
Kraftvoll, politisch, persönlich: Die Auftritte von Luca Bonamore sind längst nicht mehr nur für Insider:innen ein Must-See. Der 28-Jährige Performer im Porträt.
What the Fuck?“ – das war sein erster Gedanke heute Morgen, erzählt Luca Bonamore von seinem holprigen Start in den Tag. Frisch zurück aus seinem Urlaub in Los Angeles, und dann das: „Meine rechte Gesichtshälfte war um das Doppelte angeschwollen!“ Autsch. Der Auslöser? „Klimaanlagen! Ich habe mich verkühlt, meine Lymphknoten sind angeschwollen“, schiebt er nach. Trotzdem kein Grund für den 28-jährigen Performer, Sänger und Choreografen, im Bett zu bleiben. „Ich muss zum Proben ins Volkstheater fahren“, sagt er. Denn die Premiere der Komödie „The Boys Are Kissing“ von Zak Zarafshan rückt in Riesenschritten näher, am 25. September ist es so weit – Bonamore spielt unter der Regie von Martina Gredler einen Engel.
Losgelöst
Getanzt hat der Wiener mit den italienischen Wurzeln schon immer, zu Hause, allein vor dem Spiegel. Bonamore zog im Alter von zwölf Jahren mit seinen Eltern und drei Brüdern von Rom nach Wien, besuchte das Gymnasium, inskribierte an der Uni. Sein Weg schien vorgezeichnet zu sein, und dann kam es doch ganz anders. Die Liebe zum Tanzen siegte, Bonamore schrieb sich für ein zeitgenössisches Tanzpädagogik-Studium an der MUK Wien ein. Da war er 24. Tanz ist für Luca Bonamore eine Ausdrucksform, mit der Gefühle und Zustände verhandelt werden, für die Worte oft nicht ausreichen. „Ich hatte anfangs Angst, mein Ausdruck könnte zu feminin wirken. Erst in queeren Technoclubs fand ich einen sicheren Raum, in dem ich mich wirklich zeigen konnte. Dort fand ich losgelöst von gesellschaftlich einengenden Normen meinen eigenen Ausdruck“, erinnert sich der Künstler an seine Startversuche. „Ich wollte gesehen und gemocht werden, als ich mich auf die Soundanlagen und Bartheken stellte und zu tanzen begann. Die positiven Reaktionen ermutigten mich, weiterzumachen.“ Und heute? Heute wird Bonamore als Senkrechtstarter und Publikumsliebling beim ImPulsTanz Festival gefeiert. Seine Performance „Lamentations“ galt als Programmhighlight 2025 – es geht dabei um eine märchenhafte Anbahnung zweier homosexueller Männer in der ehemaligen Operntoilette am Karlsplatz. Walzermusik und Kitschdeko inklusive. In Technoclubs ist Bonamore nach wie vor gut gebucht: „Das möchte ich auf keinen Fall missen.“


„Tanz kann auch ein Ort sein, an dem gesellschaftliche Themen in Bewegung gebracht werden", sagt Luca Bonamore.
© IMPULS TANZTanz als Diskurs
In seiner Arbeit verarbeitet der Tänzer vor allem persönliche Erfahrungen. Kein Stück ist für ihn je abgeschlossen oder fertig im herkömmlichen Sinn. Auch das Scheitern begreift der 28-Jährige als fixen Bestandteil seiner künstlerischen Praxis. „Es mag zwar kitschig klingen, ist aber wahr. Ohne Scheitern gibt es keine Weiterentwicklung. Man versucht und scheitert so oft, bis man auf etwas stößt, das sich am wenigsten nach Scheitern anfühlt.“ Es geht ihm darum, einen Dialog zu starten, einen gemeinsamen Diskurs und ein Nachdenken. „Tanz kann ein Ort sein, an dem gesellschaftliche Themen sichtbar und in Bewegung gebracht werden. Er kann Gegenpositionen aufzeigen und auf Missstände hinweisen“, erzählt der Tänzer, der zuletzt als Werbebotschafter der neuen Vöslauer-Kampagne gebucht wurde. „Ich möchte queere Geschichten erzählen. Mich interessiert der Akt des Zusammenkommens von Menschen, die Annäherungen und ihre Kommunikation, beschreibt er den aktuellen Fokus seiner Arbeit. Eine Bühne zu bekommen, ist für den Künstler mit viel Verantwortung verbunden. „Alles ist politisch. Daher ist es wichtig, eine klare und transparente Position einzunehmen und diese auch zu vertreten“, erklärt Luca Bonamore seine Mission. Es ist ihm ein Anliegen, sich für andere starkzumachen, deren Stimmen durch politische Regression zum Schweigen gebracht werden. „Queerness ist ein Teil unserer Gesellschaft und unserer Lebensrealitäten – und damit auch untrennbar mit Kunst und Bühne verbunden. Präsenz ist für mich eine Form von Solidarität und Widerstand“, sagt Bonamore abschließend.
