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Wenn die neue Karriere noch erfolgreicher macht

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Illustration von einer Frau, die mit einem Fernrohr auf einer Treppe steht

©Getty Images
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Mit Mitte 50 in die Selbstständigkeit? Oder nach dem Jus-Studium eine Lehre starten? Mut zur beruflichen Veränderung ist die neue Konstante: Fünf Frauen erzählen, warum und wie sie neu angefangen haben.

Schulabschluss, Ausbildung, Job, Pension – was lange als erstrebenswertes Ideal galt, verliert für immer mehr Menschen an Attraktivität. Ganz nach dem Motto „Es ist nie zu spät für eine zweite Karriere“ ist es heute eine vielversprechende Option, sich im Lauf des Berufslebens nicht ausschließlich auf einen einzigen Job oder eine Branche zu konzentrieren. Wer einen Neuanfang wagt, sich umorientiert oder verändert, profitiert dennoch meist von vorhergehenden Erfahrungen und erworbenen Fähigkeiten. Gleichzeitig ist es oft notwendig, sich von alten Mustern zu trennen, um erneut durchstarten zu können.

Fünf Frauen, die sich getraut und an einem Punkt in ihrem Leben einen neuen Weg eingeschlagen haben – oder gerade dabei sind –, teilen ihre Erfahrungen mit uns.

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Porträt der Journalistin Birgit Fenderl

Birgit Fenderl: Die Journalistin und Moderatorin war über 30 Jahre beim ORF angestellt. Seit Anfang des Jahres setzt sie ihr Know-how in ihrer Selbstständigkeit ein. birgitfenderl.at

 © Sabine Hauswirth

Jetzt oder nie!

Über drei Jahrzehnte war Birgit Fenderl eine feste Größe im ORF – als Journalistin, Moderatorin und Gesicht zahlreicher Sendungen. Doch mit Jahresbeginn hat die 54-Jährige ihr Angestelltenverhältnis beendet und den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Der Branche ist sie treu geblieben, jetzt ist sie als Moderatorin, Motivatorin, Mediencoach und auch Keynote Speakerin aber ihre „eigene Regisseurin“. Außerdem setzt sie weiterhin journalistische Projekte um. So wie ihren neuen Podcast „Von wegen Pause! Wechseljahre, ein fulminanter Neustart!“, der Anfang April gestartet ist. Dabei spricht Fenderl mit prominenten Frauen wie Ursula Strauss oder Angelika Kirchschlager, aber auch mit AMS-Chef Johannes Kopf und anderen Expert:innen zu Themen wie Ernährung, Sport oder Lifestyle in der Mitte des Lebens. Im Interview betont sie, dass es ihr Ziel sei, selbst sichtbar zu bleiben, aber auch andere Frauen dabei zu unterstützen, stärker in den Medien vorzukommen – auch mit über 50.

„Mich beruflich neu zu erfinden, war über viele Jahre immer wieder eine Idee, aber es war nie wirklich konkret. Und ich war auch noch sehr damit beschäftigt, meine Tochter gut zu begleiten. Nach ihrer Matura blieb plötzlich wieder viel mehr Zeit für mich, dazu kamen diverse Veränderungen in meinem bisherigen beruflichen Umfeld. Irgendwann manifestierte sich immer mehr ein Gedanke: Jetzt oder nie!“, erzählt sie. Dazu ermutigt, den Schritt zu gehen, wurde sie vor allem von ihrem Partner. Sehr wichtig für sie war aber auch ein Satz eines jetzigen beruflichen Partners und langjährigen Freundes: „Wer, wenn nicht du.“

