
Susanne Jelinek, Chefredakteurin des Food-Magazins Gusto, trifft für WOMAN Persönlichkeiten zum Genuss-Talk. Dieses Mal: Gastronomie- und Eventprofi Hannah Neunteufel.
Vom Wiener Café Stein, wo sie vor vielen Jahren ihre gastronomische Karriere gestartet hat, bis zur Full-Service-Eventagentur „Hannah’s Plan“, mit der sie unter anderem eine der schönsten Locations der Stadt, das Vienna Ballhaus, bespielt: Hannah Neunteufel ist eine Größe der heimischen Kulinarik- und Veranstaltungsszene. An ihrer Homebase Wien schätzt die erklärte Konzeptionistin mit dem feinen Gespür für Trends und Details die Vereinbarkeit aus Gemütlichkeit und Vollgas. „Du kannst dir dein Tempo aussuchen. Das hat man in wenigen großen Städten und macht Wien speziell.“ Unzählige Restaurants hat sie hier geführt, ihre Events – etwa das Trüffelfest „Tartufo Totale“ – gelten bei vielen Kulinarikinteressierten als Pflichttermin. Dabei stets im Fokus: Neunteufels enorm hoher Qualitätsanspruch.
Als ich Sie gefragt habe, wo wir uns zum Essen treffen wollen, haben Sie gesagt „Ich gehe nur wirklich gut essen“ und das Le Salzgries vorgeschlagen. Als Frau, die so viel gastronomische Erfahrung hat: Wie wählen Sie ein Restaurant aus?
Ich probiere gerne Neues aus, zum Beispiel weil ich etwas darüber gelesen oder gehört habe oder weil mein Sohn (Anm. Haubenkoch Jakob Neunteufel) es mir empfohlen hat. Meistens bin ich aber genau ein Mal dort, weil es gar nicht so einfach ist, gut essen zu gehen. Lokale muss man entdecken. Es muss weder groß noch zwingend mit weißer Tischdecke sein – obwohl ich Tischwäsche liebe. Aber ich persönlich muss mich wohlfühlen. Das ist natürlich etwas sehr Individuelles. Für mich gehört etwa ein lustiger Mix der Menschen dazu, eine ansprechende, geschmackvolle Einrichtung, hohe Qualität, charismatische Gastgeber. Das ist etwas, was viele Menschen in meiner Branche gemein haben: Wir gehen nicht einfach so in eine Bar oder ein Restaurant, wir besuchen den jeweiligen Gastronomen. Im „Le Salzgries“ stimmt diesbezüglich für mich alles, deshalb komme ich immer wieder.
Stichwort Qualität. Sie beschreiben sich selbst als qualitätsversessen. Wenn man sich Ihre Projekte ansieht – etwa „Tartufo Totale“ oder „Total Champagne“ am 10. Mai im Vienna Ballhaus –, frage ich mich: Sind hochwertige Produkte für Sie gleichbedeutend mit Luxusprodukten?
Nein, das ist ein Missverständnis. Im Mittelpunkt steht der Genuss, und der muss nicht zwingend superteuer sein. Ob das Thema Kaviar oder Erdäpfel mit Butter ist: Es muss einfach richtig gut sein, der High-End- Faktor ist Nebensache. Ich veranstalte etwa am 6. und 7. Juni im Vienna Ballhaus ein Mortadella-Event – die dritte Komponente meiner Genuss-Trilogie mit Champagner und Trüffel. Mortadella ist kein klassisches Luxusprodukt, aber unheimlich spannend, herrlich und im Kommen.


RESTAURANTWAHL. Hannah Neunteufel entschied sich für das „Le Salzgries“, bestellt wurde die Dorade Grenobloise mit Petersilie und Madeira. Generell setzt das Innenstadt-Restaurant auf innovative französische Küche. Beliebt sind vor allem die mediterranen Fischgerichte. le-salzgries.at
© Julia RotterMortadella ist als traditionelle Spezialität, die eine Renaissance erlebt, ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Kulinarik wandelt, indem sie Zutaten neu entdeckt und zum Trend macht.
Generell ist die Vielfalt der Produkte einer der Faktoren, durch den sich die Gastronomie in den letzten Jahren am meisten weiterentwickelt hat. Was wir heute auf den Speisekarten haben, war vor 30 Jahren in Österreich schlichtweg nicht erhältlich. Ich bin zwar in einem Haushalt aufgewachsen, in dem Zutaten wie Artischocken und Spargel sehr geläufig waren, aber sogar Basilikum, Avocados oder Mozzarella waren in Österreich in meiner Kindheit quasi unbekannt. Es hätte auch die Aufgeschlossenheit gefehlt – das ist heute total konträr. Vor etwa 25 Jahren habe ich mich zum Beispiel in Venedig in einer Tagesbar in den Spritz Veneziano verliebt und das Getränk nach Österreich mitgebracht. Ich musste unglaubliche Überzeugungsarbeit leisten, damit man sich getraut hat, Aperol auf die Karte zu nehmen! Heute unvorstellbar. Dieses Erspüren, was zum Trend wird, das Auge dafür, wo die Neuigkeiten sind: Das habe ich schon immer gehabt. Das ist wohl die Essenz meines Tuns als Konzeptionistin.
Überrascht Sie heutzutage noch etwas bei Events oder Restaurants?
Ab und zu vielleicht. Ich muss aber gar nicht immer überrascht werden, wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Ich freue mich etwa über bemerkenswerte Details. Hier im „Le Salzgries“ zum Beispiel, wenn ich so wie jetzt einen Teller vor mir habe, der auf eine Art angerichtet ist, die ich besonders ansprechend und, ja, vielleicht sogar überraschend finde. Es gibt so viel Grausliches auf der Welt, dass wir mit schönen Momenten, Musik, Kunst, gutem Essen und Freude am Leben dagegenhalten müssen.


EMPFEHLENSWERT. Die Mittagskarte eignet sich wunderbar, um die Küche zu entdecken.
© JULIA ROTTER, www.juliarotter.deDer Schönheitsfaktor ist ja mittlerweile oft schon das Wichtigste, wenn man etwa an Instagram denkt. Wie sehen Sie das?
Ich liebe Schönes, es macht mich glücklich. Momente, Essen, Ambiente, Dekorationen – im Leben und bei meinen Veranstaltungen geht es mir stets darum, zu berühren. Ich möchte die Menschen im Herzen erwischen. Und es ist mir völlig egal, wie viele Extrakilometer ich dafür gehen muss. Ich verspreche im Vorfeld gerne weniger und übererfülle dann. Du kannst noch so gut sein – wenn du einer vorab geweckten Erwartung nicht entsprichst, hast du verloren.
Welche Rolle spielt dabei Perfektion?
Schönheit und Perfektion haben weniger miteinander zu tun, als oft gedacht wird. Bei Schönheit geht es um Ideen, Charme, Spannung, Einzigartigkeit – nicht um Makellosigkeit. Man kann auch gar nicht hundert- prozentig perfekt sein. Wir versuchen eher, Momente der Perfektion zu erreichen. Wenn man das verstanden hat, ist schon viel passiert. Das Ziel ist also, etwas so perfekt wie möglich zu machen, aber zu verstehen, dass die ultimative Perfektion eine Illusion ist. Und wenn man möglichst nah dran ist, dann erst darf man sich vielleicht eine gewisse Lässigkeit erlauben, die dann wiederum für eine besondere Schönheit sorgt.


MUSS. Neunteufels Leidenschaft für Mortadella färbte auf Susanne Jelinek ab, die sich gleich das dazugehörige Event am 6. & 7. Juni vormerkte.
© www.juliarotter.de


