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Designerin Jil Sander und "Queen Of Less" im Portrait

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Jil sander Store in Hamburg

Jil Sander Store in Hamburg

©IMAGO / Hoch Zwei Stock/Angerer
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Die norddeutsche Designerin Jil Sander revolutionierte die Damenmode mit ihren minimalistischen Designs. Bis heute setzt die Luxusmarke auf schlichtes Understatement: Klare Linien, Designs und zeitlose Farben prägen die Mode des Labels.

1967 verkaufte eine junge Frau namens Heidi ihr Auto, um anschließend einen Kredit von 200.000 DM aufzunehmen. Ihr Ziel: Eine eigene Modeboutique namens Jil Sander in Hamburg eröffnen. Zunächst verkaufte sie ausschließlich Pariser Designermarken doch langsam kamen auch eigene Kreationen hinzu. Und auch wenn die Designerin anfangs nicht immer auf Zuspruch stieß und Kritik einstecken musste, gelang es ihr dennoch mit ihrer minimalistischen Mode auf sich aufmerksam zu machen.

So war es etwa auch Jil Sander, die mit ihren leicht kombinierbaren Pieces und der Erfindung des "Zwiebel-Looks" schon bald weltberühmt wurde. Edle Stoffe, klare Linien, schlichte Farben, keine verspielten Details – bis heute zeichnen diese Attribute ihre Mode aus. Keiner anderen deutschen Designerin gelang es bislang, die Modewelt mit ihrem Stil derart nachhaltig zu beeinflussen. Doch wie hat sie das überhaupt geschafft?

Steckbrief: Jil Sander

Steckbrief

Jil Sander

geboren
27.11.1943
Geburtsort
Hedwigenkoog
Aktuelle Position
Modedesignerin
Ausbildung

Textilingenieur-Studium

Familienstand & Kinder

Partnerin: Angelica "Dickie" Mommsen († 2014)

Beschreibung

Bürgerlicher Name: Heidemarie Jiline Sander

Sternzeichen

Schütze

Wohnorte

Schleswig-Holstein, Berlin und Ibiza

5 spannende Fakten über Jil Sander

  • Ein dunkelblauer, schmal geschnittener Rollkragenpullover, eine passende Stifthose und klobige Loafer: Das ist die Uniform, der die Designerin seit Jahren treu ist. Selbst im hohen Alter ändert sie ihren Stil nicht. Generell ist Jil Sander für ihr schlicht-zurückhaltendes Auftreten bekannt. Außer einer Rolex-Armbanduhr trägt sie keinen Schmuck, zu ihren Hobbys zählen die Gartenarbeit und das Sammeln von Gegenwartskunst.

  • Jil Sander ist nicht nur eine begnadete Designerin, sondern auch eine kluge Geschäftsfrau: 1989 führte sie ihre Firma als erste Frau in Deutschland im Vorstand eines Aktienunternehmens an die Börse. Ende 2006 wurde das Unternehmen jedoch durch ein Delisting von der Börse genommen.

  • Die berühmte Designerin hat auch eine enge Verbindung zu Wien: Denn von 1983 bis 1985 übernahm sie als Hochschullehrerin im Bereich Modedesign die Leitung der Modeklasse an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Ihr Vorgänger dort war niemand geringerer als Karl Lagerfeld gewesen.

  • Auch wenn sie selbst vielleicht nicht zustimmen würde, dass sie den Hosenanzug für Damen erfunden hat, so ist doch unbestritten, dass Jil Sander mit ihrem Designtalent wesentlich dazu beigetragen hat, dass sich Frauen in Anzügen ebenso wohl und nicht verkleidet fühlen. Denn die vermeintlich männlichen Elemente des Anzugs schneiderte sie gekonnt einfach um.