Grenzen kennen

Was sie als frische Selbstständige noch lernen muss? „Klarere Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen. Wobei ich nie ein klassischer Nine-to-Five-Typ war.“ Sich selbst gut zu organisieren, hält die Medienexpertin in ihrem neuen Lebensabschnitt für essenziell. „Ob ich mich beispielsweise für ein Mediencoaching oder eine Event-Moderation an einem Sonntag oder in der Nacht vorbereite, bleibt mir überlassen. Mein Ziel ist es aber schon, so etwas wie Bürozeiten im Rahmen meiner Arbeit abzustecken.“ Vor dem, was sie sich für die Zukunft vorgenommen hat, hat sie noch immer großen Respekt: „Natürlich gibt es seit Jahresbeginn immer wieder Momente der Unsicherheit. Aber ich denke, es wäre absurd, wenn das nicht so wäre.“ Anderen Frauen, die vor einer ähnlichen Entscheidung stehen, rät sie, „gut in sich hineinzuhören, was man wirklich will. Und im zweiten Schritt ganz realistisch zu analysieren, wo neue Chancen liegen und ob es sich finanziell ausgehen kann.“ Sie selbst hat dafür einige Stunden professionelles Coaching in Anspruch genommen: „Das hat mir persönlich sowohl in meiner Entscheidung als auch in meiner beruflichen Aufstellung sehr geholfen.“

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Porträt von Julia Kilarski

Julia Kilarski: Die gebürtige Wienerin hat sich nach ihrem abgeschlossenen Jusstudium zur Konditormeisterin ausbilden lassen – und ihre eigene Patisserie eröffnet. cremedelacreme.at

 © TMRW.tours

Sich selbst viel zutrauen!

Nach ihrem abgeschlossenen Jus-Studium folgte Julia Kilarski ihrer Leidenschaft: Sie ging nach Paris, um die Kunst der Patisserie zu lernen. „Das berufliche Umfeld hat sich einfach nicht richtig angefühlt, ich war sehr unglücklich und dachte mir, ich muss was ändern, so kann ich mir meine Zukunft die nächsten 30 Jahre nicht vorstellen“, erzählt sie. Ihr engster Kreis war damals sehr überrascht, auch verwirrt, „bremsen konnte mich aber keiner, das wollte aber zum Glück auch niemand“.

Prioritäten setzen

2017 gründete die Konditormeisterin ihre französisch inspirierte Patisserie „Crème de la Crème“ im 8. Wiener Gemeindebezirk, seit Kurzem gibt es einen zweiten Standort im 4. Bezirk. Der Schritt in die neue Branche war kein leichter. „Ich musste mir eine dicke Haut zulegen und Nerven aus Stahl. Der Prozess läuft bis heute“, sagt sie und lacht. Gerade anfangs habe sie versucht, alles sehr strukturiert, ordentlich und rasch abzuarbeiten. „Mit der Zeit habe ich gelernt, Prioritäten zu setzen und für mich selbst zu entscheiden, was wichtig ist und was ein bisschen warten kann.“ Im Moment sei der Workload so enorm, dass sie auch Abstriche machen müsse. „Ich lege viel Wert auf ausreichend Schlaf und versuche auch Sport unterzubekommen, weil es mir geistig sehr guttut und ich gesund bleiben möchte. An oberster Stelle steht immer die Familie, daher schaue ich, dass ich genug Zeit mit ihr verbringen kann.“ Aus ihrem Studium mitgenommen hat sie „konsequent zu sein und durchzuhalten, auch wenn es sehr hart ist“. Als ihr größtes Kapital sieht Kilarski, dass „es mir relativ leicht fällt, schnell Entscheidungen zu treffen. Ich glaube, das hilft mir im beruflichen Alltag sehr.“ Ihr Learning an andere: „Bitte einfach machen! Sich selbst viel zutrauen und Menschen, die einen unterstützen, suchen – und von anderen Abstand nehmen.“

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Porträt von Silvia Schneider

Silvia Schneider: Mode, Beauty, TV, Tanzen, Kochen: Die studierte Juristin, die ihre eigene Produktionsfirma führt, hat viele Talente – und lebt diese auch aus. silviaschneider.at

 © Marcel Gonzalez-Ortiz

Mut ist wichtiger als Perfektion!

