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Naomi Watts: Befreiender Aufbruch

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8 min
Naomi Watts

©Gareth Cattermole/ Getty Images for IMDB

Die Wechseljahre anders erleben: Hollywoodstar Naomi Watts, 56, trägt zur aktuellen Debatte über eine Lebensphase bei, die oft missverstanden wird – und zeigt, dass diese voller Chancen steckt.

Sie wäre fast vom Behandlungsstuhl gefallen: Als Naomi Watts mit 36 Jahren von ihrem Gynäkologen erklärt bekam, dass sie kurz vor den Wechseljahren steht, war sie fassungslos. Die Nachricht hat die Hollywoodschauspielerin erschüttert, schließlich versuchte sie gerade, mit ihrem damaligen Partner eine Familie zu gründen. Ihr Schock über die Perimenopause saß tief. Watts zweifelte an sich, fühlte sich schuldig und hatte mit starken Minderwertigkeitsgefühlen zu kämpfen. „Bin ich eine alte Frau geworden, ohne es überhaupt zu merken? Was habe ich falsch gemacht?“, erinnert sich die Schauspielerin in ihrem nun auf Deutsch erschienenen Buch „Jetzt schon? Alles, was ich gerne über die Wechseljahre gewusst hätte“ (DuMont) an diese prägende Erfahrung.

Naomi Watts ärgerte sich darüber, dass ihre Ärzte sie nicht besser darauf vorbereitet hatten. Denn erst nach und nach konnte sich die damals 36-Jährige erklären, dass Nachtschweiß, Stimmungsschwankungen und unregelmäßige Perioden erste Symptome der Wechseljahre waren und nichts mit dem Stress nächtlicher Drehpläne oder einem zusätzlichen Glas Wein zum Abendessen zu tun hatten, wie ihre Ärzte zuvor angedeutet hatten.

Klar, nur ein geringer Teil der Frauen (etwa ein Prozent) kommt vor dem 40. Lebensjahr in die Wechseljahre. Umso verständlicher, dass die Schauspielerin im Stillen litt und sich komplett alleingelassen fühlte. „In Hollywood hatte keiner ein Sterbenswörtchen darüber zu sagen“, beklagt sie in ihrem Buch. „Schon seit ich mit der Schauspielerei begonnen hatte, hatte man mich davor gewarnt, mein Alter irgendwie anzusprechen. Wenn man nicht gerade 23 oder jünger sei, wäre das ein Karrierekiller. Ich würde keine Arbeit mehr finden, wenn ich zugäbe, in der Perimenopause oder gar Menopause zu sein“, so Watts. In Hollywood-Kreisen gelten Frauen ab diesem Alter als „unfickbar.“ Doch es kam anders.

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Naomi Watts

Hollywoodstar Naomi Watts kam mit 36 in die verfrühte Menopause. Lange schwieg sie darüber aus Angst, keine Jobangebote mehr zu bekommen.

 © Gareth Cattermole/ Getty Images for IMDB

„Nicht das Ende."

Heute ist die zweifach oscarnominierte Aktrice, 56, im Filmbusiness nach wie vor eine gefragte Darstellerin (aktuell in „The Friend“ auf Paramount +). Sie bekam erstaunlicherweise noch zwei Kinder, trennte sich danach von ihrem Partner, heiratete 2023 neu und gründete ihre eigene Firma „Stripes Beauty“, eine Wellness-Marke für Frauen in der Mitte des Lebens. Nun möchte sie Stigmata rund um das Thema Wechseljahre abbauen und Frauen Mut machen. „Es ist nicht das Ende! Da ist noch viel Lebenszeit vor uns und eine ganze Menge zu tun und zu erleben“, erzählt sie etwa im US-Fernsehen. „Mein Buch soll genau die Informationsquelle sein, die ich mir selbst gewünscht hätte, als ich damals völlig zerstört und zutiefst verängstigt aus der Arztpraxis kam“, beschreibt sie ihre Motivation. Keine Frau solle mehr heimlich leiden müssen: „Leiden wurde als Teil des Frauseins normalisiert. Diese Dinge, die ausschließlich Frauen betreffen, sind allgemein schlechter erforscht“, zitiert Watts Sharon Malone, eine der führenden Wechseljahre-Expertinnen in den USA. Weil Leiden bei Frauen offensichtlich so „selbstverständlich“ ist, hinke die Forschung zum Thema Menopause bis heute hinterher. Was dazu führt, dass das weibliche Geschlecht nicht selten als „hysterisch“ abgestempelt und nicht ernst genommen wird. „Diese Wahrnehmung ist in der Medizin leider auch heute noch weit verbreitet“, bedauert Malone. Aber es tut sich was! Die Phasen der Wechseljahre und die Behandlung der vielfältigen Symptome erhalten nach und nach mehr Aufmerksamkeit. Das ist wichtig. Der verstärkte Fokus auf das Thema liegt nicht zuletzt daran, dass immer mehr Frauen ihr Schweigen brechen und offen darüber reden, wie es ihnen mit dem Älterwerden wirklich geht. Auch in Hollywood, jenem Ort, an dem weibliche Schauspielerinnen vor allem eines zu sein haben: jung – oder erfolgreich im Kampf gegen die Spuren des Alters.

