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Stefanie Reinsperger & Fritzi Wartenberg: Das Beste aus zwei Welten

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Aktualisiert
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8 min
Stefanie Reinsperger und Fritzi Wartenberg

Nicht nur beim Interview stimmte die Chemie zwischen Schauspielerin Stefanie Reinsperger und Theaterregisseurin Fritzi Wartenberg. Die beiden haben bereits erfolgreich miteinander gearbeitet – und tun es jetzt wieder.

©Lukas Beck

Zwei, die das Theater aufmischen: Schauspielerin Stefanie Reinsperger und Regisseurin Fritzi Wartenberg über Mut, macht – und ihre neue Zusammenarbeit.

Die eine ist eine Naturgewalt auf der Bühne: Stefanie Reinsperger, fulminante Schauspielerin, die nach acht Jahren in Berlin 2024 als fixes Ensemblemitglied ans Wiener Burgtheater zurückgekehrt ist. Und im Sommer auch ihren Lebensmittelpunkt in die österreichische Hauptstadt verlegt hat. Die Liste ihrer Auszeichnungen ist lang, zuletzt wurde sie erneut für den Nestroy-Preis als Beste Schauspielerin nominiert. Die andere, Fritzi Wartenberg, gehört zu jener neuen Generation von Regisseurinnen, die gerade das deutschsprachige Theater verändern. Sie war Teil des ersten Jahrgangs des Nachwuchsregieprogramms WORX am Berliner Ensemble und inszenierte seither auf den großen Bühnen: unter anderem in Berlin, aber auch am Burgtheater in Wien. Gemeinsam brachten Reinsperger und Wartenberg dort 2025 Mareike Fallwickls Monolog „Elisabeth!“ auf die Bühne. Ein wilder, feministischer Ritt, der mit sämtlichen Sisi-Klischees bricht. Der Abend wurde zum Publikumsmagneten, jede Vorstellung ist ausverkauft. Nun folgt ihre zweite Zusammenarbeit: „Volksvernichtung oder meine Leber ist sinnlos“, das Fäkaliendrama des österreichischen Schriftstellers und Brachialdramatikers Werner Schwab aus dem Jahr 1991. Reinsperger spielt darin den klumpfüßigen Schnapstrinker Herrmann Wurm. Es heißt, Schwab habe sich mit der Figur selbst identifiziert.

Wir treffen die beiden während der Proben zum Stück, das mittlerweile am Akademietheater läuft, im Wiener Arsenal. Schon nach wenigen Minuten ist klar: Hier arbeiten zwei Frauen, die sich gut miteinander verstehen – und gemeinsam etwas riskieren. Im Interview erzählen sie, wie sie sich kennengelernt haben, was sie aneinander schätzen und warum ihre Zusammenarbeit erst der Anfang ist.

WOMAN

Wie lässt sich Ihr künstlerisches Miteinander beschreiben?

Fritzi Wartenberg

Als ideenreich, konstruktiv und verspielt. Wir trauen uns zusammen viel auszuprobieren. Es gibt einen Spruch von Steffi, den ich sehr liebe: „Nur mal für die Tonne geredet.“ Oft entstehen die besten Ideen genau so. Das ist eine Freiheit, die man selten hat, und etwas, das unsere Zusammenarbeit sehr ausmacht.

Stefanie Reinsperger

Was ich wahnsinnig an Fritzi schätze, ist, dass sie so liebevoll und genau mit dem Text umgeht. Sie nimmt sich wirklich Zeit, darin zu graben. Das erste Mal auf die Bühne zu gehen, ist immer mit sehr viel Scham verbunden. Aufgrund der Art, wie Fritzi arbeitet, weißt du, was du tust, du braucht nur mehr spielen – und dann ist es weit weniger grauenvoll. Ich finde es sehr schön, dass es bei ihr nie nur um das Wie, sondern immer auch um das Was geht.

Fritzi Wartenberg

Am Tisch arbeiten wir mit großer Genauigkeit am Text, und die Bühne ist dann der Spielplatz. Im Idealfall ist man schon nach dem ersten Schritt so aufgeladen, dass man kaum noch sitzen bleiben kann. Und es ist natürlich ein großes Geschenk, jemanden wie Steffi zu haben, die so präzise denkt, aber auch alles loslassen kann und auf der Bühne mit voller Kraft in den Flow geht und sich ausprobiert. Das ist das Beste aus zwei Welten.

WOMAN

Was hat Sie eigentlich zusammengeführt?

Stefanie Reinsperger

(lacht) Sehr viele weiße Spritzer.

