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Der Schweizer Private Chef Ralph Schelling kocht Essen ohne Attitüde

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Aktualisiert
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7 min
Ralph Schelling beim Kochen

©Pascal Gertschen, Ralph Schelling

Ralph Schelling kocht dort, wo seine anspruchsvollen Kund:innen leben. Im Kochbuch „Simple is Best“ beweist der Schweizer Privatkoch jedoch, dass echter Genuss nichts mit Glamour zu tun hat. Ein Gespräch über Bodenständigkeit und die Schönheit des Einfachen.

Dass wir Ralph Schelling in der Schweiz erreichen, ist beinahe ein Zufall. Meist ist der Koch irgendwo auf der Welt unterwegs – letzte Woche Antigua, dann Miami, zwischendurch Hamburg für eine Buchpräsentation. Jetzt bleibt er ein paar Tage in Zürich. „Ich finde es in der Schweiz einfach am schönsten“, sagt er ruhig, fast bescheiden.

Und man glaubt es ihm sofort. Was für andere nach einem Traumleben klingt, ist für Schelling längst Alltag. Der gebürtige St. Galler ist Privatkoch für eine internationale Klientel – Menschen mit großen Häusern oder teuren Yachten, für Modelabels oder Unternehmen, die ihn für ihre exklusiven Events buchen. Er kocht, wo immer er gebraucht wird: für zwei oder 100 Gäste, im privaten Rahmen oder bei glamourösen Anlässen. „Früher war das für mich ein großer Traum“, erzählt er. „Ich stand im Restaurant, habe jeden Tag dieselben Wände gesehen. Heute ist jede Woche anders. Ich liebe diese Abwechslung.“

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Ralph Schelling Nahaufnahme mit Bagels in der Hand
 © Markus Pritzi, AT Verlag / www.at-verlag.ch

Dass jemand, der so zwischen Welten pendelt, sein erstes Kochbuch „Simple is Best“ nennt, wirkt auf den ersten Blick wie ein Widerspruch. Doch bei Ralph Schelling ergibt genau das Sinn. „Ich bin ganz einfach aufgewachsen“, sagt er. „Trotzdem mag ich die Welt, in der ich heute arbeite. Ich fühle mich nicht fehl am Platz. Ich mache das mit Leidenschaft, es ist genau mein Ding.“

Er kocht für Menschen, die viel gesehen, viel erlebt – und viel gegessen haben. Und vielleicht genau deshalb nach etwas anderem suchen. „Diese Menschen sehnen sich nach Emotionen und nach Gerichten, die etwas in ihnen auslösen“, weiß er. „Und sie sind eigentlich viel normaler, als man sich das vorstellt.“ Sie buchen ihn wegen seiner Ungekünsteltheit und weil ihm Geschmack wichtiger ist als eine makellose Inszenierung.

Schelling weiß, wovon er spricht. Er hat in einigen der besten Küchen der Welt gearbeitet: bei Andreas Caminada im Schweizer Schloss Schauenstein, in Ferran Adriàs El Bulli nördlich von Barcelona oder im RyuGin in Tokio. Irgendwann hatte er genug davon, „irgendwelche Amuse-bouches zu servieren, bei denen man nach dem zweiten nicht mehr weiß, was man isst“. Heute will er Gerichte kreieren, die in Erinnerung bleiben, so wie es sich auch seine Gäste wünschen. „Ich habe mich von dieser klassischen Sterneküche völlig losgelöst“, erklärt er und ergänzt: „Ich glaube, selbst Gastro-Kritiker:innen vermissen manchmal authentisches Essen.“

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Arancini alla Nduja

Aus seinem Erstlingswerk „Simple is Best“ (siehe unten): Arancini alla Nduja.

 © Markus Pritzi, AT Verlag / www.at-verlag.ch

Essen mit Seele

Was ihn heute antreibt, sind Begegnungen – mit Menschen, Orten, Produkten. Auch auf seinem Instagram-Kanal teilt er regelmäßig Eindrücke und lässt seine Follower:innen an seinen Reisen teilhaben. „Das Schönste ist, wenn ich an einem Ort bin, den ich nicht kenne, und mit den Leuten dort arbeite. Wenn mir jemand zeigt, wie sie etwas machen – und daraus entsteht dann etwas Neues. Das ist das, was mich am Leben hält und mich anspornt.“ Statt importierte Luxusware aufzutischen, kocht Schelling mit dem, was gerade da ist, sei es in Mexiko, Aspen oder Marokko. „Es macht keinen Sinn, ein Konzept, das man in Zürich entwickelt hat, mitzunehmen. Wenn du irgendwohin fliegst, wo alles komplett anders ist, hat das null Emotion.“

Wer Schelling reden hört, merkt schnell: Für ihn ist Kochen weit mehr als Handwerk. Es ist Haltung, aber auch Gastgebertum. „Ich habe schon Events gesehen, wo viel Geld für die hässlichste, teuerste Deko und das grellste Licht ausgegeben wird. Ich finde: Es sind die kleinen Details, die zählen. Etwa handgeschriebene Menükärtchen.“ An besonderen Abenden darf es aber auch opulent sein. „Für Feiertage oder große Feste mag ich es, wenn ein Tisch überladen ist – mit tollen Blumen und schönem Silberbesteck. Manchmal ist man dann schon satt – einfach vom ganzen Ambiente.“

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Birnen im Blätterteig

Birnen im Blätterteig mit Jersey Blue Cheese – ebenfalls aus dem Kochbuch „Simple is Best“ (siehe unten).

 © Markus Pritzi, AT Verlag / www.at-verlag.ch

Der wahre Luxus

Luxus, sagt er, habe für ihn längst eine andere Bedeutung. „Viele denken dabei an Kaviar oder Blattgold. Doch echter Luxus ist, glücklich zu sein. Und manchmal gelingt das auch mit einem einfachen Stück Käse, das nach Kindheit schmeckt, oder einem Gericht, das Erinnerungen weckt.“

In seinem Buch zeigt er nun, was er damit meint: Gerichte mit Seele, Rezepte, die berühren. Knusprige, ofengeröstete Arancini, die nach Urlaub schmecken. Oder Desserts, die keiner Erklärung bedürfen – etwa Birnen im Blätterteig, saisonal, einfach zubereitet, wärmend und wunderbar duftend. „Ich wollte endlich etwas machen, das für alle zugänglich ist“, erklärt er. Dass er sonst für Kund:innen kocht, über die er kaum sprechen darf, macht dieses Rezeptbuch für ihn umso persönlicher. „Ich lebe manchmal in einer Parallelwelt. Jetzt kann ich endlich meine Rezepte mit allen teilen – und das freut mich wahnsinnig.“ Und er betont: „Man braucht nicht viel Budget, um die Gerichte nachzukochen. Es kann wirklich jede:r daran teilhaben.“

Die Essenz seiner Philosophie? Wahrscheinlich, dass Glück und Genuss nichts mit Exklusivität zu tun haben, sondern mit Echtheit. „Und schon gar nicht mit holländischen Kressesprossen, die man mit der Pinzette drapiert“, so Schelling.

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Buchcover Simple is Best

Comfort Food. Ralph Schellings Gegenentwurf zur überinszenierten Spitzenküche, gespickt mit Anekdoten aus seinem Leben als Vielreisender & Privatkoch. „Simple is Best“, at Verlag, € 37,–.

 © AT Verlag

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