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Beziehung: Liebe ist planbar!

Liebe unterliegt Regeln. Nicht anders als in einem Unternehmen muss Erfolg geplant und erarbeitet werden. Wie man der Beziehung mehr Stabilität verleiht, weiß unser Experte.

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Beziehung: Liebe ist planbar!
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Das wird schon wieder! Wer beruhigt sich nicht gern mit diesem Gedanken, wenn 's in der Beziehung kriselt. Aber Probleme haben leider selten die Tendenz, sich ganz von allein zu lösen. "Da müssen wir schon selbst ran", bringt es Christian Killinger, Coach und Paarberater, auf den Punkt. "Einfach weiterlaufen lassen funktioniert nicht." Denn wenn man nichts tut für die Zweisamkeit, tendiert sie dazu, schlechter zu werden. Das sagte schon US-Beziehungs-Guru John Gottman, und der sollte es wissen. Die Vorstellung von inniger Verbundenheit als "Magie" und "Mysterium" mag in der anfänglichen Verliebtheit angebracht sein, danach, so ist Killinger überzeugt, gelten ganz pragmatische Grundregeln. "Nicht anders als in einer Firma." Was ein Unternehmen auf Erfolgsschiene bringt, stabilisiert auch eine Partnerschaft: Agilität. "Agil ist das Gegenteil von schwerfällig", erläutert Killinger, der lange auch als IT-Manager arbeitete. "Es bedeutet für Unternehmen, in einer sich rasch verändernden Welt flexibler zu werden. Zusätzlich heißt es, vorwegnehmend und initiativ zu agieren, um rasch notwendige Veränderungen vorzubereiten und einzuführen."

"Die agile Beziehung"

So nennt er entsprechend sein Konzept, das die (Business-)Werte Transparenz, Zusammenarbeit, Verantwortung, Verständnis, Respekt und Fehlerkultur auch fürs Leben zu zweit in Stellung bringt. Wachstum und Entwicklung sind die Boni. Wie man's macht, zeigt Killinger in seinem Buch "Liebe ist planbar: Die agile Beziehung"(Eigenverlag, € 14,90) anhand vieler Übungen auf. "Lieber kleine Schritte", wie er sagt, denn der große Paukenschlag -ab heute wird alles anders -ist weder in Sachen Zuckerverzicht noch in der Liebe leicht umsetzbar.

"Viele Beziehungen zerbrechen nach dem ersten Jahr", weiß der Coach nach unzähligen Beratungen, "da fängt eben dann die Machtkampfphase an, wo ich mit aller Kraft am Partner zieh und zerre. Weil ich ihn nach meinen Vorstellungen hinbiegen will." Schnell kann sich das totlaufen in der Endlosschleife von: Meins ist richtig und deins nicht. Wer rechtzeitig erkennt, dass es so nicht funktioniert, hat alle Chancen. "Denn mit dem Partner, in den ich mich verliebt habe, ist alles möglich -wenn ich in die gemeinsame Beziehungsarbeit investiere." Wer einen Plan hat, ist klar im Vorteil. Auch die Männer, die ja bekanntlich auf "Wir müssen reden" gern allergisch reagieren, kann man damit eher ins Boot holen. Weil es mit Strategie mehr auf der Kopf-statt auf der Gefühlsebene abläuft. Und mit Killingers schlagendem Argument "Ihr könnt euch schon trennen, aber die Probleme holen euch in der nächsten Beziehung wieder ein" wird der agile Weg richtig verlockend.

Transparenz ist wesentlich für eine gut funktionierende Beziehung.