Fritzi Wartenberg

(lacht) Aber das erwähnen wir nicht …

Stefanie Reinsperger

Fritzi hat am Berliner Ensemble gearbeitet, und ich saß immer im Hof und wusste, dass sie am Max Reinhardt Seminar war. Wenn man an derselben Schule studiert hat, verbindet das. Ich kann mich erinnern, als wir in diesem Hof saßen und niemand Zeit hatte. Trotzdem haben wir uns zwei Stunden ausgetauscht und geredet. Und ja, wir waren irgendwann auch mal in einer Bar, da hat man ja oft die besten Ideen. Wir haben uns gefragt, warum noch nie jemand einen Sisi-Abend gemacht hat.

Fritzi Wartenberg

Ich weiß noch, wie du mich angesprochen und dich zu mir gesetzt hast. Ich bin vor Ehrfurcht fast gestorben. An besagtem Abend hattest du dann glaube ich gerade eine Sisi-Biografie gelesen, nicht wahr? Ich kann mich erinnern, dass du ein Buch aus deiner Tasche geholt hast, aber vielleicht habe ich mir das im Nachhinein zusammenfantasiert. Aber in dem Moment war es Schicksal.

Am Theater wird versucht, Strukturen zu verschieben. Das gibt mir Mut, weiter an ihnen zu rütteln.

Fritzi WartenbergRegisseurin
Fritzi Wartenberg

Theaterregiseeurin Fritzi Wartenberg

 © Lukas Beck
WOMAN

Frau Wartenberg, Sie sind 28 Jahre. In der Beschreibung des Burgtheaters werden Sie als junge Regisseurin bezeichnet. Stört Sie das?

Fritzi Wartenberg

Auf der einen Seite stimmt es ja. Zum Beispiel im Akademietheater ein Stück zur Aufführung zu bringen, ist in meinem Alter schon etwas Besonderes. Gleichzeitig sollte diese Zuschreibung nicht dazu führen, mir Dinge nicht zuzutrauen. Ich mache den Beruf schon ein paar Jahre und lerne mit und von den Besten. Darum traue ich mich auch, dieses Label bald abzustreifen und einfach als die gesehen zu werden, die ich bin.

WOMAN

Wie männerdominiert ist das Theater heute noch?

Fritzi Wartenberg

Es ist eine Tatsache, dass wir nach wie vor im Patriarchat leben. Noch immer sind viel mehr Männer in Leitungspositionen als Frauen. Gleichzeitig ist das Theater ein Ort, wo verschiedene Menschen versuchen, diese Strukturen, so starr sie auch manchmal sein mögen, zu verschieben. Ich nehme das jedenfalls so wahr, und das macht natürlich Mut, weiter an ihnen zu rütteln.

Stefanie Reinsperger

Von Regie bis Autorinnen oder Stücken mit mehr weiblichem Anteil: Das ist immer noch zu wenig. Dass wir „Elisabeth!“ mit einer Autorin, einer Regisseurin und einer Spielerin auf die Bühne gebracht haben, war ein politischer Akt. Ich wollte mit dieser Arbeit Türen aufstoßen. Der Druck war groß, weil ich wusste: Ich stehe da nicht nur für mich, sondern für viele andere. Und trotzdem muss man sagen: Es reicht noch nicht. Es ist ein Anfang, und ich hoffe, dass da noch viel mehr kommt. Nicht explizit auf unser Haus bezogen, sondern generell im Theater.

Dass wir ‚Elisabeth!‘ auf die Bühne gebracht haben, war ein politischer Akt. Ich wollte damit Türen aufstoßen.

Stefanie ReinspergerSchauspielerin
Schauspielerin Stefanie Reinsperger

Schauspielerin Stefanie Reinsperger

 © Lukas Beck
WOMAN

Das neu inszenierte Stück von Werner Schwab ist in einem ganz anderen Metier angesiedelt. Die Sprache ist brachial und roh. Inwiefern passt es in die heutige Zeit?

Fritzi Wartenberg

Es geht um die Frage, wie und ob es überhaupt möglich ist, ein Miteinander zu leben. Und diese ist heute vielleicht sogar noch dringlicher als damals.

Stefanie Reinsperger

Er veranschaulicht sie anhand des kleinsten Systems überhaupt – der Familie. Jede:r kennt das: Ob man eine hat, sich von ihr gelöst oder eine Wahlfamilie gefunden hat. Nirgends kann man sich so gut abarbeiten oder wüten, das ist zutiefst menschlich.

WOMAN

Frau Reinsperger, Sie spielen mit Herrmann eine Männerfigur. Ist das heute noch Thema?

Stefanie Reinsperger

Also in Berlin fragt das niemand mehr. Ich spiele vor allem Menschen und Figuren, keine Männer oder Frauen. Das Geschlecht ist da zweitrangig.

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