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Wer rettet Weihnachten?

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Chefredakteurin Kristin Pelzl-Scheruga über das Fest des Jahres im Corona-Jahr.

Was muss Weihnachten haben, damit es Weihnachten ist? Das Kind sagt: Geschenke, Christbaum, Ferien. Der Mann sagt: Kekse, Singen, Runterkommen. Ich sage: Kerzen, Christmette, Großfamilie. Und mindestens einmal „Stille Nacht“ und so oft wie möglich John Lennons „Happy X-mas, War is Over“ hören.

Dieses Jahr wird jeder von uns auf etwas verzichten müssen. Wir werden unterm Baum summen statt singen. Es wird auch eher kein Ferien-Feeling geben, da das Kind seit Ende Oktober nicht mehr in der Schule war. Mette: gestrichen. Und das große Familientreffen, das jedes Jahr am 26. Dezember stattfindet, haben wir schon im November abgesagt.

Es gibt viele Fotos von diesen Treffen; sie sind legendär (beides, die Treffen und die Fotos). Der Rahmen ist immer der gleiche: holzvertäfelte Wände, Feuer im Kamin, Stoffvorhänge vor alten, hohen Fenstern, eine lange Tafel mit weißem Tischtuch, Berge an Wiener Schnitzeln und Zimtparfait.

An die 25 Menschen versammeln sich am Stefanitag rund um diesen Tisch. Meine Familie. Wir reden, lachen, diskutieren, essen, trinken, erzählen, blödeln und musizieren. Die Menschen haben sich im Laufe der Jahre verändert: aus flotten Tanten und Onkeln wurden rüstige Omas und Opas, aus umtriebigen Cousinen engagierte Mütter, aus süßen Kleinkindern freche Teenager. Heuer wäre es ein besonderes Treffen gewesen: die „letzte“ Cousine wird im Februar erstmals Mama. Ich hätte ihr gerne über den dicken Babybauch gestreichelt.

Wird uns dieses Weihnachten fehlen, wenn wir in 15 Jahren unsere Fotoalben durchblättern? Woran werden wir uns erinnern? An den Spaziergang mit den Eltern, die extra nach Wien gefahren sind, um uns wenigstens kurz an der frischen Luft zu sehen? An den Punsch, den wir im Garten meines Bruders getrunken haben? An die vielen Whatsapp-Nachrichten, in denen wir uns „trotzdem ein schönes Fest“ gewunschen haben? Oder daran, dass wir uns noch schnell testen ließen, damit die Schwiegermutter, fast 80 und alleine, doch noch mit uns feiern konnte?

Vielleicht müssen wir Weihnachten ja gar nicht retten. Sondern einfach aus dem, was wir haben, das Beste machen: viele Kerzen anzünden, inbrünstig summen, füreinander da sein. Uns verbunden fühlen, auch über viele Kilometer hinweg. John Lennon hören, Frieden in uns finden („War is over if you want it“) und hoffen, dass 2021 ein gutes Jahr wird.

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