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Wenn Materialien ein neues Leben bekommen

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Designerin sitzend auf Loungemöbel aus Tennisbällen

©Rodolphe de Brabandere / @bruit.numerique / Circular Materials, Gestalten 2025
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Was haben Tennisbälle, Orangenschalen und Ananasblätter gemeinsam? Sie zeigen, wie aus außergewöhnlichen Materialien spielerisch nachhaltige Ideen entstehen. Ein Streifzug durch die Designwelt.

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Bild

 © Mathilde Wittock / mwo_design, Gestalten 2025

Von wegen ausgespielt!

Spiel, Satz & Sieg für Mathilde Wittocks Akustikmöbel „Soundbounce“ aus ausrangierten Tennisbällen – ihre gestalterische Antwort auf gleich zwei Probleme. Weil die Belgierin selbst übermäßigen Lärm als belastend empfindet, suchte sie einerseits nach ungenutzten materiellen Potenzialen gegen akustische Reizüberflutung, doch „Soundbounce“ soll auch ein Umweltproblem lösen. Von jährlich rund 400 Millionen produzierten Tennisbällen (die Herstellung eines Balls dauert fünf Tage und erfordert 24 Arbeitsschritte) wird nur etwa 1 Prozent recycelt. Rund 283 Bälle (gesammelt in belgischen Sportvereinen) pro Quadratmeter werden nun per Hand zu Raumteilern, Loungemöbeln und mehr verarbeitet. Ästhetische, funktionale Objekte mit Klimanutzen: Der „Bounce Chair“ (siehe oben) spart circa 14,28 Kilogramm CO2.

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Gelber Zeitungsständer aus Zitronenschalen

 © Stefania Zanetti / Circular Materials, Gestalten 2025

Reife Leistung

Orangenschalen, Zitronenzesten und Kaffeesatz – was andernorts im Müll landet, wird bei Krill Design zum Rohstoff. Das Mailänder Start-up verwandelt organische Abfälle (etwa von Orangen aus Süditalien) in voll kompostierbare Homeware. Mithilfe seines patentierten Verfahrens „Rekrill“ werden die Reste getrocknet, fein gemahlen, mit einem biobasierten Kunststoff vermischt und zu Granulat für den 3D-Druck verarbeitet. Das Ergebnis: vegane Designprodukte (am Bild: der mehrschichtige Zeitschriftenständer „Falesia“, gefertigt aus den Schalen von Mittelmeerzitronen), die nach Gebrauch einfach mit dem Biomüll entsorgt werden dürfen. Ein zukunftsweisendes Material mit Potenzial – das allerdings bislang weniger als 1 Prozent der globalen Kunststoffproduktion ausmacht.

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Frau selektiert Ananasfasern

 © Julien Lanoo / Circular Materials, Gestalten 2025

Mit jeder Faser

Unglaubliche 44.000 Tonnen Ananas-Abfall gibt es weltweit pro Jahr – Blätter und Schalen, die meist achtlos verbrannt werden. Das muss anders gehen, dachte sich die spanische Textildesignerin und Unternehmerin Carmen Hijosa und gründete Ananas Anam. Statt die Reste zu entsorgen, werden heute auf den Philippinen feine Zellulosefasern aus den Ananasblättern gewonnen und zu einem Vliesstoff verfilzt. Vom robusten, lederähnlichen „Piñatex“ profitiert inzwischen sowohl die Autoindustrie (z. B. für Sitzbezüge) wie auch die Modebranche (etwa für Kleidung und Schuhe). Und nicht zuletzt natürlich auch die Tierwelt und die Umwelt: Jeder laufende Meter des Vliesmaterials verhindert die Freisetzung von etwa zwölf Kilogramm CO2.

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Pavillon aus natürlichen Materialien auf Vitra Campus

 © Vitra Campus / Circular Materials, Gestalten 2025

Alles Gute kommt von oben

Oberirdisch gedacht hat Architekt Tsuyoshi Tane bei seinem „Tane Garden House“. Statt auf extraktive, klimaschädliche Materialien aus dem Untergrund zu setzen, deren Verarbeitung besonders CO2-intensiv ist, nutzte er für sein Vorzeigeprojekt auf dem renommierten Vitra Campus (u. a. mit Produktionsstätte und Museum, Anm.) im deutschen Weil am Rhein ausschließlich lokal verfügbare, an der Oberfläche gewonnene Ressourcen – etwa Schilf, Granit und Holz. Die Konstruktion ist somit ein Plädoyer für das Wiederentdecken traditioneller Handwerkstechniken und den achtsamen Umgang mit natürlichen Baustoffen. Tipp für den Besuch: Von der öffentlich zugänglichen Dachterrasse des Öko-Hauses aus haben Gäste einen Panoramablick über Garten und Campus.

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Buchcover

BUCHTIPP. Über 50 Projekte, die zeigen, wie aus neu aufbereiteten Materialien zukunfts- weisende Designs entstehen. „Circular Materials“, Joe Gibbs, Gestalten, € 40,–.

 © Circular Materials, Gestalten 2025

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