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Wer denkt eigentlich noch ans Klima?

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Illustration einer Erdkugel, die untergeht

©Stocksy

Zwischen Krieg, Inflation und Kulturkampf rückt die globale Erderwärmung aus dem Blickfeld. Gerade jetzt gilt aber, nicht in der Verdrängung zu verharren, sondern entschlossen zu handeln.

Was das Klima angeht, hat sich das Klima gewandelt. Während die Temperaturen steigen, sinkt das Interesse am Umweltschutz. Eine aktuelle Umfrage, die das Linzer Market-Institut im Juli für den Standard durchgeführt hat, zeigt, wie stark das Thema an Bedeutung verloren hat. Nur noch halb so viele Befragte wie zu Beginn des Jahrhunderts halten es für „sehr wichtig“. 27 Prozent – gegenüber 20 Prozent vor zweieinhalb Jahren – finden Klimaschutz inzwischen übertrieben. Auch die Zahl der Leugner:innen wächst. Die Fakten dagegen sind eindeutiger und drastischer denn je: Dürren, Überschwemmungen und Extremwetterereignisse nehmen zu. 63.000 Tote starben an den Folgen der Rekordhitze im Sommer 2024 in Europa.

Doch in der politischen und gesellschaftlichen Wahrnehmung hat das Klima in Zeiten multipler Krisen Konkurrenz bekommen: Statt „Fridays for Future“ dominieren mittlerweile Krieg, Teuerung und Migration die Schlagzeilen. Das ist wenig verwunderlich: Während die Klimakrise langfristig, global und abstrakt ist, spüren wir die Inflation tagtäglich an der Supermarktkasse. Gegen diese Unmittelbarkeit hat selbst die größte Bedrohung der Menschheit einen schweren Stand. Selbst dann, wenn ihre Auswirkungen zum Teil schon heute nicht mehr rückgängig zu machen sind. Hinzu kommt: Auf fatale Weise sind all diese Krisen miteinander verknüpft. Und die Klimafrage ist längst Teil eines Kulturkampfes geworden. Verstärkt hat diese Entwicklung nicht zuletzt die erneute Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten. Für ihn ist die Klimakatastrophe keine naturwissenschaftlich belegte Tatsache, sondern lediglich eine Meinung.

Doch die Illusion, man könne die Erderwärmung in der Prioritätenliste nach hinten reihen, ist gefährlich. Die Klimakrise ist nicht geduldig. Sie wartet nicht, bis sich die geopolitische Lage beruhigt hat oder wir die vielen anderen Herausforderungen gemeistert haben. Im Gegenteil: Jede Verzögerung erhöht die Kosten auf lange Frist. Den Preis dafür werden nachfolgende Generationen zahlen. Jedes politische Zögern wird in Jahrzehnten nicht nur als Fehler, sondern als moralisches Versagen und Verantwortungslosigkeit gelesen werden.

Verzwickte Lage

Warum also steht die Politik bei einem so entscheidenden Anliegen auf der Bremse? Weil Klimapolitik Einschränkungen bedeutet – und die lassen sich in Zeiten, in denen die Bevölkerung ohnehin zurückstecken muss, nur schwer vermitteln. In diesem Zustand kollektiver Erschöpfung wächst die Versuchung, wegzusehen. Viele sind es leid, sich täglich mit der eigenen Ohnmacht zu konfrontieren.

Vielleicht braucht es deshalb einen Perspektivenwechsel. Statt vom „Kampf gegen die Klimakrise“ zu sprechen, könnte man vom Gewinn an Freiheit reden, der in der Transformation liegt: sauberere Städte, weniger Abhängigkeit von Autokratien, eine widerstandsfähigere Wirtschaft. Nicht Verzicht sollte im Vordergrund stehen, sondern Befreiung.

Die entscheidende Frage lautet also nicht: Wer denkt eigentlich noch ans Klima? Sondern: Wer wagt es, es wieder ins Zentrum zu rücken? Denn die Katastrophe bleibt, ob wir sie verdrängen oder nicht. Also nutzen wir die Chance, sie nicht nur zu verhindern, sondern in eine bessere Zukunft zu verwandeln. Eine Zukunft, in der Klimaschutz nicht als Last, sondern als Gewinn für alle verstanden wird.

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