
Nicht am Ziel und dennoch angekommen: In seinem bislang persönlichsten Buch ermutigt Coach und Bestsellerautor Lars Amend dazu, sich selbst zu begegnen. Das Porträt eines Sinnsuchers.
Die gelbe Haube, eine Kappe oder Kapuze auf dem kahlen Kopf, die Füße in schlichten Sneakern: So kennt man Lars Amend. Ein Look, so lässig, als wäre Jay-Z plötzlich Lebensberater geworden. Ich bin mit ihm in seinem österreichischen Lieblingshotel verabredet, dem Stanglwirt in der Nähe von Kitzbühel. Wir wollen über sein neues Buch sprechen, das bezeichnenderweise „Coming Home“ heißt und in dem es darum geht, wie man seine Bestimmung findet und erkennt, was wirklich zählt im Leben.
Kritik an Coaching-Szene
Es geht aber um viel mehr. Denn Lars Amend ist kein typischer Coach. „Push-your-limits“-Gebrüll, unrealistische Versprechen oder Online-Kurse – all das sucht man bei ihm vergeblich. Beim Wort „Lifecoach“ verdreht er die Augen und stellt klar: Menschen dabei zu unterstützen, Herausforderungen zu meistern und ihr volles Potenzial zu entfalten, sei grundsätzlich etwas sehr Wertvolles. „Aber der Begriff wird mittlerweile inflationär verwendet, und es gibt leider viele schwarze Schafe. Nicht alle meinen es ehrlich. Ich betrachte mich nicht als Teil der Szene, obwohl ich natürlich Teil der Szene bin.“
Der Seelenflüsterer
Das ist ein typisch Amend’scher Widerspruch. Auch in unserem Gespräch wird schnell klar: Lars Amend denkt nicht in Schwarz-Weiß-Kategorien. Einzelcoachings hält er nur mehr in Ausnahmefällen, weil ihm dazu die Zeit fehlt, gerade jetzt, wo seine Tochter noch so klein ist (sie ist drei, Anm.). Er gibt zu, ein sehr verliebter Papa zu sein. Aber natürlich gibt es so vieles, das ihn abseits des Familienlebens noch interessiert: „Ich habe mich immer von meiner Neugier leiten lassen.“ Seine Tage müssten viel mehr Stunden haben. Immerhin: Hört man seinen Podcast („Auf einen Espresso mit Lars Amend“) oder liest eines seiner Motivationsbücher, bekommt man Coaching-Einheiten gratis. Lars Amend sagt Kluges, Aufbauendes, Tröstliches oft in Halbsätzen. Er erzählt ehrliche Geschichten – sehr direkt und dennoch weichherzig, ja fast melancholisch.
Man mag ihm Effekthascherei unterstellen, doch Tatsache ist: Mit seinem Mix aus Tagebuch, Therapie und Liebesbrief ans Leben scheint er einen Nerv zu treffen – besonders bei Frauen wie auch Männern, die sich im Spagat zwischen Karriere und Selbstoptimierung oft selbst verlieren. Amend erinnert uns daran, dass es okay ist, nicht okay zu sein. Und dass Erfolge im Außen, nach denen wir streben, nicht zwingend glücklich machen, sondern sogar oft mit einer inneren Leere einhergehen.
