"Pille für den Mann" steht stellvertretend für verschiedene Präparate, die vom Mann zur Verhütung angewendet werden könnten und an denen derzeit noch geforscht wird. Die Wirkstoffe YCT529 und TDI-11861 konnten bisher erfolgreich Schwangerschaften bei männlichen Mäusen verhindern und werden nun an Menschen getestet.
Die Antibabypille für die Frau ist eines der beliebtesten Mittel zur Verhütung. Vorteil der Pille ist die leichte Anwendung mit einem sehr geringen Risiko für eine ungewollte Schwangerschaft. Voraussetzung dafür ist die korrekte, vorgeschriebene Einnahme.
Auch viele Männer wünschen sich wahrscheinlich eine ähnlich einfache Verhütungsmethode, mit der sie selbst die Verantwortung für die Familienplanung übernehmen könnten. Frauen würden sich sicherlich ebenso über die Entlastung freuen. Bis jetzt hat es aber noch keine "Pille für den Mann" in der Entwicklung bis zur Marktreife geschafft. Für Frauen hingegen gibt es erstaunlicherweise unzählige Optionen. Wie stehen die Chancen auf eine Pille für den Mann und welche Alternativen gibt es?
Was ist die Pille für den Mann?
Der Ausdruck "Pille für den Mann" steht stellvertretend für diverse Präparate, die vom Mann angewendet werden können und eine Schwangerschaft verhindern sollen. Im weiteren Sinne werden teilweise nicht nur oral einzunehmende Medikamente darunter verstanden, sondern auch Spritzen, Implantate oder Gele.
Es gibt aktuell noch keine Pille für den Mann. Mehrere Produkte befinden sich in der Entwicklung. Mittlerweile gibt es zwar immer wieder Präparate - zum Beispiel 11-beta-MNTDC - die in sich in Studien als wirksam und nebenwirkungsarm zeigen. Bis zur Marktreife werden aber wahrscheinlich noch Jahre vergehen.
Bisher gibt es verschiedene Ansätze in der medizinischen Forschung, allerdings ist keiner davon so richtig ausgereift. Aufgrund der Unterschiede im hormonellen Stoffwechsel-Haushalt zwischen Männern und Frauen ist die Entwicklung einer zuverlässig wirkenden Verhütungspille bei Männern etwas schwieriger als bei Frauen. Immerhin müssen zwischen 20 und 150 Millionen Spermien lahmgelegt werden.
Wie könnten Verhütungsmethoden für den Mann funktionieren?
Es werden mehrere verschiedene Ansätze erforscht, die sich auch in ihrer Funktionsweise unterscheiden. Grundsätzlich sollte die Pille für den Mann entweder die Produktion der Spermien hemmen oder ihre Funktionsfähigkeit einschränken und so die Zeugungsfähigkeit für die Dauer der Einnahme verhindern.
Die Methoden, an denen geforscht wird, unterscheiden sich dabei nicht nur in der Art der Anwendung, sondern auch in ihrem Wirkungsmechanismus. Man kann diese dabei in 3 Kategorien einteilen - hormonelle, nicht-hormonelle und mechanische Methoden.
Hormonelle Methoden
Verschiedene Sexualhormone regulieren die Reifung der Spermien in den Hoden. Sie sind für eine korrekte Spermienproduktion wichtig. Deren Ausschüttung wird wiederum durch hohe Konzentrationen des Sexualhormons Testosteron gehemmt.
Ziel der hormonellen Verhütungsmethoden für Männer ist die Unterbrechung dieser hormonellen Regulation. Wenn die Spermienproduktion eingestellt wird, kann keine Befruchtung einer Eizelle beim Geschlechtsverkehr stattfinden. An den unterschiedlichsten hormonellen Wirkstoffen wird teilweise schon seit den 70er-Jahren geforscht. Bei den hormonellen Methoden werden zudem auch mehrere Arten der Verabreichung wie Spritzen, Implantate oder Gele untersucht.
Es zeigten sich dabei allerdings auch Nebenwirkungen wie etwa Gewichtszunahmen, Depressionen sowie erhöhte Cholesterinwerte. Interessanterweise gibt es hier ähnliche Nebenwirkungen, wie sie auch auf dem Beipackzettel der Antibabypille für Frauen zu finden sind. Aufgrund dieser verschiedener Probleme - oder auch wegen mangelnder Zuverlässigkeit bei der Wirkung - hat es bislang noch keine hormonelle Methode auf den Markt geschafft. Klingt ironisch, ist es aber leider nicht.
Nicht-hormonelle Wirkstoffe
Wirkstoffe, die ohne Eingriff in den Hormonhaushalt für eine Empfängnisverhütung sorgen sollen, könnten ebenso als Tabletten angeboten werden. Es werden sowohl natürliche als auch künstlich produzierte Wirkstoffe erforscht.
Die Wirkmechanismen zielen dabei meistens darauf ab, während der Anwendung die Funktion der Spermien zu stören. Es würden in so einem Fall also weiterhin Spermien in den Hoden gebildet werden. Sie wären jedoch nicht mehr in der Lage, eine Eizelle zu befruchten. Um so einen Effekt zu erreichen, können bestimmte Enzyme oder Stoffwechselvorgänge in den Spermien blockiert werden.
