Nach dem Eurovision Song Contest wurde er mit seiner Band Måneskin weltberühmt, drei Jahre später stellt der italienische Rockstar Damiano David jetzt sein erstes Soloprojekt vor. Was den Erfolg des 25-jährigen Künstlers ausmacht und warum er als Singer-Songwriter im Hosenanzug nun sanftere Töne anschlägt.
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Lässig zurückgegelte Haare, Moustache, sanfter Blick: Als Damiano David Ende Oktober in der amerikanischen "Tonight Show" von Jimmy Fallon auftrat, wurde klar: Der Rockmusiker meint es ernst mit seinem Imagewandel. Ende September kündigte der 25-Jährige sein erstes Soloprojekt an, nachdem er mit der italienischen Band Måneskin vor drei Jahren international berühmt geworden war. Vier Musiker:innen, denen beim Eurovision Song Contest in Rotterdam 2021 nach ihrem Sieg unterstellt worden war, hinter den Kulissen gekokst zu haben.
Der Drogentest war negativ, das wilde Image der Band, die gerne oben ohne performt, wurde damit aber weiter befeuert, was ihrem Erfolg keinen Abbruch tat. Im Gegenteil. Noch im selben Jahr rief niemand Geringerer als Mick Jagger an, um Måneskin als Vorband für ein Konzert der Rolling Stones in Las Vegas zu engagieren. Ein Meilenstein, der die internationale Karriere des gut aussehenden Leadsängers mit dem notorischen Schlafzimmerblick ins Rollen brachte und ihn darüber hinaus rund um den Globus zum Sexsymbol machte.
Pastelltöne
Jetzt steht er in rosa schimmernder Seidenbluse – okay, immerhin drei Knöpfe sind in italienischer Manier offen – und beigem Nadelstreifenanzug vor den Kameras der "Tonight Show" und präsentiert seinen ersten eigenen Song, die Ballade "Silverlines", live. Statt Bass ertönt Geige. Statt E-Gitarre Klavier. Flammen und Strobo-Licht mussten einem einzigen Scheinwerfer weichen. "Ich fühle keinen Schmerz mehr, es ist die Ruhe nach dem Sturm", singt David mit sanfter, weniger rauer Stimme als gewöhnlich. Und genau so wirkt es aus Publikumssicht tatsächlich. Einzig die Tattoos, die an Händen und Brust hervorblitzen, und ein paar Silberringe erinnern an diesem Abend an freizügigere Zeiten des italienischen Shootingstars.
Ist die glamouröse Rockstar-Attitüde tatsächlich Vergangenheit? Oder versucht ihm die amerikanische Traumfabrik – der Musiker hat seinen Lebensmittelpunkt nach Los Angeles verlegt – ein neues Image als sexy Mafia-Boss aufzudrücken? Während sich Fans angesichts des Sinnes- und Genrewandels gleichzeitig freuen (weil, WOW, was für eine Stimme!) und fürchten (war’s das mit den Oben-ohne-Auftritten?), scheint David einfach mehr bei sich selbst angekommen zu sein. Wirkt irgendwie geerdet. Er selbst sagt in Interviews, mit dem Soloprojekt habe er endlich seinen Purpose wiedergefunden, und will sich als Musiker neu erfinden.
Traum vs. Realität
In seiner Heimatstadt Rom träumte David schon als 16-Jähriger von einer schillernden Musikkarriere. Doch der Druck, der in den letzten Jahren tatsächlich damit einherging, setzte ihm mental sehr zu. Mit Medien sprach der Sänger zuletzt ungewohnt offen über die Opfer, die er für seinen Ruhm bringen musste. "In den zurückliegenden zwei, drei Jahren habe ich unfassbar großartige Erfahrungen gemacht. Die lebte ich auch aus, bis ich an einen Punkt kam, wo der emotionale Teil von mir nicht mehr in der Lage war, den Schalter zur Normalität wieder umzulegen", erklärte er etwa welt.de Mitte Oktober. "Ich bekam Angst, wurde sehr traurig und losgelöst von so ziemlich allem." Öffentlich bekam man nichts von den inneren Kämpfen des 25-Jährigen mit, auf der Bühne glänzte David immer.
Zweimal tourte er mit Måneskin um die Welt, um unter anderem in Chicago, Mexico City, Sydney und Tokio zu performen. Sogar den legendären Madison Square Garden in New York City verkauften die vier jungen Italiener:innen restlos aus. 19.500 Menschen finden in der Konzertlocation Platz. Für David einer seiner größten Erfolge im letzten Jahr: "Es ist einer der wichtigsten Orte, an denen man jemals spielen kann", zeigte er sich nach dem Auftritt begeistert. Superstars wie Elvis Presley, Madonna und auch die Stones traten dort auf.
Den Italiener als Weltstar zu bezeichnen, ist demnach längst keine Übertreibung mehr. Was vor allem die vielen weiblichen Fans in den letzten Jahren begeisterte: die genderfluiden Styles, die David vom Rest der Rockszene abhoben und zu den klassisch harten Basslines erfrischende Weltoffenheit suggerierten. Ob mit Rüschenhemd, Perlenohrring, im Häkelbody oder im transparenten Glitzeroutfit: Der Leadsänger spielte mit seiner weiblichen Seite, was ihn im Kontrast zu seinen markanten Gesichtszügen und den vielen Tattoos besonders mysteriös wirken ließ.
Was vom Glam-Rock-Star bleibt, wenn Damiano David jetzt seine seriöse, sensiblere Seite betonen möchte? In einer Presseaussendung der Band wird beteuert, alles sei im Vorfeld abgesprochen worden und weitere gemeinsame Auftritte würden bald folgen. Sicher ist: Die großen Bühnen der Welt können nur gewinnen, wenn sich ein heterosexueller Musiker öffnet und zeigt, dass Männlichkeit längst keine Einbahnstraße mehr ist. "Friede gehört mir", singt David in "Silverlines". Wir gönnen ihm sein neues Dolce Vita!