
Warten Sie noch auf Ihre große Chance oder leben Sie Ihre Träume bereits? Vera Steinhäuser ist eine der gefragtesten Karriereberaterinnen des Landes und weiß, wie man proaktiv eigene Chancen kreiert.
"Eine Chance bot sich mir, und ich habe sie ergriffen.“ – Coco Chanel wusste, wie man entscheidende Situationen erkennt und für sich nutzt. Die legendäre Modedesignerin wäre auch eine exzellente Karriereberaterin gewesen. Denn wie oft tun wir genau das nicht? Stattdessen zögern wir, lassen spannende Gelegenheiten vorbeiziehen – aus Angst, Zweifel oder Bequemlichkeit. Doch Chancen sind selten Zufall, sie sind das Ergebnis von Mut und Einsatzbereitschaft. Das weiß auch Vera Steinhäuser. Als Business Coachin hat sie sich mit ihrer „leadhers+ academy“ auf Empowerment von Frauen und Female Leadership fokussiert und forciert dieses Thema auch mit „Die Macht Zentrale. Ein Mutbuch für unerschrockene Frauen, die gestalten wollen“ und einem neuen Care+Lead-Programm. Wir sprachen mit ihr über das „richtige“ Timing und warum Angst eine Kraft ist, die Neues ermöglicht.
Frau Steinhäuser, erinnern Sie sich an einen Moment, in dem Sie nicht gewartet haben, bis sich eine Tür öffnet – sondern selbst die Klinke in die Hand genommen haben?
Ich habe nie gewartet, bis mir Chancen auf dem Silbertablett serviert wurden, sondern habe in meiner Karriere ganz bewusst dafür gesorgt, dass ich sie mir selbst erschaffe. Heute arbeite ich als Systemische Business Coachin, davor war ich aber sehr lange in der Werbung tätig, und dort habe ich mich zum Beispiel schon im Jahr 2000 auf digitale Kommunikation fokussiert. Damals haben viele nicht daran geglaubt, dass sich das überhaupt durchsetzen wird, aber ich hab alles auf eine Karte gesetzt und wurde bei meinem damaligen Arbeitgeber zum Head of Digital. Die Geschichte zeigt: Ich bin generell kein Fan davon, passiv zu sein. Meine Strategie – und das rate ich auch den Frauen, die zu mir kommen – ist, loszumarschieren, selbstbestimmt im Leben zu stehen und die Chancen zu kreieren, die man braucht, um dorthin zu kommen, wo man hin will. Dafür muss man sich im Vorfeld natürlich fragen: Was will ich? Was ist mir wichtig? Wofür will ich meine Zeit investieren?
Viele warten trotzdem immer auf die „perfekte Gelegenheit“. Gibt es die überhaupt?
Ich möchte ermutigen, darüber nachzudenken, was perfekt überhaupt bedeutet. Es ist aus dem Lateinischen und heißt „vollendet“. Wie spannend ist es, etwas zu vollenden, und was machen wir dann morgen? Welchen Ansporn würde ich am nächsten Tag entwickeln können, wenn ich eigentlich fertig bin? Salvador Dalí hat es gut auf den Punkt gebracht: „Hab keine Angst vor der Perfektion. Du wirst sie nie erreichen.“ Wir dürfen und müssen dieses ständige Streben danach reframen, um ins Tun zu kommen.
Trotzdem leben viele nicht nur im Job, sondern auch im Privaten nach dem Prinzip, ständig 120 Prozent liefern zu müssen. Ein gutes Beispiel ist die Jobsuche: Frauen bewerben sich oft nur, das bestätigen Studien, wenn sie 100 Prozent der Anforderungen erfüllen. Wie können wir dieses Muster durchbrechen?
Es ist ein Irrglaube, zu denken, dass es uns weiterbringt, wenn wir ständig 120 Prozent leisten. Im Gegenteil: Stellen wir uns mal vor, wir würden ab jetzt alle nur noch das tun, was wir schon können. Was würde mit unserer Gesellschaft passieren? Es käme zum absoluten Stillstand. Jede Form von Innovation beruht auf der Tatsache, dass jemand etwas noch nicht kann und es anders macht. Insofern würde ich sagen: Super, wenn ich nur 80 Prozent der Requirements erfülle, denn die anderen 20 Prozent sind eine Chance für den oder die Arbeitgeber:in und für mich, weil wir etwas Neues entwickeln können. Das ist auch die Idee des Growth Mindset: Nicht gleich zu sagen: Ich kann es nicht. Sondern: Ich kann es noch nicht, aber ich will es lernen. Die Arbeitswelt von morgen braucht Menschen, die den Mut haben, etwas anders zu machen, und nicht davor zurückschrecken, damit vielleicht auch mal gegen die Wand zu laufen.
