
Ein überraschend gut gelaunter Survival-Guide für schwere Zeiten: Die Berliner Bestsellerautorin KatjaLewina erzählt in ihrem neuen Buch „Trennungsgeschichten aus der Hölle“ und plädiert dafür, das Ende von Beziehungen anders zu bewerten.
Eine Trennung ist kein Scheitern, sondern ein Plot-Twist in unserer persönlichen Geschichte“, sagt die Berliner Autorin KatjaLewina. In ihrem neuen Buch „Wir können doch Freunde bleiben. Trennungsgeschichten aus der Hölle“ (DuMont, ET: 10.10.) versammelt sie – selbst frisch getrennt – empowernde Anekdoten über das Schlussmachen. Ein Gespräch über nukleare Fallouts, Trauerarbeit und Wut.
Am Buchcover sieht man eine Frau mit einer Axt, auf Instagram kündigten Sie den Erscheinungstermin an einer Schießbude mit Gewehr an. Warum sind Sie so auf Krawall gebürstet, Frau Lewina?
Trennungen machen wütend, traurig. Man ist enttäuscht, spielt vielleicht mit Rachegedanken und fragt sich: Was habe ich da bloß mit mir machen lassen? Wut kann sehr sinnvoll sein, um sich aus einer Beziehung freizustrampeln, auch emotional. Sonst ist das Gefühl in unserem Alltag ja nicht so präsent, weil es negativ besetzt ist. Während einer Trennung erlaubt man sich das eher. Manchmal brauchen wir die Wut, um weitergehen zu können.
Sie haben „Trennungsgeschichten aus der Hölle“ gesammelt – was hat Sie überhaupt auf die Idee gebracht?
In meinem letzten Buch „Ex“ habe ich ja über meine gescheiterten Beziehungen geschrieben. Und bei den Lesereisen und Gesprächen mit dem Publikum ist mir aufgefallen, dass es einen immensen Redebedarf über das Schlussmachen gibt. Es beschäftigt uns teilweise noch viele Jahre später. Wir reden viel zu selten über das Auseinandergehen, weil der Fokus immer auf dem romantischen Zusammenkommen liegt. Dabei sind Trennungen schon fast eine statistische Gewissheit. Also kanalisierte ich das Mitteilungsbedürfnis der Getrennten.
Was hat Sie beim Kuratieren all dieser Beziehungsenden am meisten überrascht?
Selbst gerade frisch getrennt, war mein Buch überraschenderweise sehr tröstlich für mich. 95 Prozent aller Personen, die mir ihre Geschichte anvertraut haben, waren im Nachhinein froh über das Beziehungsaus. Selbst dann, wenn sie verlassen wurden. Sie haben neue Sachen über sich gelernt, ihr Leben neu aufgebaut, führen heute viel bessere Beziehungen. Der kraftvolle und positive Moment, der aus Trennungen hervorgehen kann, hat mich total beruhigt.
Sie vergleichen sie mit einem persönlichen Jackpot …
Ja, das sind sie auch! Sie werfen uns auf uns selbst zurück. Sie zwingen uns, zu schauen, was wir vom Leben möchten. Nach einem Abschied bekommt man einen Freiraum zurück, der viele Überraschungen und schöne Wendungen beinhalten kann.


„Je besser eine Beziehung ist, desto besser wird auch die Trennung sein“, weiß Katja Lewina.
© Julija GoydAber warum ist ein Beziehungsaus so negativ konnotiert und oft mit einem persönlichen Scheitern verbunden?
In unserer Gesellschaft werden romantische Partnerschaften unendlich verklärt. Die große Liebe soll ein Leben lang halten. Und wenn das nicht funktioniert, sprechen wir automatisch vom Scheitern. Aber meistens ist das ja gar nicht so. Eine Trennung stärkt. Wir lernen dadurch, was wir wirklich in unserem Leben haben wollen und was nicht.