  • Die Mode-Bewegung "Quiet Luxury" erfreut sich gerade größter Beliebtheit – und speziell die Marke Jil Sander kann hier mit ihren schlichten aber hochwertigen Designs punkten. Aber auch viele andere Labels sind vom Minimalismus und der Mode Jil Sanders inspiriert. Dazu zählen etwa "The Row", "Peter Do", "Calvin Klein" oder Celine (unter Phoebe Philo). Besonders in Krisenzeiten gewinnt zurückhaltende Mode an Bedeutung, nicht umsonst fiel die erste Zusammenarbeit von Uniqlo und Jil Sander in die Zeit nach der großen Finanzkrise 2009: Langlebige, zeitlose Mode zu einem attraktiven Preis war damals ein Erfolgsgarant.

Jil Sander: Wie alles begann

Heidemarie Jiline Sander, wie Jil Sander mit vollem Namen heißt, wurde am 27. November 1943 im Bundesland Schleswig-Holstein in Deutschland geboren. Aufgewachsen mit ihrer Mutter und deren zweitem Ehemann im Hamburg der 50er Jahre neigte Jil schon früh dazu, Familie und Freund modisch zu beraten.

Nach dem Schulabschluss zog es die zurückhaltende junge Frau ins Studium zur Textilingenieurin, wobei sie mit 18 Jahren ein Auslandssemester am University College in Los Angeles verbrachte. Anschließend ging sie nach New York City, wo sie nach dem Studium für einige Zeit bei der Frauenzeitschrift "McCall's" als Redaktionsassistentin arbeitete.

Ab 1963 kehrte sie schließlich nach Deutschland zurück und arbeitete auch dort als Moderedakteurin für Magazine wie Constanze und Petra. Doch aufgrund ihrer großen Leidenschaft für Design wollte sie mehr, denn die Mode der damaligen Zeit überzeugte die junge Frau nicht: Zu viele Schnörkel, zu viele Rüschen, zu viele verspielte Details.

Mit Anfang 20 verkaufte sie ihren VW-Käfer und nahm einen Kredit von 200.000 DM auf. Mit dem Geld eröffnete sie 1968 ihre erste eigene Boutique im aufstrebenden Hamburger Stadtteil Pöseldorf. Statt ihre Boutique "Heidi Sander" zu nennen entschied sie sich für eine Abkürzung ihres Zweitnamens: Die Jil Sander GmbH war geboren und sollte verdeutlichen, worum es in puncto Mode ging – nämlich um Stärke und Klarheit in Form von androgyner und eleganter Mode mit funktionellem Schnitt.

Ich konnte es doch nicht 'Heidi Sander' nennen, das klingt so deutsch, so süß.

Jil SanderModedesignerin

1975 präsentierte Jil Sander ihre Mode erstmals in Paris

In ihrer schwarz lackierten Boutique gab es zunächst auch fremde Entwürfe – etwa von Pariser Designerin wie Sonia Rykiel oder Thierry Mugler zu kaufen. Ab 1973 bot sie auch ihre eigene Mode an. Dabei setzte Jil Sander auf funktionales Understatement in zurückhaltenden Farben. Zum Einsatz kamen ausschließlich feinste Materialien wie Wollstoffe, Seide, Kaschmir oder Leinen.

Es gibt von allem zu viel. Was fehlt, sind Visionen und eine selbstverständliche Modernität. Entscheidend bei der Mode ist, ob man sich wohl in ihr fühlt!

Jil SanderModedesignerin

1975 präsentierte Jil Sander ihre Mode erstmals auf der Pariser Fashion Week, doch die Kritiker:innen waren wenig begeistert. Der Grund: Mit ihren Designs wandte sich die Jungdesignerin gegen den Zeitgeschmack der damaligen Mode, welcher pompöse Kleider, schrille Muster und bunte Farben bevorzugte. Erst ab dem darauffolgenden Jahr gelang ihr mit dem sogenannten "Zwiebellook", der aus hochwertigen Materialien bestand und ab den 80er Jahren besonders bei berufstätigen Frauen Anklang fand, der internationale Durchbruch.

Ein lukrativer Deal ermöglichte die Expansion von Jil Sander

Wenn man sich selbstständig macht, sind speziell die Anfangsjahre oftmals nicht leicht. Doch Jil Sander bewies schon früh Geschäftssinn: Dank einer lukrativen Parfüm-Lizenz konnte sie ihre ersten Jahre als eigenständige Modedesignerin sehr gut meistern.

