
Mit 79 noch Unterwäsche-Testimonial? Why not, sagt Marianne Kohn, Wiener Punk-Ikone und neuerdings auch Model für Palmers. Wir haben sie mit Tochter Nicole Pascher zum gemeinsamen Talk getroffen. Über Gegensätze, "Wampen" und schräge Dates.
"Schädelweh habe ich. Wie noch nie im Leben! Hast eine Kopfwehtablette? Oder einen Kaffee?", fragt Marianne Kohn sichtlich erschöpft und lässt sich seufzend auf der Eckbank nieder. Es ist drei Uhr nachmittags, draußen scheint noch die Sonne. Hier in der schummrigen Loos Bar im 1. Bezirk sind schon ein paar Gäste eingetroffen, um das bald schwächer werdende Tageslicht mit einem Drink zu begießen. Barchef Milen serviert seiner Vorgesetzten einen Milchkaffee, da geht auch schon die Tür auf, und Nicole Pascher stürmt dynamisch zu unserem Tisch. "Ah, das Kind ist da", kommentiert Kohn den Auftritt ihrer Tochter. "Du warst einmal pünktlich? Bei mir bist du nie pünktlich!", stichelt Pascher und lacht zu ihrer Mutter, die kopfschüttelnd im Kaffee herumrührt und die Augen verdreht. Na, das geht ja schon gut los – was für ein ungleiches Mutter-Tochter-Gespann! Marianne Kohn, 79, Chefin der Loos Bar, eine Legende im Wiener Nachtleben: Minirock, wildes Blumenmuster, Cowboyboots und Tattoos, wohin das Auge reicht. Nicole Pascher, 53, der sportliche Gegenentwurf: In Jeans und T-Shirt kommt die Dreifachmutter gerade von einer Trainingssession aus ihrem Studio – sie ist seit über 30 Jahren erfolgreich in der Fitnessbranche unterwegs und hat mit dem Kangatraining sogar ein eigenes Workout für Mütter und ihre Babys erfunden.
Der Grund unseres Treffens? Marianne Kohn ist gerade in der neuen #endofsorry-Kampagne von Palmers zu sehen und als Testimonial dafür im Einsatz. In schwarzen, sexy Dessous ist die coole Barchefin österreichweit zu bewundern. Mit der Kampfansage "End of Sorry" möchte das Unternehmen zeigen, dass sich Frauen auch mit 79 in ihrer Haut wohlfühlen dürfen, nichts verstecken und erst recht sich nicht dafür entschuldigen müssen. Wofür auch? "Männer tun das ja auch nicht. Die kommen bei mir rein ins Lokal mit einer Wampe, als wären sie im achten Monat schwanger, und fühlen sich großartig. Die entschuldigen sich auch nicht dafür. Also warum sollen wir es machen?", meint Kohn, die sich noch nie ein Blatt vor den Mund genommen hat. Sie war sowieso schon immer eine, die sich nix scheißt und ihr Ding durchzieht. Eine, die sich nie unterordnet und immer das tut, woran sie glaubt. "Ich bin schon angefeindet worden, weil ich halt immer sage, was ich denke."
Aber zurück zur Unterwäsche! BHs trägt Kohn so gut wie nie. "Finde ich unbequem. Kommt mir immer vor, als hätte ich eine Rüstung an." Da funkt auch schon Pascher energisch dazwischen und stellt für ihre Mutter klar: "So Dessous sind ja zum Aufreißen eines Mannes, den du erstens nicht hast und zweitens gar nicht willst." Vor ein paar Jahren war das noch anders. Da machte die langjährige Singlefrau Kohn bei einer Verkuppel-Aktion der "Kronen Zeitung" mit: "Ich wollte einen jungen Mann mit einem Schloss finden. Einen Tierschützer, der mir den Traum eines eigenen Tierheims erfüllt“, schmunzelt sie. "Gemeldet hat sich aber niemand", so das Fazit. "Die Mama war aber auch mal auf Tinder!", lacht Pascher. Kohn schreit: "Nie wieder! Das war wirklich Hardcore. Einen habe ich getroffen, der ist auf dem Motorrad gekommen, war sehr jung, aber irgendwie ein kompletter Prolo. Ich bin geflüchtet."
An die Liebe glaubt die 79-Jährige nicht mehr. "Ich hatte eh so viele Trotteln in meinem Leben, das reicht. Heute spüre ich überhaupt keinen Drang mehr, nicht mal mehr einen Sexdrang. Ich bin komplett frei. Wenn ich Gesellschaft brauche, gehe ich in die Loos Bar. Mit dem Alleinsein habe ich wirklich kein Problem." Die Tochter widerspricht energisch: "Also bitte, so ist das auch wieder nicht. Jedes Mal, wenn du länger allein bist, kriegst du die Krise und rufst mich an." Kohn lacht und schüttelt den Kopf: "Aber heuer ziehe ich das durch in den Weihnachtsfeiertagen. Ich bin ja eh nicht so der Weihnachtsmensch." Dazu ergänzt Pascher: "Mama liebt Geschenke. Und sie schenkt gerne – das ist ihre Sprache der Liebe. Weil sie als Kind nie was gekriegt hat."– "Nicole, das stimmt nicht. Geschenke sind dir viel wichtiger als mir!" – "Nein!" – "JA!!!"– "DOCH!!!" "Na gut, dann kriegst heuer nix von mir", beendet Kohn die Diskussion und trinkt schmollend einen Schluck Kaffee.


