
Sie ist Deutschlands bekannteste Arbeitslose: Influencerin Nadine Wagenaar feiert ihre Tagesfreizeit auf Instagram und eckt damit ziemlich an. Dabei spricht sie offen über ihre Kündigung und möchte anderen Mut machen.
Mein Name ist Nadine. Ich wurde vor 415 Tagen gekündigt und nehme euch heute mit in meinen brotlosen Alltag.“ – So ähnlich starten alle Instagram-Videos von Nadine Wagenaar, 34. Die Berliner Influencerin gibt dabei satirische Einblicke in ihr Leben und spricht offen darüber, wie es ihr ohne fixen Erwerbsjob geht. Mittlerweile ist sie damit so erfolgreich, dass sie den Sprung in die Selbstständigkeit wagt.
Sie bezeichnen sich humorvoll als „Sozialschmarotzerin“ und „Infaulencerin“ – Ihr Instagram-Content geht dabei durch die Decke. Wie erklären Sie sich das?
In unserer leistungsgetriebenen Gesellschaft ist Arbeitslosigkeit ein großes Tabuthema. Vor allem Instagram lebt ja davon, was für tolle Urlaube jemand macht oder wie erfolgreich man ist. Man schämt sich dafür, keinen Job zu haben. Aber genau solche Themen haben auf Social Media enormes Potenzial, erfolgreich zu werden, weil sich viele denken: Endlich spricht mal jemand darüber, wie das wirklich ist, wenn man gekündigt wurde.
Wie denken Sie heute über Ihren Rauswurf?
Danke an meinen Ex-Arbeitgeber, der mich betriebsbedingt – im Homeoffice über Google Meet – gekündigt hat. Ohne ihn wäre ich niemals auf Instagram gelandet. Ich hätte mir im Nachhinein ein persönliches, wertschätzendes Gespräch auf Augenhöhe gewünscht. So, wie es aber gelaufen ist, hat es einen starken Nachgeschmack hinterlassen: „Tja, am Ende bist du nur eine Ressource.“ Es war maximal ernüchternd, weil ich dank Kamera zusehen konnte, wie mir im Schock das Gesicht zusammengefallen ist, während die Personalerin ihren Standardtext runterratterte.
Ihr erstes Video hatte zwei Millionen Views …
Meine Arbeitslosigkeit hat einige getriggert, dabei wollte ich die Leute anfangs nur durch den Tag mitnehmen. Mittlerweile gehe ich mehr in Richtung Satire, spiele mit gesellschaftlichen Klischees. Das regt die Leute noch mehr auf. Aber genau darauf lege ich es an: Wenn sie meinen, sich durch meine Inhalte getriggert zu fühlen, dann kriegen sie es jetzt aber so richtig ab!
Was war Ihre erste Reaktion?
Ich war wütend, traurig und geschockt. Aber das Gute daran war, dass ich nach der Kündigung den Laptop zuklappen konnte und meinen Emotionen freien Lauf lassen durfte, weil ich zu Hause war. Aber dann dachte ich: Okay, Nadine, du traust dich jetzt einfach mal und suchst dir nicht gleich wieder den nächstbesten 9-to-5Job, um erneut im Hamsterrad zu landen.
Warum fühlen sich so viele Menschen von Ihren Aussagen provoziert?
Alles wird teurer, und die hohen Steuerabgaben fließen direkt zu den Arbeitslosen – so denken viele. Das macht wütend, wenn man 40 Stunden die Woche arbeitet und sich kaum noch etwas leisten kann. Dazu kommt auch, dass durch RTL2 oder die Bild-Zeitung ein bestimmtes Bild von Arbeitslosen geprägt wird: faule Menschen, die nur Sozialleistungen einheimsen.
Welche Rolle spielte der Job als SEO-Managerin in Ihrem Leben?
Arbeit war für mich Mittel zum Zweck, um mir in meiner Freizeit Dinge leisten zu können, die mir Spaß machten. Der Vollzeitjob hat mich nie wirklich erfüllt. Ich kann mich noch gut erinnern, als mich mein Papa fragte, ob es mir Spaß macht. Und ich habe das so abgetan mit: Komm schon, ist doch wurscht, es geht ja nur ums Geld. Heute sehe ich das anders.
Sie ernten auch viele Hasskommentare …
Ich merke, was in den Köpfen der Menschen verankert ist – was darf man überhaupt als Arbeitslose? Sushi essen, an den Wochenenden an die Ostsee fahren oder eine elektrische Zahnbürste benutzen gehört nicht dazu.
Was möchten Sie mit Ihren Inhalten vermitteln?
Eine Kündigung ist nicht das Ende der Welt. Es kann jede und jeden treffen und ist nichts, wofür man sich schämen muss, weil es nichts mit Scheitern zu tun hat. Es kann ja auch eine tolle Chance sein, umzudenken und etwas Neues zu machen. Ich möchte Leute ermutigen, sich weniger schlecht zu fühlen, wenn sie arbeitslos sind oder gekündigt wurden.
Was bedeutet für Sie Erfolg?
Erfolg ist für mich die Freiheit, das zu tun, worauf ich Lust habe. Etwas, das mich glücklich macht und erfüllt. Geld hat für mich keinen so hohen Stellenwert mehr.
Und wie geht es jetzt weiter?
Dadurch, dass ich nach meiner zweiten Knieoperation nur mehr daran denke, so schnell wie möglich wieder gesund zu werden, ist nicht so viel Platz für andere Sorgen. Momentan bin ich die perfekte Klischeearbeitslose, weil ich nur rumliege. Ich darf mein steifes Bein halt noch nicht belasten. (lacht)