In Zusammenarbeit mit dem Kosmetikhersteller Lancaster erweiterte sie ihre Produktpalette um die Duft- und Pflegeserie "Jil Sander Woman Pure". Speziell die Werbung für ihr Parfüm war damals revolutionär, denn die Designerin bewarb das Produkt mit ihrem eigenen Gesicht.

Nie zuvor hatte eine Designerin sich selbst als Testimonial vermarktet, doch Jil – die sonst sehr auf ihre Privatsphäre bedacht ist und nur selten Interviews gibt – tat es in erster Linie aus Kostengründen und um den Kund:innen zu signalisieren, dass sie selbst hinter ihren Produkten steht. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Designerin selbst auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Der Parfüm-Deal zahlte sich finanziell jedenfalls aus: Die Parfums avancierten zu Verkaufsschlagern und ebneten den Weg für die Expansion des Unternehmens. 1981 folgte auch das erste Herrenparfüm namens Jil Sander Man Pure.

In den 90ern stieg Jil Sander in den Modeolymp auf

Ab 1981 präsentierte Jil Sander ihre puristische sowie elegante Mode bei den Mailänder Modenschauen, wo sie vorwiegend auf italienische und asiatische Käufer:innen trifft. Die Blütezeit der Marke Jil Sander beginnt! Egal ob Kaschmirmäntel, scharf geschnittene Blazer oder navyfarbene Pullover: Jil Sander designte in erster Linie für Frauen, die wie sie mitten im Leben standen und unabhängig waren. Die von ihr entworfene Garderobe sollte genau das unterstreichen, die Trägerin elegant und selbstbewusst wirken lassen – und keinesfalls wie das dekorative Anhängsel eines vermögenden Ehemannes.

Ihre Vision für moderne Frauenmode wurde langsam aber sicher Wirklichkeit und ab den 90er Jahren prägte der Minimalismus die Mode auf den Straßen von Manhattan. Bankerinnen, Anwältinnen oder Galeristinnen waren plötzlich von Kopf bis Fuß in monochrome Stücke gehüllt. Selbst auf den roten Teppichen wählten Schauspielerinnen nun schlichte schwarze Kleider, deren erlesene Verarbeitung mehr Eleganz ausstrahlte als so manche pompöse Robe.

Der Erfolg gab ihrer Vision jedenfalls recht: Weltweit entstanden Jil-Sander-Flagship- und Franchise-Stores – darunter auch in asiatischen Metropolen wie Tokio, Hongkong und Taipeh. Ab 1997 vertrieb Jil Sander auch eine Männerlinie, die bald 20 Prozent des Konzernumsatzes ausmachte.

Für ihre Werbekampagnen engagierte das Luxusmodehaus erfolgreiche Models wie Linda Evangelista, Amber Valetta oder Tatjana Patitz mit ebenso berühmten Fotografen wie etwa Peter Lindbergh. Die daraus resultierenden Bilder sind von solch einer unsterblichen Ästhetik, dass sie selbst heute noch in Ausstellungen gezeigt oder in Büchern gedruckt werden.

1999 läutete den Wendepunkt für Jil Sander ein

Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere suchte Jil Sander nach einem finanzkräftigen Partner, um mehr Zeit für die kreative Arbeit zu haben und ihre Accessoire-Linie auszubauen. Diesen Partner fand sie schließlich in der italienischen Prada-Gruppe. Doch die Differenzen zwischen dem temperamentvollen Patrizio Bertelli und der kühlen Hamburger Designerin waren zu groß und somit verließ Jil Sander in Folge dessen im Jahr 2000 ihr eigenes Unternehmen.

