
Wie würde eine Welt aussehen, in der Frauen das Sagen haben? Mavie Hörbiger und Bibiana Beglau inszenieren einen utopischen Entwurf im Kino.
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Es sieht düster aus für die Herren der Schöpfung: Ein Virus verwandelt Männer in triebgesteuerte, hyperbehaarte Wesen, die schnell sterben, sobald sie sexuell erregt werden. Deshalb begeben sich die meisten mehr oder weniger freiwillig in Isolation – und Frauen übernehmen das Ruder. In der feministischen Satire „Die geschützten Männer“ (aktuell im Kino) zeichnet Regisseurin Irene von Alberti ein utopisches Bild einer matriarchalen Gesellschaft und wirft auf unterhaltsame Weise die Frage auf: Was passiert, wenn wir Geschlechterrollen umdrehen – samt allen Unterdrückungsmechanismen? Die Schauspielerinnen Mavie Hörbiger, 46, und Bibiana Beglau, 53, liefern als machtversessene Kanzlerin und kapitalistische Pharma-Unternehmerin skurrile Antworten darauf. Im Gespräch mit WOMAN erklären die Burgtheater-Schauspielerinnen, warum ein Matriarchat im Real Life auch nicht die Lösung wäre und wie sie privat mit Ungerechtigkeiten umgehen.
„Die geschützten Männer“ basiert auf dem gleichnamigen Roman, der 1974 veröffentlicht wurde. 51 Jahre später wirkt der Film – in adaptierter Form – noch immer topaktuell. Wie politisch muss Kunst in Anbetracht der Weltlage sein?
Kunst muss immer politisch sein, sonst ist sie dekorativ.
Ja, es gibt aber auch dekorative Kunst, die versteckt politisch ist. Zum Beispiel das Theaterstück „Luziwuzi“ mit Conchita Wurst. Das hat so gute Laune gemacht und auch Hoffnung gegeben. Ich versuche gerade, mir mehr von solchen kleinen Produktionen anzusehen, die sich mit LGBTQA-Themen befassen. Denn ich denke, wenn die FPÖ erst einmal an der Macht ist, werden solche Sachen so nicht mehr stattfinden.
Mavie, Sie spielen die machtgierige Bundeskanzlerin Sarah Bedford. Inwiefern haben Sie sich dafür an aktuellen politischen Akteur:innen orientiert?
Leider gab es für mich kein aktuelles weibliches Beispiel, daher habe ich mich eher an Männern orientiert. Ich finde, es ist auch eine sehr männliche Figur. Von Sebastian Kurz habe ich mir zum Beispiel viel abgeguckt, der passt mit seiner Machtgeilheit gut dazu.
Was haben Sie sich abgeschaut?
Es ging vor allem ums Verhalten und um den Sprachduktus. Die Interviews finde ich bei Politikern besonders krass: ganz viel reden und dabei gleichzeitig inhaltlich so wenig sagen.
Wären Sie tatsächlich Kanzlerin – welches Gesetz würden Sie sofort verabschieden?
Ich wüsste es nicht, ich bin ja keine Politikerin. Aber ich würde mir natürlich schnell eine ziemlich gute Beraterin holen.


Interimskanzlerin Sarah Bedford (Hörbiger) verkündet eine landesweite Ausgangssperre für Männer.
© FilmladenBibiana, Ihre Figur Hilda Helsinki Pfeiffer verfolgt eher wirtschaftliche als politische Interessen. Was hat Sie an der Rolle der mächtigen Pharma-Unternehmerin fasziniert?
Als ich den Entwurf gelesen habe, habe ich mich totgelacht. Die Pharmaindustrie ist ja erst mal nicht sehr positiv konnotiert. Kapitalist:innen auch nicht. Daraus eine positive Rolle zu kreieren, also zu sagen, man hat eine Pharmakonzernleiterin, die weltweit agiert, sehr, sehr, sehr reich ist und dann aber dazu bereit, innovative Ideen zu unterstützen und auch noch Humor zu beweisen – das habe ich noch nie gelesen. Es hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht.
Die Haare! (lacht) Die haben mich so glücklich gemacht. Wenn ich schlecht drauf bin, dann denke ich an Bibianas Brust-Toupet, das sie – Spoiler! – am Ende des Films trägt.
Regisseurin Irene von Alberti meinte in einem Interview: „Man lacht zwar, aber eigentlich bleibt einem das Lachen im Hals stecken.“ Bei welchem Part ging es Ihnen ähnlich?
