
Sein rebellischer Geist eilte Robbie Williams lange voraus. Jetzt zeigt der Sänger, was bisher im Verborgenen blieb: sein Seelenleben, gezeichnet von Ängsten, Süchten, Selbstzweifel. Im Film "Better Man"und im exklusiven Interview mit dem Weltstar lernen wir einen vielschichtigen Menschen kennen, der weit mehr ist als ein hervorragender Entertainer.
Natürlich überlässt man bei einem Star wie Robbie Williams nichts dem Zufall. Zuerst kommt ein schriftliches Briefing von seinem Team, dann ein mündliches zu Ablauf und Themen. Dabei ist er dann total locker: "Hello Stephanie, wie geht es dir?", begrüßt er mich via Zoom mit charmantem Lächeln, noch bevor ich überhaupt die Chance hatte, mich vorzustellen. Robbie Williams ist bestens vorbereitet, er scherzt während unseres Gesprächs ("Das wäre doch eine gute Headline, oder?") und zeigt sich nahbar, ehrlich und verletzlich. Eine ungeschönte Offenheit, die auch seine Filmbiografie "Better Man" (Kinostart: 2.1.) prägt.
Ich glaube, Leute verstehen heute, dass nicht alles so ist, wie es scheint. Erfolg kann berauschend sein. Aber damit umzugehen, ist etwas anderes.
Diese ist weit mehr als ein Rückblick auf Erfolge: Es ist eine Geschichte von Resilienz und dem Streben nach Erfüllung. Eine Erzählung von Höhen und Tiefen. Drogen, Selbstzweifel und lähmender Angst – dunkle Kapitel, die seine Zeit bei der Boyband Take That (Williams war erst 15 Jahre alt, als er Teil davon wurde) und auch die spätere Solokarriere des Briten überschatten. 18 Monate lang sprach der heute 50-Jährige (im Film von Jonno Davies als computergenerierter Affe dargestellt) mit Regisseur Michael Gracey ("The Greatest Showman") über seine inneren Konflikte und Beziehungen sowie über den Preis, den der Ruhm fordert. Entstanden ist ein visuelles und musikalisches Porträt, das gleichermaßen berührt und begeistert – auch den Star selbst: "Der Film übertrifft alles, was ich mir je vorstellen konnte!"
Herr Williams, Sie sind dieses Jahr 50 geworden. War es an der Zeit und Ihr Traum, Ihr Leben zu verfilmen?
Ich glaube, das Universum hat entschieden, einen Film über mein Leben zu machen. War das mein Traum? Ehrlich gesagt, nein. Ich hätte nie gedacht, dass Menschen einen Film über mein Leben sehen wollen – zumindest nicht auf dem Niveau, das dieser Film erreicht hat, und mit dem Gewicht, das dahintersteckt. Alles, was ich weiß, ist: Das Universum meint es wieder gut mit mir, und ich bin dankbar, in den Köpfen der Menschen zu sein. Schließlich bin ich ein professioneller Aufmerksamkeitssucher – das ist mein Job. Ohne Aufmerksamkeit macht er weniger Spaß.
In "Better Man" werden Sie als Affe dargestellt. Wie kam es dazu? In unserer westlichen Wahrnehmung wird der Affe ja oft mit albernem Verhalten assoziiert …
Als mir Michael Gracey, der Regisseur des Films, von seiner Idee erzählte, wollte ich schon zustimmen, bevor er den Satz beendet hatte. Ich fange erst jetzt, wo mir Fragen zum Film gestellt werden, an, diese Affenfigur zu hinterfragen. Die eigentliche Antwort ist: Es war einfach eine verdammt gute Idee! Aber jetzt soll ich das intellektualisieren, und ehrlich gesagt möchte ich das gar nicht. Es macht Spaß, es ist gewagt, es ist kreativ! Und es funktioniert auch auf anderen Ebenen, weil das Tierische Mitgefühl und Empathie weckt. Vielleicht berührt es sogar mehr, als wenn es nur ein Mensch wäre, der einen Menschen spielt.
Der Film ist auch ein tänzerisches und musikalisches Spektakel. Welcher Ihrer Songs berührt Sie besonders?
"She’s the One" – wegen der Geschichte dahinter. Es gibt diese Liebesgeschichte und einen Teil meines Lebens, auf den ich nicht stolz bin, weil ich damals der Böse war. Im restlichen Teil des Films hatte ich das Gefühl, dass die anderen mich verletzen und mir schaden wollten. Aber was Nic (All-Saints-Sängerin Nicole Appleton, Anm.) betrifft, so hat sie nichts Schlimmes gemacht. Sie ist ein außergewöhnlicher Mensch, und ich mag nicht, wer ich damals war.
Auch die Beziehung zu Ihrem Vater, der selbst Sänger ist, spielt eine zentrale Rolle. Sie war permanent geprägt von der Suche nach Anerkennung und Nähe.
