen.
Sie haben gesagt, dass Sie alltägliche Momente lieben, weil nichts jemals wirklich "normal" ist. Liegt das Faszinierende für Sie im Banalen?
Ja, absolut. Mich zieht schon immer das Menschliche an, die scheinbar gewöhnlichen Geschichten. Das Mädchen, das in der Highschool andere schikaniert – solche Szenen interessieren mich mehr als jede Alien-Invasion. Ich mag Filme mit guten Dialogen, die in ganz alltäglichen Situationen starten. Wenn sie dann etwas abdriften und komisch werden, stört mich das nicht. In meiner Kunst zoome ich gerne in diese kleinen, intimen Momente des Lebens hinein.
Frauen und Mädchen, oft mit einem selbstbestimmten Ausdruck, stehen im Mittelpunkt Ihrer Werke. Wie ist es dazu gekommen?
Schon seit meiner Kindheit haben mich die Geschichten und Charaktere von Frauen und Mädchen fasziniert. Ich fand sie hübsch, ihre Kleidung cool und ihre Geschichten spannend, egal ob sie Heldinnen oder Bösewichte waren – oft waren es auch Storys, die ich mir über sie ausgedacht habe.
Wie männerdominiert ist die Kunstwelt heute noch?
Mein Weg in die Kunst war sehr intuitiv – ich habe einfach "mein Ding" gemacht, ohne mich besonders um Konventionen und Regeln zu kümmern. Mir ging es immer nur darum, Kunst zu machen, also habe ich Shows mit meinen Freund:innen auf die Beine gestellt, von denen die meisten tatsächlich Frauen waren. Ich hatte das Glück, in einem Umfeld aufzuwachsen, in dem mich meine Eltern unabhängig von meinem Geschlecht unterstützten. Dadurch konnte ich die Schwierigkeiten, die viele Frauen unter anderem in der Kunst erleben, gewissermaßen ausblenden. Es ist klar, dass die Kunstwelt traditionell von Männern geprägt war, aber die Welt verändert sich. Es wäre schön, wenn der Erfolg zunehmend von der künstlerischen Qualität abhängt und nicht vom Geschlecht. Was mich stört, ist, in die Kategorie "Künstlerinnen" eingeordnet zu werden – wir sollten einfach alle als "Künstler" betrachtet werden, ohne Unterkategorien.
Ihre Protagonistinnen wirken oft ästhetisch aus der Zeit gefallen. Warum?
Auch da war es so, dass ich mich schon als Jugendliche oft wie aus der Zeit gefallen gefühlt habe – oder zumindest mehr von vergangenen Epochen inspiriert, was Kleidung, Frisuren oder Ästhetik betrifft. Als Teenager bin ich oft in Secondhandläden gegangen und habe Kleider im Stil der 1920er- oder 1960er-Jahre gekauft. Diese Vorliebe für frühere Generationen spiegelt sich auch in meiner Arbeit wider, die so eine gewisse Zeitlosigkeit bekommt. Meine Frauen sehen jedenfalls nicht so aus, als wären sie aus dem Jahr 2005, was für mich stilistisch auch keine gute Zeit war.
In Ihren jüngsten Arbeiten thematisieren Sie Bräute und Brautjungfern. Wie kam es dazu?
Ich schreibe gerade einen Roman, in dem es eine Szene mit Brautkleidern gibt, und ich finde die Symbolik faszinierend – ähnlich wie beispielsweise die Krankenschwestern und Hexen, die ich zuvor gemalt habe. Ein Brautkleid verleiht einer Szene automatisch eine besondere Bedeutung. Es ist ein historisch aufgeladener Moment für Frauen, und das wollte ich einfangen.
Ihre Arbeiten bewegen sich zwischen Porträt und Erzählung. Welche Geschichten erzählen Ihre Bilder?
Anders als beim Schreiben muss ich in der bildenden Kunst keine ganze Geschichte aufrollen. Es reicht, subtile Andeutungen zu machen, damit die Betrachter:innen ihre eigene Vorstellung entdecken und entwickeln können.
Welche Macht hat Kunst?
Eine sehr große. Sie hilft, das Leben erträglich zu machen. Sie kann unseren Blick auf die Welt verändern und unterschiedlichste Gefühle auslösen – Freude, Trauer, Nachdenklichkeit. Wenn man Kunst, und ich spreche hier von allen Disziplinen, von Musik über Film, Literatur bis hin zu Tanz, wegnimmt, hat das Leben keinen Sinn. Darum ist sie sehr mächtig und sollte auch nicht als weniger wichtig gelten als etwa die Börse oder anderes, das als relevant gesehen wird.
"Sometimes. Mercedes Helnwein" ist Ihre erste Solo-Show in Österreich. Welche Verbindung haben Sie zu Ihrem Geburtsland, und was bedeutet Heimat für Sie?
Ich schätze und liebe Wien sehr und verbringe regelmäßig Zeit hier. Was Heimat bedeutet, ist eine gute Frage. Ich sehe mich nicht als Amerikanerin und bin auch nicht mit den dortigen Traditionen aufgewachsen. Ein Großteil meiner Kindheit ist sehr europäisch geprägt, weil ich viel Zeit in Irland verbracht habe und das noch immer tue. Gleichzeitig habe ich mich immer ein wenig wie eine Außenseiterin gefühlt. Das kann auch Spaß machen, weil man so die Welt mit dem Blick und der Ehrfurcht einer Außenstehenden betrachten kann.
Ihr Vater ist der weltbekannte Gottfried Helnwein. Inwieweit hat das Ihre Identität als Künstlerin geprägt?
Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass es das überhaupt getan hat. Aber es war ein Umfeld, in dem es selbstverständlich war, Kunst zu machen. Künstlerisch gehen wir sehr unterschiedliche Wege. Das ist es auch, was einen Künstler interessant macht: dass er oder sie seine oder ihre eigene unverwechselbare Welt hat, an der man teilhaben kann und von der man sich inspirieren lassen kann.