Legt ein Unternehmen Zahlen, Ressourcen und Maßnahmen klar offen, kann es erfahrungsgemäß eher auf Unterstützung und Verständnis der Mitarbeiter und Partner zählen. In der Liebe ist es nicht anders. "In vielen Beziehungen herrscht aber die Tendenz vor, Dinge unter den Teppich zu kehren", so der Coach. "Oder um vordergründige Dinge zu streiten, die das wirkliche Thema übertünchen." Seine Socken liegen wieder mal herum, sie hat beim Aufräumen seine Zettelhaufen durcheinandergebracht, und bumm, los gehts! Das wahre Problem könnte sein, dass sich beide vom anderen übergangen, nicht wertgeschätzt fühlen. Aber die wirklich wichtigen Dinge kommen nicht auf den Tisch und können so auch nicht angegangen werden. Dazu kommen unausgesprochene Erwartungen. "Man nimmt oft automatisch an, dass für den Partner das Gleiche wichtig sein muss wie für einen selber. Wenn ich Paare in meiner Praxis frage, ob sie ihre Erwartungen überhaupt einmal abgeklärt haben, kommt meistens ein Nein. Jeder hat gemeint, der Partner weiß es eh. Aber woher soll er? Mit Gedankenlesen haben wir's alle nicht so." In einer erfolgreichen Firma wär's undenkbar, dass ein Chef seinem Mitarbeiter nicht klar sagt, was er von ihm erwartet - und umgekehrt. Außerdem: Hier wie da ist eine Abklärung der Begriffsdefinitionen nötig. Reden wir überhaupt vom Gleichen?

Treue ist Definitionssache.

Nehmen wir mal an, beiden ist in ihrer Partnerschaft Treue enorm wichtig. Nur versteht jeder etwas anderes drunter. Schmusen ist für sie noch drinnen, für ihn wär's ein Trennungsgrund. Wär doch einfach, das beizeiten zu klären.Killinger zeigt in seinem Buch etwa die Übung mit dem Ball der Klarheit. Man sagt etwas und wirft dem anderen den Ball zu. Zum Beispiel: "Treue bedeutet für mich, über eine freundschaftliche Umarmung nicht hinauszugehen." Und schwupps kriegt der andere den Ball und ist seinerseits dran (siehe auch Kasten S. 148). Wohin es führen kann, wenn man einfach etwas annimmt, veranschaulicht der Coach mit einem direkt amüsanten Beispiel: Ein Paar frühstückt jeden Morgen gemeinsam. Egal wer die Mahlzeit zubereitet, sie bekommt immer die obere Hälfte der Semmel, er die untere. Beide glauben, dem anderen damit entgegenzukommen. Bis einmal ein heftiger Streit ausbricht und sie ihm ihren oberen Semmelteil an den Kopf wirft. Der Mann hält erstaunt inne und meint: "Endlich kann ich mal die bessere Hälfte essen." Da muss die Frau lachen und sagt: "Ich hasse die obere, doch ich dachte immer, dass du die untere willst."

Je klarer man also ausspricht, was die eigenen Wünsche, Bedürfnisse usw. sind, desto erfolgreicher kann man auch den Punkt "Verstehen und verstanden werden" erfüllen."Wir sind teils wie komplett unterschiedliche Länder, in denen andere Regeln, Sitten und Gebräuche herrschen", erläutert der Beziehungscoach und hat zum Kapitel "Mein Land, dein Land" eine entsprechende Übung entwickelt: Wie ein "Tourist Guide" erzählt der eine über die Gepflogenheiten in seinem Land, und der Tourist fragt nach (s. Übung S. 147).

