
61 Prozent der Stadtfläche von Vilnius sind grün. Dort, wo es noch nicht so ist, wird begrünt – wie das ehemalige Laborgebäude der Universität im Botanischen Garten.
©Vilnius City MunicipalityWer weiter östlich schaut, findet eine Stadt im Aufbruch – und die „European Green Capital 2025“: Vilnius.
Auf der Suche nach neuen Städtezielen Blick geraten – kein Meer, weit östlich, nicht auf den klassischen Reiserouten. Dabei ist die litauische Hauptstadt ein verborgenes Juwel Europas und 2025 sogar European Green Capital. Seit 2008 zeichnet die EU-Kommission Städte für ihre Nachhaltigkeit aus: als „European Green Capital“ Metropolen über 100.000 Einwohner:innen und als „European Green Leaf“ kleinere ab 20.000. 2025 siegten Vilnius und das spanische Viladecans. Bewertet wird nach zwölf Umweltindikatoren – von Luftqualität über Abfallwirtschaft, Energieverbrauch bis Mobilität.
Warum Vilnius?
Die Jury lobte die „klare Vision, den Mut, Neues zu wagen – mit einem realistischen, bodenständigen Ansatz“. Passend dazu ist das heurige Motto: „Vilnius – the greenest city in the making“. Die Zahlen beeindrucken: 61 Prozent der Fläche sind grün, 95 Prozent der Bewohner:innen leben höchstens 300 Meter von einem Park entfernt. 140 Kilometer Radwege, 1.500 Kilometer Wanderpfade, 297 neue Elektrobusse machen den Alltag klimafreundlicher. Der Plastikverbrauch sank binnen eines Jahres auf ein Fünftel, 92 Prozent der Pfandflaschen werden recycelt.
Doch Nachhaltigkeit bedeutet in Vilnius mehr als Zahlen. Es geht um Lebensqualität. Mit einer Bürger-App gestalten Einwohner:innen die Stadt aktiv mit, sie pflanzen Bäume, teilen Ideen. Dass Litauens Jugend unter 30 jüngst zur „glücklichsten der Welt“ gekürt wurde, ist kein Zufall: Ein grünes Umfeld macht Städte schöner und Menschen zufriedener.
Vilnius ist aber auch eine Stadt der Neuanfänge. 1990 erklärte das ehemalige Großfürstentum Litauen, unter russischer und sowjetischer Herrschaft stehend, friedlich seine Unabhängigkeit. Heute blickt Vilnius voller Enthusiasmus nach vorn. „Hier treffen 700 Jahre Geschichte auf innovative Zukunftsvisionen“, erzählt Denise Snieguolė Wachter (unten), Food-Expertin des Stern und Autorin des Kochbuchs „Vilnius“. Diese Geschichte spürt man auf dem Teller. „Die litauische Küche ist wie kulinarischer Jazz, die Einflüsse stammen aus der Vergangenheit, werden aber heute neu arrangiert“, meint die Halblitauerin (ihre Mutter ist Litauerin, Anm.). So zeigt sich Kulinarik, die Altes bewahrt und zugleich Neues wagt (siehe Tipps unten).
Und dann wäre da noch das viele Grün: „Es ist die perfekte Balance zwischen urbanem Leben und Natur. Der Botanische- und der Bernhardiner-Garten, Spaziergänge entlang der Vilnia oder die Kirschblütenbäume im Sakura Park, man spürt die Ruhe mitten in der Stadt.“ Vilnius macht vor, wie sich Nachhaltigkeit, Geschichte und Zukunftsgeist verbinden lassen. „Es ist eine Stadt, die einen umarmt wie meine Bobutė (Oma, Anm.) und einen nie wieder loslässt“, schwärmt Wachter. Noch bleibt Zeit, die Green Capital hautnah zu erleben – bevor 2026 Guimarães in Portugal die Krone übernimmt.


Die Genuss-Expertin des Stern mit litauischen Wurzeln: Denise Snieguolė Wachter – sie veröffentlichte letztes Jahr das Koch-& Kulinarikbuch „Vilnius“ (siehe Buchcover unten).
© Bettina TheuerkaufDie Tipps der Vilnius-Kennerin Denise Snieguolė Wachter
1. BOTANISCHER GARTEN. Ihre „grünen“ Places to be: der Chiune-Sugihara-Sakura-Park, der Bernhardiner-Garten und Spaziergänge entlang der Vilnia: „Da spürt man die Ruhe mitten in der Stadt“, so die Autorin. Ebenso der Botanische Garten der Universität Vilnius in Kairėnai (oben) mit seiner spektakulären Rhododendronblüte: „Er zeigt, dass Grünflächen nicht nur schön sind, sondern auch wichtig für die Artenvielfalt.“
2. KULTUR. Die „Kaziukas“-Messe im März ist ein Highlight: Sie findet seit 1636 statt und gilt als ältester Handwerksmarkt. Als „European Green Capital 2025“ zeigt sie verstärkt nachhaltige und regionale Produkte.
3. UNTERWEGS. „Vilnius vereint Kultur und Umweltbewusstsein ideal“, so Wachter. Ihr Tipp: Die Stadt auf den 140 Kilometer langen Radwegen erkunden!
4. GASTRO-STAR. Vita Bartininkaitės Restaurant „Pasmus“ wurde 2024 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. „Ein festes Menü gibt es nicht – die Jahreszeiten bestimmen den Teller“, so Wachter.


Das Restaurant „14 Horses“.
© 14 Horses5. „14 HORSES“ (BILD). „Es ist eines meiner Lieblingsrestaurants, da es die moderne litauische Gastronomieszene perfekt verkörpert. Auch das ‚Gaspar’s‘, 2023 zum besten Restaurant Litauens gewählt, zeigt, wie offen Vilnius für internationale Einflüsse ist.“ Ebenfalls ein Highlight der Autorin: das „Desertų klubas“ mit seinen Backwaren. „Sie sind so gut, dass ich meine Koffer immer damit fülle, wenn ich zurückfliege!“
6. MUST EAT. Die kalte pinke Suppe „Šaltibarščiai“ (siehe Buchcover unten). „Sie ist mehr als ein Gericht – sie ist Instagram-Star und Kunstwerk zugleich. Die traditionelle Rote-Rüben-Suppe mit Kefir, Gurke, Dill und Ei steht einfach für den litauischen Sommer.“ Tipp: Beim Pink Soup Festival (30.5.2026) gibt es sie in der ganzen Stadt.


Die älteste Markthalle von Vilnius: die „Halės turgus“.
© Shutterstock7. VIERTEL UŽUPIS. Užupis, der kleine Stadtteil am Rand der Altstadt von Vilnius, hat es Denise Snieguolė Wachter besonders angetan: „Er verkörpert den Geist der Stadt: kreativ, unkonventionell und zugleich tief verwurzelt in Kunst und Kultur.“
8. „HALĖS TURGUS“ (BILD). „Für den Alltag liebe ich die ,Halės turgus‘ – die älteste Markthalle von Vilnius. Ihre vom Eiffelturm inspirierte Architektur ist schon für sich ein Erlebnis. Hier findet man alles, was das Feinschmeckerherz begehrt: eingelegte Spezialitäten, Wurstwaren, Topfen, Honig und viele regionale Köstlichkeiten. Ein Fest für die Sinne – und ein authentischer Einblick in die litauische Küche.“


Denise Snieguolė Wachters Koch-& Kulinarikbuch „Vilnius“. AT Verlag, um € 37,–.
© AT Verlag