Sinnkrise nach Erfolgen
Bei ihm war das nicht anders. Als seine gleichnamige Biografie über den deutschen Rapper Bushido zum Spiegel-Bestseller avanciert und von Bernd Eichinger verfilmt wird, schlittert er gleichsam vom Red Carpet in eine tiefe Sinnkrise: „Ich war im wahrsten Sinne des Wortes lebensmüde.“ Er besucht die Slums in Rio de Janeiro, sieht dort Gewalt, Drogenmärkte – aber auch pure Lebensfreude. Ein prägender Kontrast und für Lars Amend ein Wendepunkt: Zurück in Deutschland, trifft er den schwer herzkranken Teenager Daniel Meyer in einem Hamburger Kinderhospiz. Gemeinsam erstellen sie eine Bucketlist mit 25 Herzenswünschen. Daraus entsteht 2013 das Bestsellerbuch „Dieses bescheuerte Herz“, das später als Film zwei Millionen Besucher:innen in die Kinos lockt. Daniel ist mittlerweile 28 Jahre alt und immer noch ein wichtiger Teil in Amends Leben: „Fast wie ein Bruder.“
Sein echter Bruder, Christoph Amend, ist vier Jahre älter und Editorial Director der Zeit: „Mein Bruder hat mich von allen Menschen wahrscheinlich am meisten geprägt. Ich habe ihn angehimmelt. Über ihn bin ich zur Musik gekommen – ich habe ihm sehr viel zu verdanken.“ Beide teilen ähnliche Interessen – Bücher, Filme, Reisen, gutes Essen, Popkultur. Und beide wollen etwas bewirken, wenn auch auf unterschiedliche Weise: „Mein Bruder identifiziert sich noch viel mehr über seine Arbeit als ich. Wenn ich mal zwei Jahre lang nur am Meer sitze, würde mir das auch genügen. Für ihn wäre das schwieriger.“
Ich hatte nie einen großen Plan, was ich machen möchte. Ich möchte einfach das Leben erleben.
Der Mutter verzeihen
Wahrscheinlich, so mutmaßt Lars Amend, weil er selbst mehr die „gemütlichen“ Anteile vom Vater, der ältere Bruder mehr Anteile der Mutter in sich trägt – eine Frau mit beruflichen Ambitionen, die sich nie Kinder gewünscht hat. Als Tochter einer Heimatvertriebenen musste sie sich beweisen. „Coming Home“ ist zum Großteil ein Buch über sie. „Die Wahrheit ist, meine Mutter war keine gute Mutter“, schreibt Amend. Er – ein kränkliches Kind, zwei Monate zu früh auf die Welt gekommen – hätte ihre Liebe gebraucht. Doch als er drei Jahre alt war, hat seine Mutter die Familie verlassen: „Wir waren dann eine Männer-WG.“ Noch an ihrem Sterbebett habe er nach Antworten gesucht, aber keine bekommen. Bei der Beerdigung seien dann viele Frauen auf ihn zugekommen, die ihm sagten, wie großartig seine Mutter war, wie sehr sie sich – in einer männerdominierten Finanzwelt – für andere Frauen eingesetzt habe. „Heute würde man meine Mutter als Empowerment-Ikone feiern“, sagt Amend. Keine Schwarz-Weiß-Schublade, sondern die Erkenntnis: Es gibt immer zwei Seiten. Ein Sprichwort, das vieles in ihm angestoßen hat: „Wer anderen die Schuld gibt, hat eine lange Reise vor sich. Wer sich selbst Vorwürfe macht, ist auf halbem Weg. Wer niemandem die Schuld gibt, ist angekommen.“
Lars Amend hat Frieden geschlossen mit seiner Mutter, wenn auch erst nach ihrem Tod. Was ihm dabei geholfen hat, war, die Perspektive zu wechseln: Wäre seine Mutter ein Mann gewesen, wäre ihr Verhalten „das Normalste“ der Welt gewesen. So galt sie als Rabenmutter: „Aber sie hat das nicht gegen uns gemacht, sondern für ihren Traum. Ich glaube, dass für meine Mutter Arbeit ihr wahres Zuhause war.“ Das zu verstehen, half ihm, zu vergeben und bei sich anzukommen: „Das schönste Gefühl für mich ist, nach Hause zu kommen. Ich war mein Leben lang auf der Suche danach.“
Lars Amend kommt zu "Kunst der Balance" nach Kärnten
Das Event rund um Achtsamkeit, bewusstes Leben und innere Ausgeglichenheit findet am 11. Oktober 2025 im idyllischen Stift Ossiach in Kärnten statt. Neben zahlreichen Workshops (u. a. Waldtherapie, Eisbaden, Breathwork, Speed-Dating, Yoga mit Ö3-Star Sandra König) werden exzellente Speaker:innen auf der Bühne erwartet – wie etwa Coach Lars Amend, Mental-Health-Aktivistin Gemma Styles (Schwester des berühmten Popstars Harry Styles), Meditationslehrer Prof. Dr. Peter Riedl oder Erfolgsunternehmerin Katharina Schneider. Infos und Tickets: woman.at/balance-kaernten
Podcasttipp
Hören Sie unser Gespräch mit Lars Amend auf: woman.at/podcast
