
Zum Business-Marathon, auf Wellnessurlaub oder doch in den Escape Room: Was macht erfolgreiches Teambuilding aus? Wovon Unternehmen und ihre Mitarbeiter:innen langfristig wirklich profitieren und auf welche Aspekte es ankommt.
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Es gibt Situationen, in denen man seinen Kolleg: innen oder Vorgesetzten lieber nicht begegnen möchte. Schwitzend in der Sauna zum Beispiel. Oder mit hochrotem Kopf beim Sport. Auch verunsichert im Hochseilklettergarten baumelnd zählt dazu. Dennoch sind Klausuren mit Wellnessbereich oder Adventure-Aktivitäten im Zuge von Teambuilding-Events keine Seltenheit. Soziale Kontakte wie diese sollen die Kommunikation verbessern, das Vertrauen stärken und langfristig zu weniger Fluktuation in Unternehmen führen. Das Problem dabei: Ist die Planung nicht gut durchdacht, wird womöglich die Chance vertan, den Zusammenhalt im Unternehmen tatsächlich zu stärken – und zudem fehlinvestiert.
Nur: Was braucht es, damit Teambuilding-Events einen anhaltenden Afterglow erzeugen? Schon im Vorfeld sollte klar sein, was man damit überhaupt erreichen möchte, betont Paul Stanzenberger, Geschäftsführer von teamazing, einem österreichischen Unternehmen, das sich unter anderem mit der Konzeption von Teamevents beschäftigt: "Es macht einen Unterschied, ob beispielsweise gute Stimmung, das Kennenlernen neuer Kolleg:innen oder die Konflikttransformation im Fokus stehen. Warum man sich trifft, muss allen Teilnehmenden bewusst sein."


Paul Stanzenberger: Ist Mitgründer und Geschäftsführer von teamazing. Das Unternehmen mit Sitz in Graz, Wien und München konzipiert Online- und Offline-Teambuilding-Events und berät Unternehmen in Sachen New Work.
© Akos BurgArbeitspsychologin Christine Hoffmann liefert dafür konkrete Beispiele: "Ist das Ziel, das soziale Verantwortungsgefühl und das Sinnerleben zu fördern, kann gemeinsames Kochen für obdachlose Menschen hilfreich sein. Im Escape Room können kreative und logische Problemlösungsstrategien weiterentwickelt werden. Sollen Konflikte behoben oder nachhaltige Lösungen für konkrete Herausforderungen erarbeitet werden, empfehle ich professionell moderierte, psychologische Gruppen-Coachings und Workshops." Sie gibt zu bedenken: "Alles, was wirkt, hat auch Nebenwirkungen." Abraten würde Hoffmann deshalb von Aktivitäten, die Angst, Stress oder Scham auslösen könnten – wie etwa der eingangs können nur das Wir-Gefühl stärken, wenn sie tatsächliche Zusammenarbeit ermöglichen. Verbreitete Events erwähnte Besuch im Klettergarten. Hinzu kommt: "Team-Maßnahmen wie Go-Cart-Fahren und Bogenschießen sind Individual-Aktivitäten, fördern Rivalität und demotivieren jene, die schlecht abschneiden." Zudem rät die Didaktik-Expertin, die sich unter anderem mit Themen wie empathische Führung befasst, von Alkoholkonsum ab, "da durch die Enthemmung die Gefahr von sexueller Belästigung und Konflikten steigt." Die Teilnahme von Führungspersonen als Teil des Teams hält Hoffmann wiederum für essenziell.


Christine Hoffmann: Beschäftigt sich als Arbeitspsychologin u. a. mit der Frage, wie eine nachhaltige Teamentwicklung gelingen kann. In ihren Lehrgängen gibt die Didaktik-Expertin ihr Wissen zu Veränderungsprozessen weiter.
© dotsandlinesWarum in Teambuilding-Events investieren?
Neben Offline-Angeboten wurden während der Pandemie auch digitale Aktivitäten immer beliebter. Die Vorteile davon verortet Stanzenberger neben der Ortsunabhängigkeit in einer kürzeren Dauer und niedrigeren Kosten, wodurch regelmäßige Aktivitäten ermöglicht werden können. Für Hoffmann sind solche Maßnahmen in erster Linie sinnvoll, wenn Teams regulär ausschließlich remote zusammenarbeiten.
Ob digital oder face-to-face: Warum sollten Chef:innen überhaupt in Teambuilding-Events investieren? Wirtschaftlich betrachtet seien hohe Nachbesetzungskosten im Fall einer Kündigung der größte Motivator für Unternehmen. Stanzenberger ist jedoch überzeugt, das sei zu kurz gedacht "und vernachlässigt die Effekte einer höheren Leistungs- und Innovationsfähigkeit der Belegschaft, wenn man sich mit den Kolleg:innen versteht, die individuellen Stärken voneinander kennt und einzusetzen weiß. Ein kontinuierlicher Ansatz führt dazu, dass man diese Potenziale wirkungsvoller nutzen kann und Probleme früher erkennt." Besonders aktiv seien in diesem Bereich Branchen und Länder mit hoch qualifizierten Fachkräften, die gut zusammenarbeiten müssen, wie beispielsweise IT oder Forschung und Entwicklung.
Wer nicht in sein Team investiert, riskiert, viel zu verlieren
Ein weiteres Argument ergibt sich aus dem erlebnispädagogischen Effekt: Das Lernen aus spielerischen und eindruckstarken Aktivitäten fällt leichter. "Lernen im Team ist ein Schlüsselelement für Organisationsentwicklung und Anpassungsfähigkeit", resümiert Hoffmann. Untersuchungen zeigen: Je größer die Gruppe, desto höher auch die Wirksamkeit. Für die Zeit danach gibt die Psychologin zu bedenken: Anhaltende Effekte lassen sich nicht von heute auf morgen erzielen. "Die Wahrscheinlichkeit, dass Teams wieder in alte Muster zurückfallen, ist groß. Idealerweise lassen sich Unternehmen regelmäßig begleiten. Ich arbeite mit vielen in einem halbjährigen Rhythmus."
Learnings aus den Maßnahmen sollten in den Arbeitsalltag so gut wie möglich transformiert werden, "indem sie in einer Gruppenreflexion besprochen und schriftlich festgehalten werden", rät Stanzenberger. "30 Minuten Debriefing nach der Aktivität sind dahingehend bereits ausreichend, um den Effekt nutzbar zu machen." Wer nicht in sein Team investiert, riskiert, viel zu verlieren, glaubt der Experte, der sich selbst als New-Work-Pionier versteht: "Unternehmen, die ihre Kultur und Teams über einen längeren Zeitraum vernachlässigen, laufen Gefahr, dass Talent und kreatives Potenzial ungenutzt bleiben."