
An der Spitze ist es einsam. Kritik aus dem Team kommt oft nur hinter vorgehaltener Hand. Coachin Barbara Heitger weiß, wie man ehrliche Rückmeldung bekommt.
Wer es in der Jobhierarchie weit nach oben geschafft hat, läuft Gefahr, die Verbindung zur Basis zu verlieren. Man hat zu viele Jasager:innen um sich. Barbara Heitger coacht als Systemische Unternehmensberaterin Manager:innen und weiß, wie Vorgesetzte am besten zu einem ehrlichen Korrektiv finden: "Feedback in Verbindung mit Machtgefälle ist immer anspruchsvoll. Chef:innen entscheiden über Personalbesetzungen und Entwicklungsmöglichkeiten ihrer Teams. Dementsprechend schwer fällt es Mitarbeiter:innen, Vorgesetzten offen die Meinung zu sagen." Trotzdem ist es enorm wichtig, Resonanz zu bekommen und zu geben: "Allerdings darf Kritik nie in machtorientiertes Verhalten umgemünzt werden, wo positive Rückmeldung belohnt und negative bestraft wird."


Barbara Heitger: Die Systemische Unternehmensberaterin coacht Führungskräfte. barbara.heitger.com
© Ela AngererVarianten des Feedbacks
Im Arbeitsalltag gebe es unterschiedliche Varianten des Feedbacks, erklärt die Expertin: "Bei den klassischen, einmal jährlich stattfindenden Mitarbeiter:innengesprächen werden Fragen gestellt: 'Hast du deine Ziele erreicht?' 'Was hat dir geholfen, was war schwierig?' 'Wo liegen deine Stärken und Entwicklungsfelder?' Sinnvollerweise ergänzen Chef:innen: 'Was erwartest du von mir?' 'Was kann ich für dich tun, damit du deine Arbeit gut machen kannst?'" Manche Kolleg:innen suchen auch zwischendurch ein Gespräch, etwa weil sie etwas nicht gut verstanden haben und eine Erklärung oder Unterstützung brauchen, weiß Heitger. Solche Situationen sollten Vorgesetzte unbedingt auch für sich nutzen, denn man bekommt dadurch eine Einschätzung über das eigene Verhalten – umso klarer, je konkreter man nachfragt. Weniger sinnvoll findet Heitger Bottom-up-Feedback, bei dem Teammitglieder dem oder der Chef:in Rückmeldung geben. "Kritische Monologe sind problematisch. Besser ist immer ein Gespräch mit gegenseitigem Austausch und Nachfragen. Es hilft, zu verstehen und dazuzulernen. Das gilt auch für Leader:innen."
Interessant und wichtig sei hingegen ein 360-Grad-Feedback. Eine Methode, bei der man von der eigenen Führungskraft, den Peers und dem Team Meinungen einholt und sich zugleich selbst bewertet: "Das hilft bei der Selbsteinschätzung. Man sieht: Wie agiere ich nach oben und unten? Und wie auf derselben Ebene?" Eine andere konstruktive Variante sei, einen Coach oder eine Coachin mit ins Boot holen. Vor allem, wenn anspruchsvolle Führungsherausforderungen anstehen: "Man bearbeitet eigene Situationen, was man dabei bewirken und wie man agieren will."
Man sollte bedenken, dass in der persönlichen Leitungspraxis auch eigene Ursprungserfahrungen, verbunden mit Autorität, wirksam werden, ist Heitger überzeugt. Etwa wie man jeweils Vater und Mutter erlebt und wahrgenommen hat. Die frühere Autorität war fast immer die Mutter – deswegen sind weibliche Leaderinnen in besonders unsicheren Situationen oft mit hohen Ansprüchen, verbunden mit Fürsorge und Nähe, konfrontiert, weil Mutterübertragungen reinspielen. Sie bekommen dann schnell das Feedback, hart oder eiskalt zu sein, "eine Powerfrau ohne Gefühl", wenn sie aus Sicht der Mitarbeiter:innen "zu sachlich und scheinbar kalt" agieren, sagt Heitger und ergänzt: "Manchmal ungerecht. Bei einem Mann würde man eher sagen: ,Was für ein cooler Typ, der setzt sich richtig durch, zeigt, wo es langgeht.' Bei einer Frau heißt es: ,Ist die wahnsinnig, was macht die hier?'"
Um Kritik anzunehmen, braucht es eine gewisse Reife und Selbstwertgefühl, damit man zwischen der Position und sich als Person differenzieren kann.
Benefits & Leitfaden
Wie ehrlich Feedback-Gespräche, welcher Art auch immer, ausfallen, hänge in erster Linie von der Unternehmenskultur ab: "Keiner ist so naiv, die hierarchische Situation völlig auszublenden. Zugleich ist Leadership auf Akzeptanz angewiesen." Man sollte bedenken: Feedbackresistente Vorgesetzte haben langfristig keine Erfolgschancen. Wer vermittelt, dass nur, wer folgsam sich irgendwann ab, die Unterstützung in Krisensituationen geht verloren. "Um Kritik anzunehmen, braucht es eine gewisse Reife und Selbstwertgefühl, damit man zwischen der Position und sich als Person differenzieren kann. Zu viel Eitelkeit ist fehl am Platz", meint Heitger und ergänzt: "Ganz wichtig: Bei jeder ehrlich gemeinten Aussprache sollte die ist und sagt, was ich hören will, hier Karriere machen wird, gilt als inkompetent. Das gesamte System wird dadurch geschwächt, weil zwei Welten entstehen: die der Leitung und die der Untergebenen. Doch die Gefolgschaft wendet gemeinsame Aufgabe für das Unternehmen im Vordergrund stehen."
Die Expertin kennt die idealen Voraussetzungen für Gespräche: Nie unter Zeit- oder emotionalem Druck reden. Sich immer auf ein konkretes Verhalten oder eine Aufgabe beziehen, nie untergriffig werden. Sachlich bleiben und einander zuhören, den Raum geben, über das Gesagte nachzudenken und nicht gleich antworten zu müssen. "Feedback ist auch Ausdruck der Führungsbeziehung und zeigt zugleich, wie man auf andere wirkt." Es braucht offene Kommunikation im Team, um das eigene Verhalten zu reflektieren: "Zugleich ist es ein essenzieller Motor für die eigene Weiterentwicklung."