"Sie war nie so eine typische Mutter"
Themenwechsel: Was war die wichtigste Lektion, die sie voneinander gelernt haben? "Von den vielen Erziehungsmaßnahmen, die meine Mama nicht gemacht hat, fällt mir nur ein, dass sie immer zu mir gesagt hat: ,Schau, dass du nie von jemandem finanziell abhängig bist‘", erinnert sich Pascher. Auch Kohn war ihre persönliche Freiheit schon immer das höchste Gut. Sie war stets ihre eigene Chefin. In der Nacht arbeitete sie in Bars, untertags war ihre Tochter Nummer eins. Wobei: "Sie war nie so eine typische Mutter. Sie hat nie gekocht, zu Hause gab’s immer nur Cola und Milch – die Grundnahrungsmittel meiner Mama. Meine Kinder sind heute sehr streng erzogen, das ist mir im Gegensatz zu ihr schon wichtig", betont Pascher, die mit einem Unternehmer verheiratet ist und drei Kinder im Alter von 25, 23 und 16 hat. "Ich mag halt keine Arschlochkinder", sagt Kohn lapidar. "Von Nicole habe ich aber gelernt, dass man Kinder schon auch lieb haben kann. Meine Enkel sind wahnsinnig lieb." Die beiden verbindet jedoch auch eine ausgeprägte Tierliebe – Kohn selbst besitzt drei Hunde, Pascher zwei. "Sie haben mir immer wieder das Leben gerettet. Ohne meine Vierbeiner wäre ich nie aus dem Bett gekommen, wenn ich bis vier in der Früh in der Bar gearbeitet habe." Beide haben sogar einen Tierschutzverein gegründet.
"Wir sind Macherinnen. Ich könnte niemals faul rumliegen und nix tun", erklärt Pascher ihre Lebensphilosophie. Ihr Vater, Mariannes Expartner, der Staranwalt Rudolf Mayer, tickt ähnlich: "Der arbeitet mit 78 auch noch als Strafverteidiger und ist sehr aktiv. Nächstes Jahr wollen wir wieder bergsteigen gehen. Er sagt immer: ‚Die Pension ist das Wartezimmer des Todes‘", lacht die Unternehmerin und stupst ihre Mama an: "Hörst du mir überhaupt noch zu?! Du bist eine Macherin, Mama!!" Kohn dazu: "Jaja, passt schon. Ich wollte nie was besitzen. Das hat mich nicht interessiert. Nicht einmal die Loos Bar gehört mir, ich bin nur die Betreiberin. Hier kann ich machen, was ich will. Es ist ja eh alles so mühsam geworden. Die Leute gehen mir ziemlich schnell auf die Nerven", sagt sie und grinst ihre Tochter an.
Diagnose: Eierstockkrebs
2010 erkrankte Kohn an Eierstockkrebs. Eine Diagnose, die ihr Leben auf den Kopf stellte. Aber sie kämpfte sich durch. "Meine Mama hat nicht einmal gejammert. Wir haben ihr vor der Chemotherapie noch mit einer Nagelschere die Haare geschnitten, daran kann ich mich noch erinnern. Ich bin stolz auf sie. Sie hasst ja kranke Menschen." Was sich für sie seitdem verändert hat? Kohn trennte sich von Menschen, die ihr nicht guttaten. Mit ihrer Tochter wurde sie allerdings noch enger, "familienbezogener", beschreibt Pascher. Zwei Wochen nach Kohns Krebsdiagnose wurde auch bei Pascher dieselbe Genmutation festgestellt – sie ließ sich vorsorglich Eierstöcke und beide Brüste entfernen. "Dass ich meiner Tochter die Krankheit vererbt habe, war für mich fürchterlich. Ich bin mir vorgekommen wie eine Mörderin", sagt Kohn mit gedämpfter Stimme. "Geh bitte, Mama, jetzt übertreib mal nicht. Die dünnen Haare hast du mir ja auch vererbt. Na und?" – "Die hast du nicht von mir, sondern vom Papa", lacht sie wieder und rutscht zur Tochter. Zeit für ein Foto! Könnt ihr noch näher zusammenrücken? "Na jetzt bitte, ein Bussl geben ma uns aber sicher nicht!?", brüllt Marianne durchs Lokal, packt ihre Sachen und verabschiedet sich. "Die Hunde warten!"