Stillstand? Nicht mit Silvia Schneider. Die Moderatorin, Schauspielerin, Designerin und Köchin erfindet sich immer wieder neu. Erst im Vorjahr hat sie ihre Kochlehre abgeschlossen. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt für einen Neuanfang? „Manchmal ist es ein einzelner Funke, eine Begegnung, eine Gelegenheit. Oft aber ein längerer Prozess“, sagt die studierte Juristin. „Wenn ich merke, dass ich in einem Bereich viel gelernt habe, mich aber noch etwas anderes reizt, dann höre ich auf dieses innere Gefühl und wage den nächsten Schritt.“ Das bedeutet aber auch, Gewohnheiten loszulassen. „Eine der größten Herausforderungen ist, sich nicht selbst in eine Schublade zu stecken“, erklärt Schneider. „Wenn etwas gut läuft, gibt es eine innere Stimme, die sagt: Bleib doch dabei, das funktioniert doch! Aber genau dann ist es wichtig, offen für Neues zu sein. Der Mut, ins kalte Wasser zu springen, ist oft wichtiger als das perfekte Konzept.“

Anfänger:innengeist

Manchmal sei es laut Schneider schwieriger, sich von alten Erfolgen zu lösen als von Rückschlägen. „Wenn man in einem Bereich etabliert ist, bringt das Erwartungen mit sich – von anderen, aber auch von einem selbst. Dann fällt es manchmal schwer, wieder von vorn anzufangen oder sich als ,Neuling‘ in einem neuen Feld zu sehen.“ Doch genau das macht es für Schneider spannend. „Das war bei meiner Kochlehre der Fall – eine der besten Entscheidungen meines Lebens.“ Trotzdem ertappt sie sich manchmal dabei, an eingefahrenen Arbeitsweisen festzuhalten: „Ich bin ein sehr strukturierter und disziplinierter Mensch und neige manchmal dazu, mir zu viel vorzunehmen. In solchen Momenten muss ich bewusst innehalten und mir sagen: Jetzt ist es Zeit für etwas Neues – und das darf auch auf eine neue Art passieren.“

Ihre Neugier und ihren Wunsch, sich weiterzuentwickeln, sieht sie heute als eine ihrer größten Stärken: „Zu Beginn denkt man oft, dass man sich spezialisieren muss, um erfolgreich zu sein, aber ich habe gelernt, dass Vielseitigkeit ein enormer Vorteil ist.“ Was sie aus ihren beruflichen Anfängen mitgenommen hat? „Respekt und Durchhaltevermögen. Ich habe früh gelernt, dass Erfolg nicht von heute auf morgen kommt, es braucht Zeit, Geduld und Hingabe. Und ich versuche, mir immer eine gewisse Bodenständigkeit zu bewahren und mit Freude an die Dinge heranzugehen – das öffnet oft die richtigen Türen.“ Der Rat der 42-Jährigen: „Hab den Mut, ins Ungewisse zu springen! Warte nicht darauf, dass du perfekt vorbereitet bist – denn das wirst du nie sein.“ Und was hätte sie gerne früher gewusst? „Dass man nicht alles allein schaffen muss – es ist völlig in Ordnung, sich Unterstützung zu holen und sich mit Menschen zu umgeben, die an einen glauben.“

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Porträt von Andrea Petković

Andrea Petković: Von der Weltklassetennisspielerin zur gefeierten Autorin und Moderatorin stellt sie immer wieder ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis. @andreapetkovici

 © Lottermann und Fuentes

Die Angst vor der Veränderung ist viel schlimmer als die Veränderung!