"Das ist ein Training, das es schaffen kann, ein Paar wieder emotional zusammenzubringen", so Coach Killinger. "Denn oft sitzt man zwar im gleichen Raum, ist aber emotional weit voneinander entfernt. Was kochen wir morgen, was kaufen wir ein, wird das Auto anspringen - jedem gehen immer nur seine eigenen Gedanken durch den Kopf." Da könnte übrigens auch das "Spiegeln" gute Dienste tun. Die Methode, die aus der Imago-Therapie stammt, funktioniert folgendermaßen: "Ich habe das Gefühl, wir leben nur mehr nebeneinanderher. Das frustriert mich", sagt etwa der eine, und der andere wiederholt wortgetreu: "Du hast das Gefühl, wir leben nur mehr nebeneinanderher ..." Und so weiter. "Danke, dass du mir das erzählt hast." Dann versucht der Partner, sich auch wirklich in die Gefühle des anderen hineinzuversetzen und nachzufragen. "Ich glaube, dass dich das wütend macht, weil du gerne hättest, dass wir viel gemeinsam machen? Ist das so?" Keinesfalls sollte der Satz: "Ich sehe es komplett anders" folgen. "Sonst", so der Experte, "war die ganze Mühe vergebens." Macht man es hingegen richtig nach Plan, fühlt sich der andere wertgeschätzt und respektiert und hat vielleicht nach Langem wieder das Gefühl, dass ihm der/die Liebste wirklich zugehört hat. "Sogar Paare, die kurz vor der Trennung waren, konnten so wieder neue Verbundenheit spüren." Frauen, das ist ja nicht unbekannt, erzeugen Nähe durch Gespräche, Männer durch Sex. Wenn man da irgendwann nicht mehr zusammenkommt, steht das endgültige Tschüss bald mal im Raum. Sind sich beide darüber im Klaren, versucht er vielleicht doch mal, in ihre (Gesprächs-)Welt einzutauchen: Du, was beschäftigt dich gerade? Was brauchst du? Wo hast du im Job Probleme? So wird auch das Sexleben wieder neu erwachen.

Was sich Liebende besprechen sollten: Was ist dein Anteil? Was ist mein Anteil?

Zuhören, Wertschätzung, Respekt vor den Gefühlen des anderen: Wie in einem Team von Kollegen wird's auf Dauer auch in der privaten Partnerschaft nicht ohne das gehen. Wichtig ist vor allem die gelebte Erkenntnis, dass niemand perfekt ist. "Die Fehlerkultur gehört zu den agilen Werten der Unternehmen", betont Coach Killinger. "Wenn ich Fehler bestrafe, bricht mir das Team zusammen. Wenn ich sie aber als Feedback nehme, dann können sich die Mitarbeiter entwickeln und wachsen." Und in einer Beziehung ist es nicht anders. "Sagen wir, das, was ich gemacht habe, hat nicht das richtige Ergebnis gebracht, weil ich den Liebsten gekränkt und verletzt habe", so der Experte, "wenn ich aber nachfrage, warum das so ist, kann ich es das nächste Mal besser machen. Diese Bereitschaft, mich mit dem anderen weiterzuentwickeln, bringt beide als Paar voran. Es funktioniert immer nur zu zweit. Beide müssen Verantwortung übernehmen, was auch bedeutet, eine Rundumsicht auf die Beziehung zu haben: Was ist mein Anteil? Was ist dein Anteil? Was unser gemeinsamer? Verantwortung bedeutet auch, darüber zu reflektieren, welche Lösungen bisher funktioniert haben und welche nicht. Sich irgendwie durchzuschummeln, Konflikte lieber nicht anzusprechen, ist hingegen der direkte Weg ins Ende. "Alles, was untergründig schwelt, ist ja schon da", sagt Killinger. Bei seinem Konfliktlösungsmodell ist es wichtig, dass die Kontrahenten nicht als Gegner aufeinanderprallen, sondern als Team, das gemeinsam eine Lösung sucht.

"Viele sind darauf gepolt: Ich gewinne oder ich verliere einen Konflikt." Versuche, dein Mindset umzustellen. Es geht vielmehr um ein gemeinsames Gewinnen, eine konstruktive Lösung. Ein Konzept, das auch hartnäckige Spannungen überwinden hilft, findest du im Buch.

In der agilen Unternehmenswelt werden dafür auch immer häufiger "Personas" verwendet, Stellvertreter sozusagen. Das bewährt sich im Beziehungskosmos ebenso. Kreiere das stellvertretende Modell für jeden von euch. Zeichnet die Figur mit ihren Eigenschaften am besten auf. Paulina, wie sie etwa heißen könnte, ist eher sensibel, gute Umgangsformen sowie Verlässlichkeit sind ihr wichtig, laute Streits hasst sie. "Jetzt kann das Paar einen Schritt zurücktreten und über die Personas in die Konfliktlösung einsteigen. Die Paulina findet zum Beispiel, dass der Georg sie zu wenig in sein Leben einbezieht, könnte sie etwa sagen." Und nun ist der Georg dran.