Ja, seine Darstellung und die unserer Beziehung gehört zu einem der schwierigsten Aspekte des Films für mich. Auch wenn sich damals alles so angefühlt hat, wie es gezeigt wird: Mein Vater ist ein unglaublich liebenswerter, charmanter und angenehmer Mensch. Es ist schwer, sich diese Szenen anzusehen, weil sie einen Teil unserer Beziehung zeigen, der von uns beiden nie wirklich aufgearbeitet wurde.


"Better Man" offenbart die düstere Realität des Popstars (gespielt von Jonno Davies als lebensechter 3D-Affe) – von persönlichen und psychologischen Abgründen bis zu turbulenten (Liebes-)Beziehungen, etwa mit Sängerin Nicole Appleton (dargestellt von Raechelle Banno).
© Constantin FilmIhr Vater war es auch, der Ihnen die Swing-Musik näherbrachte. Diese und Interpreten wie Frank Sinatra beeinflussten Ihre Songs maßgeblich. Wer ist heute Ihr Idol?
Ich schätze niemanden mehr so wie früher, weil ich erkannt habe, dass wir alle Menschen sind, dass wir alle fehlbar sind und dass wir in Grauzonen existieren. Wir sind weder ganz gut noch ganz schlecht. Außerdem sind all die Menschen, vor denen ich früher Ehrfurcht hatte, inzwischen tot. Meine Helden sind heute meine Kinder und meine Frau. Das wäre doch auch ein guter Titel für Sie, oder? (lacht)
Generell wirkt das Leben im Rampenlicht immer sehr glamourös. In "Better Man" geht es aber vor allem um die Schattenseiten, um Drogen, Alkohol, Verlust, Depression. Ist dieses Leben eigentlich kein beneidenswertes?
Ich glaube, die Leute verstehen heutzutage, dass nicht alles so ist, wie es scheint. Erfolg – weniger der Ruhm – kann berauschend sein. Aber damit umzugehen, ist etwas anderes. Ich würde niemandem davon abraten, es zu versuchen, aber ich würde auch niemanden dazu ermutigen, blindlings darauf zuzurennen. Es ist nicht das, was man sich vorstellt.
Ist es ein Trugschluss, dass Ruhm glücklich macht?
Erfolg ist toll. Ruhm hingegen macht psychisch krank. Und er verschlimmert Probleme.
Gibt es heute eine andere gesellschaftliche Wahrnehmung und mediale Darstellung rund um Themen wie Depression und mentale Gesundheit? Vor allem auch bei Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen?
Heutzutage ist es gesellschaftlich erlaubt, offen über psychische Probleme zu sprechen. Auch die Medien haben sich gezwungenermaßen angepasst, da es eine Welle von Menschen gibt, die ihre Erfahrungen mit psychischen Krankheiten teilen. Diese Offenheit hat dazu geführt, dass solche Themen nicht mehr tabuisiert werden können. Früher hat man oft mit Unverständnis reagiert, wenn jemand zugab, dass er mental zu kämpfen hat – nach dem Motto: Wie kannst du nur? Heute sind Empathie und Verständnis in diesem Bereich deutlich gewachsen.


© Constantin Film
Sie plagten stets Ängste speziell vor Auftritten. Blieb Ihnen dennoch einer nachdrücklich in Erinnerung?
Nein. Ich bin schon Hunderte, wenn nicht Tausende Male auf der Bühne gestanden. Die Leute vergessen, was man sagt, aber sie vergessen nicht, was sie fühlen. Wenn mich zum Beispiel jemand fragt, wo ich am liebsten performe, sage ich Österreich, weil ich mich in Österreich wohlgefühlt habe. Und dann gibt es noch Australien oder Deutschland, die ich ebenso gerne besuche. Kann ich mich an die Auftritte erinnern? Nein. Kann ich mich daran erinnern, wie ich mich vor dem Publikum gefühlt habe? Ja.
Haben Sie einen Rat an junge Künstler:innen?
Wenn ich ein:e junge:r Künstler:in wäre, würde ich keinen Rat von jemandem wie mir annehmen. Ich würde sagen: Geht raus, macht eure eigenen Fehler und lernt daraus.
Sie haben Weltrekorde aufgestellt, die Charts dominiert, eine Doku gedreht, jetzt der Film. Haben Sie eigentlich noch Wünsche für Ihre berufliche Karriere?
Mehr als je zuvor! Ich möchte Hotels bauen, Universitäten gründen. Ich will Gutes tun. Ich bin empathisch und möchte, dass es Menschen gut geht. Ich weiß noch nicht, wie das aussehen wird, aber wenn ich lange genug lebe, werde ich etwas tun, das wichtiger ist als Ruhm und Musik.