In einer Szene geht ein junger Mann durch die Straße, und Mädchen pfeifen ihm hinterher, zeigen ihren Busen und attackieren ihn. Britta Hammelstein fragt ihn in ihrer Rolle: „Wieso gehst du denn auch in diesem Outfit nach draußen?“ Da gefriert mir.
Inwiefern?
Im ersten Moment findet man es witzig und denkt: Was für eine coole Weibergruppe! Und dann merkt man, welche Gewalt dahintersteckt. Die können genauso zuschlagen oder den zerfetzen, wie es Frauen durch männliche Gewalt so oft passiert. Und im Nachhinein heißt es vor Gericht: Na ja, ganz ehrlich, das hast du ja provoziert, dein Rock – oder in unserem Fall deine Hose – war zu kurz.
Müsste den Männern – wie im Film – für mehr Gleichstellung erst die Macht entzogen werden?
Ich glaube, wir müssen eine Gesellschaft schaffen, wo alle am gleichen Strang ziehen können und es allen zugestanden wird, gleichberechtigt Entscheidungen zu treffen. Wo allen zugehört wird. Ich war letztens auf einem Panel mit zwei Männern und hatte ungefähr eineinhalb Minuten Redezeit.
Und die anderen?
Die haben eineinhalb Stunden diskutiert. Natürlich kann man es darauf anlegen, ich hätte reingrätschen können. Aber manchmal fehlt mir ehrlich gesagt die Kraft dazu. Ich bin jetzt 46 und finde, es steht mir auch einfach zu. Ich habe etwas zu sagen. Aber ich kann nicht um jedes Wort, das ich der Gesellschaft beitragen möchte, kämpfen.
Waren das feministische Männer?
Total, aber die haben das gar nicht gemerkt.
Wie sind Sie damit umgegangen?
Mir ging die Lust verloren, weil ich dachte, das gibt’s doch nicht! Ich würde doch immer schauen, dass alle zu Wort kommen. Aber wenn es einem gar nicht auffällt, ist es natürlich schwierig. Es ist ja schon allein ein Wahnsinn, dass wir ein Gesetz brauchen, das besagt, wie viele Frauen in Führungspositionen vorkommen müssen.
Oder dass wir bei Gagen und Einkommen von 21 auf 19 Prozent Gehaltsunterschied gekommen sind. Juhu! Das ist schon verrückt, aber anders scheint es nicht zu gehen. Dass man jetzt aber sagt, man entzieht die Macht den einen und gibt sie nur den anderen, hat ja auch nichts mit Gleichstellung zu tun. Es geht um ein gleiches Miteinander.


Pharma-Unternehmerin Hilda Helsinki Pfeiffer (Beglau) versucht, ihre Machtposition auch anders auszunutzen.
Welches Ventil nutzen Sie privat, um mit den Ungerechtigkeiten des Patriarchats umzugehen?
Ein gutes Ventil ist Theaterspielen. Dabei kann man schön seine Emotionen rauslassen.
Ich glaube, es gibt in der Tat andere Berufe, wo du dich nicht wehren kannst. In der kreativen Szene haben wir Mittel und eine Außenwirkung, wir können laut sein.
Ich finde auch wichtig, den jüngeren Frauen das Gefühl zu geben: Wenn du dich nicht traust, dann komm zu uns, wir können dir helfen.
Es gibt die These, die Welt wäre friedlicher, wenn mehr Frauen an der Macht wären.
Also ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich sehr gerne in Frauenteams arbeite. Es ist ein ruhigerer Umgang. Da macht es mehr Spaß, sich zu öffnen. Aber es kann auch sein, dass es an den jeweiligen Personen lag.
Bei mir war es umgekehrt. Ich hatte zwei Regisseurinnen, die sehr, sehr hart waren. Ich glaube, es würde sich vieles ändern, wenn wir eine wirkliche Gleichberechtigung hätten. Denn durch jedes Gefälle entsteht Macht und das Streben danach. Aber ob die Welt besser wäre, weiß ich nicht, denn wir haben noch ein ganz anderes Problem, das Kapitalismus heißt.
Andererseits legen gerade alte weiße Männer die Welt in Schutt und Asche.
Das Interessante ist, dass die auch von Frauen gestützt werden, die diese Repressalien wollen.
Das Matriarchat wäre also auch keine Lösung?
Das können wir nicht einmal philosophisch beantworten, weil wir es uns gar nicht vorstellen können.
Würden die Männer tatsächlich aussterben, was würde Ihnen am meisten fehlen?
Die Männer! Die guten Männer.
Ich würde sie auch sehr vermissen.