Letzte Frage: Wie gut gefüllt ist eigentlich dein Konto?

Nicht das auf der Bank, das ist auch wichtig, aber in dem Fall reden wir von der Liebe. Psychologie-Professor und Beziehungsguru John Gottman ("Die Vermessung der Liebe") hat dieses Bild entwickelt: Wer nicht regelmäßig aufs Beziehungskonto einzahlt, wird bald allein im Regen stehen. Auch die Währung muss dabei stimmen. Sagen wir, er kauft ihr jeden Tag Blumen. Sie will das aber gar nicht, denn sie findet, die gehen eh nur ein. Sie will viel lieber mehr körperliche Nähe, mehr Quality-Time zu zweit, und beide sind letztendlich enttäuscht Ja, aber es hat auch nie jemand behauptet, dass das Unternehmen Beziehung easy ist. Und weil wir schon bei John Gottman sind, noch ein Tipp von ihm: Eines der tödlichsten Dinge in einer Partnerschaft ist es, Verachtung zu zeigen. Augenverdrehen sowie Lächerlichmachen, und das vielleicht noch vor anderen. Mal ehrlich: Das würdest du mit deinen geschätzten Kollegen doch auch niemals tun!

Zwei Übungen für eine stabilere Partnerschaft

Tourist im fremden Land

Wenn ihr diese Übung mehrmals durchführt, werdet ihr merken, dass ihr euch immer näher kommt und die Missverständnisse weniger werden. Sitzt einander gegenüber und haltet immer Augenkontakt.

Einer ist der Tour-Guide, der andere der Tourist. Ersterer könnte nun sagen: "In meinem Land gehen die Einwohner gerne zeitig schlafen, da sie sonst am nächsten Tag wenig Energie haben." Oder: "In meinem Land ist es wichtig, sich emotional nahe zu sein, bevor man Sex hat, da es sonst schwer ist, abzuschalten." Vielleicht auch: "In meinem Land ist es nicht schlimm, wenn jemand zu spät kommt. Allerdings ist eine kurze Verständigung wichtig." Oder: "In meinem Land benötigt man einige Minuten Ruhe, wenn man von der Arbeit heimkommt." Der Tourist stellt danach Fragen, die ihm das andere Gebiet vertrauter machen sollen, etwa: "Wie kommt man sich in deinem Land emotional näher? Wie kam es dazu, dass Ordnung in deinem Land so besonders wichtig ist? Was macht man bei euch, wenn man es sich mal so richtig gut gehen lassen will? Was ist euer Nationalsport und warum? Wie kann man den Einwohnern eine Freude machen?"

Ball der Klarheit

Ihr beide habt zu einem Thema unterschiedliche Vorstellungen, und das führt immer wieder zu Missverständnissen und Streit? Diese einfache Übung ist sehr effektiv.

Nehmt einen kleinen Ball und setzt euch einander gegenüber. Wählt ein gerade kritisches Thema. Du sagst etwa: "Ein entspannter Abend bedeutet für mich, zu Hause vor dem Fernseher zu sitzen." Dann wirf den Ball deinem Partner zu, der seinerseits sagt: "Ein entspannter Abend ist für mich mit einem guten Essen verbunden." Schwupp, der Ball ist wieder bei dir. Du meinst nun: "Zu einem entspannten Abend gehört für mich Kuscheln dazu." Er fängt den Ball und betont: "Ein entspannter Abend bedeutet für mich, mal nicht über Geld zu reden." Das macht ihr so lange, bis euch die Ideen ausgehen. Es geht nicht darum, den anderen zu überzeugen, sondern klar zu sagen, welche Vorstellungen jeder hat. Das hilft ungemein, nicht aneinander vorbeizureden, sondern den nächsten entspannten Abend so zu verbringen, wie es für beide passt.

Christian Killinger ist Paarberater, Autor, Dozent und Wirtschaftsinformatiker.