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Empathische Führung: Lunia Hara über Leadership der Zukunft

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12 min
Lunia Hara (@luniahara) ist mit 13 Geschwistern in einem Dorf in Simbabwe aufgewachsen. Mit zehn Jahren kam sie nach Deutschland und wurde zur Digitalstrategin.
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Lunia Hara ist Expertin für empathische Führung und weiß, was es braucht, um ein Team mit Stärke und Einfühlungsvermögen zu motivieren. Warum man sich dafür zuerst mit sich selbst beschäftigen muss? Hier lang ...

Seit fast 15 Jahren steht der Wandel der Arbeitswelt in Lunia Haras beruflichem Fokus. Die 39-Jährige ist Expertin für empathische Führung und Director of Project Management bei Diconium, einer Agentur für Digitale Transformation. Damit war immer auch der Lead diverser Teams verbunden. Diese Erfahrungen, aber auch jene mit teils unguten Chef:innen, haben sie vieles hinterfragen lassen, erzählt sie im Podcast "My Grand Story". Sie wollte wissen: "Welche Führungspersönlichkeit will ich eigentlich sein? Kann ich im Job nicht genauso authentisch, offen und agil wie im Privaten sein? Nicht auf Macht fokussiert. Ich habe mich immer mehr getraut, ich selbst zu sein." Natürlich müsse man sich dafür intensiv, manchmal schmerzlich mit sich selbst beschäftigen, die eigenen Werte, Verhaltensweisen, Ängste und auch die Kindheit reflektieren. Aber letztlich, sagt sie in unserem Talk: "Nur wer sich selbst führen kann, sieht, hört, wertschätzt seine Mitarbeiter:innen."

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Was bedeutet empathische Führung?

Lunia Hara

Eine Gallup-Studie im Jahr 2021 hat ergeben, dass die Beziehung zur Führungskraft der Hauptgrund ist, warum Mitarbeiter:innen Unternehmen verlassen. Da muss es doch umgekehrt auch möglich sein, sie mit einem besseren Leadership an sich zu binden, oder? Denn Angestellte kennen ihre Ansprüche viel genauer und formulieren sie klarer als früher. Sie möchten gesehen werden und wissen, dass Vorgesetzte sie und ihre Bedürfnisse wahrnehmen. Andernfalls verschließen sie sich oder strafen Unternehmen ab, indem sie kündigen. Empathische Leader:innen ermöglichen ihren Kolleg:innen, dass sie sich an ihrem Arbeitsplatz nicht nur fachlich, sondern auch persönlich entfalten können.

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Wovon braucht es also in den Chefetagen mehr?

Lunia Hara

Es braucht mehr von einem Stil, der integrativ, einfühlsam und kooperativ ist, der den Menschen in den Mittelpunkt rückt. Kurzum, empathische Führung. Sie erfüllt die Anforderungen unserer Zeit und zielt nicht nur darauf ab, dass Mitarbeiter:innen zur Leistung und zum Gewinn des Unternehmens beitragen, sondern auch darauf, dass sie sich erfolgreich fühlen. Dadurch entsteht eine tiefere Verbindung zwischen Unternehmen, Team und Führungskraft. Diese Verbindung ist entscheidend, besonders in Zeiten des Fachkräftemangels und der Überlegungen zur Zukunftsfähigkeit einer Firma. Die wichtigste Botschaft nehme ich gleich vorweg. Das Herzstück der empathischen Führung ist – Achtung – nicht Empathie selbst, sondern Mitgefühl. Das ist der wahre Gamechanger.

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Ist Empathie nicht mit Mitgefühl gleichzusetzen?

Lunia Hara

Nein, obwohl es oft als Synonym verwendet wird. Empathie bedeutet, dass du zu einem gewissen Grad nachvollziehen kannst, was eine Person fühlt. Mitgefühl ist eine tiefere und aktivere Reaktion auf das Leiden anderer. Das heißt, man spürt verstärkt den Wunsch, dem anderen wirklich helfen zu wollen. Ein Beispiel: Eine Mitarbeiter:in möchte befördert werden. Die Chefin erkennt jedoch, dass die Person nicht so weit ist. Ein potenzieller Frust lässt sich nicht verhindern, aber eine Beförderung sollte nun mal mit einer entsprechenden Leistung verbunden sein. Also liegt der Fokus auf einer Minderung der Enttäuschung. Und hier können Führungskräfte mehr tun, als sie annehmen. Statt die Beförderung nüchtern abzulehnen, sollte der oder die Vorgesetzte erklären, weshalb der Aufstieg nicht genehmigt wird. Welche Fähigkeiten fehlen konkret? Welche Aufgaben wurden bisher nicht zufriedenstellend erledigt? Wo klafft die Lücke zwischen Ist und Soll auseinander? Zusätzlich wird ein Entwicklungsplan erstellt, der aufzeigt, wie das gewünschte Ziel erreicht werden kann. Das ist nicht nur die Basis für empathische Führung, sondern auch grundsätzlich für ein gutes Miteinander.

Es zahlt sich aus, in höhere Zufriedenheit, mehr Produktivität zu investieren.

Lunia HaraDigitalstrategin & Expertin für empathische Führung
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Schadet zu viel Empathie?

Lunia Hara

Es ist durchaus so, dass sie Führungskräfte emotional überfordern kann. Sie schaffen es nicht, offen und ehrlich zu sein oder notwendige Entscheidungen schnell zu fällen. Unangenehme Gespräche vermeiden sie oder schieben sie lange hinaus. Kurz, sie übernehmen keine Verantwortung. Das zeugt aber nicht von zu viel Empathie, sondern vom falschen Rollenverständnis einer Führungskraft. Zu ihren Aufgaben gehört nun mal auch, unerfreuliche Entscheidungen zu treffen oder schwieriges Feedback zu geben. Empathie ermöglicht aber, in diesen Situationen in eine bessere Kommunikation auf Augenhöhe zu gehen, die aufrichtig und nachvollziehbar ist. Das wiederum wird von Mitarbeitenden geschätzt.