Menopausen-Movement

So etwa plauderte Drew Barrymore über ihre Hitzewallungen, Jennifer Aniston gab zu, dass sie sich im Wechsel „wie ein Alien fühlte“, und auch Michelle Obama erzählte in ihrem millionenfach gehörten Podcast von heftigen Hitzewallungen. „Menopause is having a moment“, stellte die New York Times schon vor zwei Jahren fest. „Reden wir womöglich zu viel über die Wechseljahre?“, fragte sich die deutsche Journalistin Carmen Böker zuletzt in einem Artikel in Die Zeit, der viel Aufsehen erregte und bei den Leser:innen größtenteils auf heftigen Widerspruch stieß. Unter dem Titel „Die Frau, die ewige Problemzone“ kritisierte sie, dass Frauen sich vor allem auf ihr Leid fokussieren würden, und befürchtet, dass sie der jüngeren Generation dadurch in erster Linie Angst vor der Menopause machen würden. Böker selbst habe jedenfalls kaum Beschwerden mit dem Wechsel und möchte nicht als „ewige Problemzone“ wahrgenommen werden. Offenheit und Austausch über Symptome seien kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Schritt zu mehr Wissen, schnelleren Diagnosen, besseren Therapien und gegenseitigem Verständnis, findet hingegen Medizinjournalistin Anke Sinnigen von der deutschen Wissensplattform „Wexxeljahre“: „Damit sich das gesellschaftliche Bild der Frau in den Wechseljahren ändert, brauchen wir mehr Wissen und Gespräche – nicht weniger“, betont sie.

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Cover Jetzt schon Naomi Watts

Buchtipp: Die zweifach oscarnominierte Schauspielerin Naomi Watts erzählt lustig, ergreifend und überraschend freimütig von ihren eigenen Erfahrungen mit den Wechseljahren. DuMont, € 18,00

 © DuMont

Herausfordernd

Fakt ist: Trotz des aktuellen Hypes ist der Aufklärungsbedarf in vielerlei Hinsicht nach wie vor hoch: Viele Frauen möchten verständlicherweise wissen, was sie tun können, damit es ihnen besser geht. Die Antworten darauf sind jedoch komplex. Die Menopause ist ein hormoneller Umbruch mit Folgen für Herz, Knochen, Stoffwechsel und Gehirn. Das könne auch Auswirkungen auf den Berufsalltag haben, betont Sinnigen: „25 Prozent der Frauen im Wechsel reduzieren ihre Wochenstunden, zehn Prozent gehen sogar früher in Pension, weil die Unterstützung am Arbeitsplatz fehlt und nicht offen über die Herausforderungen gesprochen wird.“

Diese Informationslücken möchte Watts mit ihrem Buch schließen. Sie teilt darin Tipps führender Ärztinnen, Hormonexpertinnen und Ernährungswissenschaftlerinnen. Menopause-Pionierin Sheila de Liz streut Watts Rosen: „Sie ist die große Schwester, die wir alle brauchen. Ein exzellent recherchiertes Buch, nah an der Wissenschaft geführt, aber entertaining ohne Ende. Bravo!“ Heute weiß Watts: Wenn man es „richtig“ angeht, sind die Wechseljahre besser als ihr Ruf: „Denn wir haben es verdient, uns gut zu fühlen. Oder sogar großartig.“

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