Sie schreiben, dass wir uns beim Schlussmachen wie absolute Anfänger:innen benehmen. Wenn etwas so gut für uns ist, warum sind wir dann so schlecht darin? Jede:r hat vermutlich schon mal ein hässliches Trennungsfiasko erlebt …
Das liegt daran, dass die meisten Beziehungen schon vorher ein absolutes Fiasko sind. Je toxischer die Verbindung, desto nuklearer der Fallout. Und je besser eine Beziehung ist, desto besser wird auch die Trennung. Klingt paradox, aber wenn wir wertschätzend kommunizieren und wahrnehmen, was beim anderen emotional los ist, dann sind das genau die Qualitäten, die man während einer Trennung braucht. Wenn jemand aus heiterem Himmel verlassen wird, ist das natürlich schrecklich. Auf der anderen Seite frage ich dann: Wo wurde nicht hingeschaut, welche Zeichen wurden nicht gedeutet? Gute Beziehungen brauchen radikale Ehrlichkeit, auch zu sich selbst. Leider gibt es das nicht oft.
Woran liegt das?
Weil sich Paare oft eine eigene Welt bauen mit ganz vielen Regeln, die sie hemmen, ehrlich über Bedürfnisse zu reden. Wenn ich zum Beispiel sage, dass ich eine Kollegin sehr attraktiv finde und vielleicht verknallt bin: In wie vielen Verbindungen kann so eine Fremdverknalltheit diskutiert werden? Das wird tendenziell ausgespart. Wer es schafft, über Dinge zu reden, die dem anderen potenziell nicht in den Kram passen könnten, dem gelingt es auch, zusammenzubleiben. Oder über das Beziehungsende hinaus befreundet zu bleiben.
Vorausgesetzt, man will das überhaupt …
Ich weiß nicht nur aus eigener Erfahrung, dass wunderbare Freundschaften mit dem Ex entstehen können. Wenn du mit jemandem viel Zeit verbracht hast, wird das schon auch Gründe gehabt haben, jenseits der erotischen Ausstrahlung. Mit ein bisschen Abstand und emotionaler Abkühlung schaut der Ex ganz anders aus. Womöglich ist er ein dufter Typ, warum nicht? Beziehungen können sich verändern, nichts muss so bleiben, wie es war. Aus etwas Unerfreulichem kann auch Gutes entstehen.
Wann weiß man, dass es Zeit ist, zu gehen?
Wenn die Grundzufriedenheit über einen längeren Zeitraum nicht mehr da ist. Meine 60-40-Regel ist natürlich völlig unwissenschaftlich, aber sehr plausibel: Hundertprozentige Glückseligkeit wird man natürlich nur in kurzen Momenten erleben, aber grundsätzlich sollte die Zufriedenheit überwiegen, zu 60 Prozent mindestens. Die Frage ist: Geht es mir über die Dauer der Beziehung tendenziell besser oder schlechter? Ist man nur mehr am Grübeln und die Kommunikation sehr einseitig, und es tut sich einfach nichts mehr in der Entwicklung, ist es Zeit zu gehen. Das Schöne daran: Wir wissen meistens, ob wir bleiben oder gehen sollen. Wir müssen es uns nur erlauben.
Können Sie nachvollziehen, dass sich immer mehr Frauen von Männern abwenden und „boysober“ werden?
Ja, total. Nach einer enttäuschenden Erfahrung kann so ein Auf-sich-selbst-Besinnen richtig guttun. Nur stört mich an so Ausdrücken wie „boysober“, dass es so negativ klingt. Wer sich dafür entscheidet, ohne Partnerschaft zu leben, soll das aus Freude und mit einem guten Gefühl tun, nicht aus Leid oder Verzweiflung. Ich mag, wie Katja Kullmann in ihrem Buch „Die Singuläre Frau“ das Leben von Solistinnen beschreibt: als etwas absolut Begehrenswertes.
Wie erging es Ihnen nach dem letzten Liebesfinale – was hat Ihnen bei der Trauerarbeit am meisten geholfen?
Ich habe versucht, mir selbst ein guter Elternteil zu sein und habe mich bemuttert. Heute kann ich gut ohne Mann leben und meinen Alltag bestreiten, ohne das Gefühl zu haben, dass ich irgendwie nicht komplett bin. Aber für die fehlende Sexualität habe ich – für mich – keine Lösung, weil ich mir Intimitäten außerhalb von Partnerschaften gerade nicht vorstellen kann. Deswegen lenke ich meine sexuelle Energie in kreative Dinge um: Ich renoviere meine Wohnung, koche und backe. Das klappt wunderbar. (lacht)


ACHTERBAHNFAHRT DER GEFÜHLE: Wie geht das eigentlich – sich gut trennen? KatjaLewina sammelt wunderbar heilsame Geschichten über Enden von Beziehungen. DuMont, 20,– Euro.