Die Ergebnisse einer Studie zu einer nicht-hormonellen Pille, die von Forscher:innen auf der Frühjahrstagung der "American Chemical Society" (ACS) vorgestellt wurden, sorgten 2022 für mediale Aufregung. Zur Entwicklung ihres nicht-hormonellen männlichen Verhütungsmittels setzten die Forscher:innen auf ein Protein namens Retinsäure-Rezeptor alpha (RAR-α). Im Labor zeigte sich, wenn das RAR-α-Gen bei männlichen Mäusen ausgeschaltet wird, werden sie unfruchtbar, ohne dass es zu offensichtlichen Nebenwirkungen kommt. Das Ganze muss natürlich noch weiter erforscht werden.
Anfang 2023 wurde erneut viel über den neuen Wirkstoffkandidat YCT529 berichtet. Bei männlichen Mäusen konnte diese Variante eine Schwangerschaft mittlerweile in 99 Prozent aller Fälle verhindern. Die Fertilität war vier bis sechs Wochen nach Absetzen von YCT529 wieder vollständig hergestellt. Der nächste Schritt ist es, YCT529 am Menschen zu testen. Dementsprechend wird es also noch dauern, bis wir Updates haben und das Kontrazeptivum eventuell auf den Markt kommt. Ein Durchbruch wäre es allemal!
Ein weiterer Wirkstoff, TDI-11861, wurde von Dr. Jochen Buck, Dr. Lonnie Levin, Dr. Melanie Balbach und weiteren Kolleg:innen optimiert. Dieser soll die sogenannte lösliche Adenylylzyklase (sAC) vorübergehend ausschalten. Mit Einnahme der Antibabypille wird die Fortpflanzungsfähigkeit der Spermien über mehrere Stunden unterbunden - und das bereits seit 30 Minuten. Zumindest bei Mäusen, an denen die Variante bisher getestet wurde.
Mechanische Verhütung
Die einfachste und gleichzeitig am besten funktioniere Methode ist aktuell die Verwendung von Kondomen. Die Spermien werden bei korrekter Verwendung daran gehindert, die Eizelle zu erreichen. Zudem schützen Kondome auch vor sexuell übertragbaren Krankheiten wie HIV.
Eine weitere, aber endgültige, mechanische Verhütungsmethode ist die Vasektomie. Dabei werden mittels einer kleinen Operation die Samenleiter durchtrennt, sodass beim Orgasmus keine Spermien mehr ejakuliert werden. Eine Vasektomie macht Männer permanent unfruchtbar und sollte daher nur nach einer abgeschlossener Familienplanung in Erwägung gezogen werden.
Eine mechanische Verhütungsmethode, die sich noch in der Entwicklung befindet, ist das Vasalgel. Dabei handelt es sich um ein flüssiges Kunststoffgel, das in den Samenleiter gespritzt wird und diesen verengt. Dadurch können Spermien den Samenleiter nicht mehr passieren. Auf diese Weise kommt es beim Orgasmus zur Ejakulation, ohne, dass die Spermien die Eizelle der Frau erreichen.
Besteht später ein Kinderwunsch oder soll die Verhütungsmethode gewechselt werden, injiziert der:die Arzt oder Ärztin ein Lösungsmittel in den Samenleiter und das Gel löst sich auf. Wie gut diese Art der Verhütung funktioniert und ob sie zuverlässig rückgängig gemacht werden kann, muss noch endgültig beurteilt werden. Übrigens: Coitus Interruptus ist keine gute Verhütungsmethode und wird daher auch nicht weiter erläutert.
Wann kommt die Pille für den Mann und warum gibt es sie noch nicht?
Es ist nicht sicher, ob oder wann eine zuverlässige Antibabypille für Männer auf den Markt kommt. Es wird zwar immer wieder über Durchbrüche berichtet, ein Einführungsdatum ist aber noch nicht sicher absehbar.
Warum gibt es keine Pille für den Mann? Sexualhormonstoffwechsel und Produktion der Spermien bei Männern funktionieren anders als die Reifung der Eizellen bei Frauen. Sie unterliegen keinem geregelten, monatlichen Zyklus.
Die Zahl der Spermien müsste dabei mit Medikamenten permanent so stark reduziert werden, dass eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden kann. Das betrifft dann bis zu 100 Millionen Spermien pro Tag und scheint deutlich schwieriger erreichbar zu sein als die Unterdrückung der monatlichen Eizellen-Reifung bei Frauen.
Über die Autor:innen
Anne Köppke
Als Online-Redakteurin für WOMAN liegt es mir sehr am Herzen, nicht nur Wort für Wort aneinanderzureihen, sondern Geschichten zu erzählen, sowohl meinen eigenen als auch den Horizont der Leser:innen zu erweitern und - das ist besonders wichtig - stets Spaß an der Sache zu haben.
Meine Themenschwerpunkte: Astrologie, Esoterik, Lifestyle, Kultur, Gesellschaft, LGBTQIA+, Porträts und Beauty. ✍🏻🌙🔮🌈💄💋
Anne war bis inkl. Januar 2024 für woman.at tätig.
Elisabeth Körbler
Redakteurin für woman.at
Themenschwerpunkte: Lifestyle, Gesundheit, Fashion, Beauty, Gesellschaft & Kultur