Als ihre Nachfolge wurde der Designer Milan Vukmirovic doch mit seinen kommerziellen Kollektionen vergraulte er alte Jil Sander-Fans. Das Unternehmen schrieb rote Zahlen, was zur Folge hatte, dass Jil Sander von 2003 bis 2004 wieder als Chefdesignerin arbeitete. Doch auch diesmal gab es Unstimmigkeiten: Sander und Bertelli schafften es nicht, bezüglich der strategischen Ausrichtung des Unternehmens eine gemeinsame Linie zu finden und so verließ die Hamburgerin das Unternehmen erneut.

Jil Sander in der jüngeren Vergangenheit

Mitte 2005 feierte niemand Geringerer als Raf Simons (Anmerkung: neben Miuccia Prada ist er derzeitiger Chef-Designer von Prada) seinen Design-Einstand bei Jil Sander. In der Folge wurde er besonders für seine Damen-Kollektionen von der Presse gelobt. Zwar gelang es dem Designer, den Stil von Jil Sander in den Kollektionen weiter zu führen, trotzdem konnten die Verkaufszahlen nicht stabilisiert werden und Prada verkaufte Jil Sander.

Nach etlichen Eigentümer-Wechseln, kaufte im Jahr 2021 schließlich der Luxuskonzern OTB (Only The Brave), zudem auch die Modemarke Diesel gehört, das Modehaus Jil Sander. Mittlerweile befindet sich der Firmensitz von Jil Sander in Mailand. Seit April 2017 zeichnet das Designer-Ehepaar Lucie und Luke Meier für die kreative Ausrichtung der Marke verantwortlich.

Heute werden unter dem Markennamen Jil Sander nicht nur Mode für Männer und Frauen vertrieben, sondern auch Accessoires wie Brillen werden seit 1984 regelmäßig verkauft. Zudem gibt es noch die Kosmetik-Linie "Jil Sander Cosmetics" und seit 2019 die "Jil Sander +"-Linie für Outdoor-Bekleidung.

2012 kehrte Jil Sander ein letztes Mal zum von ihr gegründeten Unternehmen zurück

Nach einer fünfjährigen Pause erschien Jil Sander im Frühjahr 2009 wieder auf der Bildfläche der Modewelt. Als Kreativdirektorin der japanischen Bekleidungs-Kette "Uniqlo" entwarf sie fast drei Jahre lang eine Mode-Kollektion namens "J+" für Damen und Herren im typischen Jil Sander-Stil, allerdings im niedrigen Preissegment.

Im März 2011 wurde eine ihrer Kollektionen sogar mit dem renommierten Brit Insurance Design Award ausgezeichnet. Im Herbst 2011 wurde die Zusammenarbeit mit "Uniqlo" beendet, ab 2020 präsentierte der japanische Fast-Fashion-Riese aber erneut Kollektionen von Jil Sander.

Im Februar 2012 kehrte Jil Sander ein letztes Mal in das von ihr gegründete Unternehmen als Kreativdirektorin zurück. Kritiker:innen lobten sowohl ihre Männer- als auch ihre Damen-Kollektionen. Doch das Gastspiel sollte nur kurz sein: Im Herbst 2013 zog sich Jil Sander endgültig aus dem Unternehmen zurück. Der Grund: Ihre Lebenspartnerin, Angelica "Dicky" Mommsen, erkrankte an Krebs und starb 2014 an den Folgen der Erkrankung mit 72 Jahren. Danach wurde es recht ruhig um die Designerin, die Wohnsitze in Plön (Schleswig-Holstein), Berlin und auf Ibiza hat. 2017 trat sie im Rahmen ihrer Ausstellung "Präsens" im Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt wieder in der Öffentlichkeit auf. Am 27. November 2023 feierte die legendäre Designerin ihren 80. Geburtstag.

© IMAGO / Pond5 Images
Jil Sander S.p.A.

Fashion

OTB S.p.A.
Gehört zu
1968
Gründungsjahr
Mailand, Italien
Firmensitz
Jil Sander (Heidemarie Jiline Sander)
Gründerin

Luca Lo Curzio
CEO
Lucie und Luke Meier
Kreativdirektoren
11,3 Mrd. Yen (ca. 87 Mio. Euro)
Markenumsatz (2019)
Designer:innenInternationalLuxus-Modemarken

Über die Autor:innen

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