Einst war sie die Nummer neun der Tenniswelt, heute ist Andrea Petković Schriftstellerin und Kommentatorin. Als sie 2022 ihre Karriere als Weltklassespielerin beendete, war der nächste Schritt aber bereits vorbereitet. Schon während ihrer aktiven Zeit schrieb Petković Kolumnen und wurde 2020 für ihr literarisches Debüt „Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht“ (€ 13,40, Kiepenheuer & Witsch) gefeiert. In dem autobiografischen Essayband seziert sie mit literarischer Präzision die Existenz einer Profisportlerin. In ihrem zweiten Buch, „Zeit, sich aus dem Staub zu machen“ (€ 23,– Kiepenheuer & Witsch), das 2023 erschienen ist, beschreibt sie das letzte Jahr ihrer ersten Karriere und wie schwer es ihr fiel, loszulassen.

Vielseitig

Heute ist die 37-Jährige eine feste Größe im Feuilleton, gefragte Moderatorin und Kommentatorin. Sie war Autorin, bevor sie Tennisspielerin war, sagte sie in einem Interview mit dem deutschen emotion-Magazin im Jahr 2022 „Mir war nur nicht klar, dass ich auch publizieren würde.“ Und auf die Frage, welche Skills ihr heute am meisten helfen: „Ruhe im Kopf und im Geist zu haben, ist wahrscheinlich das größte Geschenk, das man aus einer Sportlerkarriere mitnimmt.“ Welche Erkenntnis kann sie Leuten mitgeben, die sich ebenfalls beruflich umorientieren wollen? „Dass die Angst vor der Veränderung viel schlimmer ist als die Veränderung selbst.“

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Sandra Herrmann: Mit ihrer langjährigen Berufserfahrung im Marketing und Vertrieb sowie im Personalbereich berät sie heute bei Gründung und Neuorientierung. karriereundsinn.at

Es ist nie zu spät!

Mit 40 das erste Mal studieren? Nach dem Motto „Wenn schon, denn schon“ entschied sich Sandra Herrmann damals für ein Doppelstudium: einen MSc in Mediation und Konfliktmanagement sowie einen MBA in Personalentwicklung. Zuvor war die heute 54-Jährige leitend in der Eventabteilung eines Finanzinstituts tätig. „Jede Karriereveränderung ist bei mir immer gleich abgelaufen. Der aktuelle Job hat nicht mehr genug Herausforderung geboten, und eine Weiterentwicklung in dem Bereich war auch nicht mehr möglich.“ Anschließend an ihre abgeschlossenen Studien begann sie eine Karriere im Recruiting, Training, Coaching bei einem Versicherungskonzern. Nach einer Bildungskarenz und eineinhalb Jahren Vorbereitung machte sie sich 2019 mit ihrem Unternehmen „ks.karriereundsinn“ mit einem Fokus auf Karriereentwicklung selbstständig.

Perpektivenwechsel

Was ist der Unterschied? „Früher war ich dauernd damit beschäftigt, Lösungen zu finden. Heute begleite ich Menschen dabei, ihre eigenen zu finden.“ Ihr Umfeld bewunderte dabei ihren Mut, auch ihre Eltern haben immer an sie geglaubt. „Ich glaube, ich habe bereits damals unbewusst die eine oder andere Person damit inspiriert, was heute Teil meiner Berufung ist. Es ist nie zu spät für eine Weiterbildung und/oder berufliche Veränderung.“

Von ihrem vorherigen Job aus der Eventbranche mitgenommen hat sie „Offenheit für Menschen und Flexibilität“. Vor allem Letzteres war notwendig, als Corona ihr frisch gegründetes Business lahmlegte und Hermann vor der Herausforderung stand, ihr komplettes Beratungs- und Trainingsangebot auf online umzustellen. „Alles lief gut und wie erhofft – und plötzlich war nichts mehr so wie am Tag davor. Keine Kund:innen, keine finanzielle Unterstützung, weil Neugründerin, und noch kein Plan B.“ Anderen, die sich verändern wollen, rät sie zu einem konkreten Plan und Geduld: „Veränderungen passieren nicht von heute auf morgen. Es braucht auch ein Sicherheitsnetz, sollte es nicht so funktionieren wie erwartet oder gewünscht. Mit einem Plan B im Gepäck passiert alles mit viel mehr Gelassenheit und Leichtigkeit.“

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