Jede Form von Innovation beruht auf der Tatsache, dass jemand etwas noch nicht kann und es anders macht.
Kann man diese Mentalität auch trainieren?
Wenn ich aus meiner eigenen Erfahrung spreche, dann waren schwierige Lebensphasen, in denen ich unsicher war oder gezweifelt habe, auch jene Momente, in denen ich dieses Mindset aktiv ausbauen konnte. Wichtig ist, sich Ziele zu setzen und trotzdem offen für neue Möglichkeiten zu bleiben. Wir dürfen unsere Meinung ändern und Plan B auch mal zu Plan A machen. Das gilt auch für Führungskräfte: Wenn ich meinem Team Ziele vorgebe und die Mitarbeiter:innen erkennen die Sinnhaftigkeit und Attraktivität, werden sie auch motiviert daran arbeiten.
In unserer sehr schnelllebigen Welt verändern sich auch Arbeitsweisen rasch. Was unterscheidet Menschen, die flexibel bleiben, von denen, die lieber im Gewohnten verharren?
Mittlerweile haben selbst die konservativsten Firmenchefs erkannt, dass die alten Paradigmen nicht mehr funktionieren und dass sie in neuen Lösungen denken müssen. Manche Leute kommen zu mir ins Coaching und fragen: „Wann hört das endlich auf ?“ Dann muss ich der Bad Cop sein und erklären: Es wird nicht mehr sicherer oder vorhersagbar werden. Es wird auch nicht mehr langsamer oder gemütlicher. Wir müssen alle lernen, mit den neuen Entwicklungen umzugehen, uns darauf einlassen, und das spielt Frauen schon in die Hände, weil wir in diesem Reinspüren und Gestalten sehr gut sind.
Veränderung verunsichert. Haben Sie Strategien, mit denen Sie sich aus Ihrer Komfortzone herauslocken? Wie geht man mit der Angst vor dem Scheitern um?
Die Angst gehört dazu, aber wir können lernen, alles mit ihr zu tun. Was ich zum Beispiel oft vor wichtigen Auftritten mache, ist in Ruhe ausatmen und akzeptieren, dass ich nervös bin. Lampenfieber ist vollkommen okay und zeigt, dass mir eine Sache wichtig und eben nicht wurscht ist. Der dänische Philosoph Kierkegaard bezeichnet „anxiety as the dizziness of freedom“, also als Schwindel der Freiheit. Wenn wir in unserer Komfortzone bleiben, wiegen wir uns in vermeintlicher Sicherheit. Wenn wir es wagen, uns die Freiheit zu nehmen und da rauszutreten, kommen natürlich auch Zweifel dazu. Aber: Angst ist etwas Gutes, sie gibt uns die Kraft, zu gestalten.
Care+Lead: Das (Self-)Leadership-Programm für Eltern
Für alle, die einen hohen Anspruch an Familie und Karriere haben: Vera Steinhäuser hat mit ihrer „leadhers academy+“ und acht weiteren Expertinnen ein neues Programm gelauncht, das gezielt Eltern anspricht. Im Mittelpunkt stehen Themen wie Selbstorganisation, wertorientiertes Management, Resilienz und Self-Care. Das Coaching für Mütter und Väter ist dabei in drei Phasen strukturiert – vor, während und nach der Babypause – und bietet konkrete Werkzeuge für diese neue Lebensphase.
HARD FACTS: Kosten pro Elternpaar: € 690,– Für Alleinerziehende: € 190,–
Mehr Infos unter leadhers.academy
Über die Autor:innen

Melanie Zingl
Melanie ist seit 2007 bei der Verlagsgruppe News (VGN) tätig. 2016 wurde sie Leitende Redakteurin und 2018 Stellvertretende Chefredakteurin. Seit 2024 ist Melanie Chefredakteurin bei WOMAN. Ihr erklärtes Ziel: "Make the World more WOMAN. Weil wir davon überzeugt sind, dass eine gleichberechtigte Welt eine bessere ist."