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Löst eine Führung mit viel Einfühlungsvermögen alle Probleme?

Lunia Hara

Nein. Es hilft, Probleme auf zwischenmenschlicher Ebene besser einzuordnen und das Vorgehen darauf abzustimmen. Das kann, je nach Situation, individuelle Kommunikation oder Maßnahmen erfordern. Aber daneben braucht es weiterhin die bekannten Führungseigenschaften wie zum Beispiel Entscheidungsbereitschaft, Lösungsorientierung und Verantwortungsbewusstsein. Empathie hat nichts damit zu tun, soft oder nett zu sein. Im Gegenteil, es braucht Mut, Selbstvertrauen und Stärke, um als Vorgesetzte:r gut zu sein. Da in vielen Unternehmen noch das Verständnis von "Control and Order" herrscht, bedarf es Mut, sich offen für die Belange der Teams einzusetzen, und einer Portion Selbstbewusstsein, um sich Mitarbeiter:innen gegenüber offen und verletzlich zu zeigen.

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Kostet dieser Einsatz nicht zu viel Zeit?

Lunia Hara

Führungsarbeit an sich ist sehr intensiv. Aber es zahlt sich aus, in eine höhere Zufriedenheit, in mehr Produktivität, Vertrauen und Verbundenheit zu investieren. Ich denke, die Annahme, Leadership sei zeitaufwendig, kommt von Chef:innen, die sich nicht ausreichend ihren Leuten zuwenden. Die Vorgesetztenrolle wird einfach ergänzend zur alten Tätigkeit hinzugefügt. Die Managementarbeit wird gemacht, wenn alles andere erledigt ist. Es werden zum Beispiel regelmäßige Meetings nicht angeboten, ständig verschoben oder häufig abgesagt. Klar wirkt es dann wie lästige Mehrarbeit, wenn das Team auf sein Recht besteht, dass der oder die Vorgesetzte ihren Anliegen mehr Aufmerksamkeit widmen solle. Zeit ist eine Frage der Priorität.

Nur wer sich selbst führen kann, sieht, hört und wertschätzt seine Mitarbeiter:innen.

Lunia HaraDigitalstrategin & Expertin für empathische Führung
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Können vor allem Frauen empathisch leiten?

Lunia Hara

Sagen wir so: In einer nach wie vor von Männern dominierten Führungslandschaft wird empathisches Leadership oft mit Schwäche gleichgesetzt. Dabei geht es bei Führung nicht um "weich" oder "hart", sondern darum, als Kopf eines oder mehrerer Teams die Bedürfnisse der Kolleg:innen ernst zu nehmen und menschlich zu handeln. Frauen, die erfolgreich sein wollten, mussten ihre "weiche" Seite, die ich als menschliche bezeichne, unterdrücken. Es war verpönt und wurde mit Inkompetenz gleichgesetzt. Da braucht es viel Mut, als Frau unter vielen Männern auszuscheren.

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Was wollen Mitarbeiter:innen heute erreichen?

Lunia Hara

Früher hatten viele das Ziel, ein Haus, ein Boot, ein Pferd zu besitzen. Daran haben sie auch geglaubt. Das hat angespornt, mehr zu leisten, als für manch einen gut war. Es war allerdings ein Leistungsversprechen, das nur für wenige aufgegangen ist. Doch die Bedürfnisse verändern sich immer mehr. Heute steht man zu den Zielen Gesundheit, Familie, Freunde und Hobby. Jetzt müssen auch Führungskräfte auf die veränderten Gegebenheiten eingehen. Denn Angestellte wollen einen Sinn in ihrem Tun und dem des Unternehmens erkennen. Und keine diffusen Entlohnungsversprechen, sondern transparente Aussagen und dazugehörige Entwicklungspläne hören. Wenn das gegeben ist, ist man auch bereit, eine hohe Leistung zu bringen.

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Was braucht es, zusammenfassend, für einfühlsames Leadership?

Lunia Hara

Bleiben Sie immer respektvoll, auch wenn Sie mit Herausforderungen und anderen Standpunkten konfrontiert werden. Neugierde bewahren und niemals aufhören, dazuzulernen und aktiv zuzuhören. Mutig sein! Dabei stark für sich selbst, die eigenen, aber auch die Werte anderer eintreten. Einfühlsamkeit zeigen. Tragen Sie dazu bei, die Sorgen Ihrer Mitarbeiter:innen zu lindern, und nutzen Sie Ihren Einfluss, um Diskriminierung zu verhindern und einzudämmen. Nehmen Sie sich zwischendurch Zeit, um innezuhalten und zu reflektieren. Nur so können Sie auch etwas über sich selbst lernen. Immer fair bleiben! Sorgen Sie dafür, dass alle Teammitglieder die gleichen Chancen auf Wachstum und Entwicklung haben. Glauben Sie an Ihre Mitarbeiter:innen und ihre Visionen. Ermuntern Sie alle Beteiligten, ihre Stärken zu nutzen und leitende Positionen einzunehmen. Leben Sie Selbstfürsorge vor, und ermutigen Sie Ihre Teammitglieder, sich um ihre körperliche und geistige Gesundheit zu kümmern. Schaffen Sie Vertrauen durch Transparenz und Integrität, damit Mitarbeiter:innen wissen , dass sie sich in allen Situationen auf Sie verlassen können. Sie sind auch in schwierigen Zeiten da und bieten Unterstützung an, wenn diese benötigt wird, sowohl persönlich als auch beruflich.

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