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Female Force: Maria Furtwängler im Interview

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Aktualisiert
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13 min
Maria Furtwängler

©Magnus Winter

Maria Furtwängler ist ein Fixstern im deutschen Fernsehen, engagiert sich für Gleichstellung und Nachhaltigkeit und strahlt dabei von innen. Wie lautet ihre Erfolgsformel?

Urlaub wäre schön“, sagt Maria Furtwängler, als wir sie Mitte Oktober an einem Mittwochmorgen via Zoom erreichen. Die deutsche Schauspielerin sitzt in einem Wagen auf dem Weg zum Flughafen, auf der Rückbank fällt ihr die Sonne ins Gesicht – ein kurzer Moment Ruhe, bevor es in Hamburg mit ihren Herzensthemen weitergeht. „Ich treffe die Herren vom Norddeutschen Rundfunk und halte eine Rede über Biodiversität und Artensterben“, erzählt sie. „Morgen habe ich dann noch die Musikabnahme von einem neuen Film, den ich produziert habe.“ Ihr Terminkalender ist randvoll, denn neben ihren Filmaufträgen engagiert sich Maria Furtwängler mit ihrer Tochter Elisabeth in der gemeinsam gegründeten MaLisa-Stiftung für Nachhaltigkeit und Gleichstellung.

Der Grund für unseren Call ist aber ein anderer: Anfang September wurde die 59-Jährige für ihre herausragende Performance im Drama „Bis zur Wahrheit“ mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Und seit Kurzem ist die Mimin außerdem Markenbotschafterin des Schweizer Naturkosmetikherstellers Weleda. Ja, die Frau ist in mehreren Welten zu Hause – und verliert dabei nicht den Fokus für das Wesentliche. Wie schafft sie das?

WOMAN

In Ihrer Dankesrede beim Deutschen Fernsehpreis haben Sie beschrieben, dass zwei große Emotionen das Projekt „Bis zur Wahrheit“ begleitet haben: Hoffnung und Zorn. Die Frau, die Sie spielen, Martina, wird von Mischa, dem Sohn einer Freundin, vergewaltigt und danach mit dem Vorwurf der Lüge konfrontiert. Welches Gefühl überwiegt heute in Ihnen?

Maria Furtwängler

Einerseits gibt es viel Hoffnung, weil immer mehr Menschen – Männer wie Frauen – mit der gleichen Empörung darauf reagieren, wenn Täter-Opfer-Umkehr betrieben wird. Auch Gespräche mit Frauenrechtsorganisationen nähren die Hoffnung auf Fortschritt. Doch dann lese ich mir Kommentare zu unserem Film auf Social Media durch, und nicht wenige sagen, der junge Mann sei doch das eigentliche Opfer in der Geschichte. Natürlich muss das nicht repräsentativ sein, und doch gab es vergleichbare Stimmen im Anschluss an die Vorführungen auf Festivals. Da denke ich wiederum: „Auweia, wir bewegen uns gerade schon auch wieder rückwärts.“ Am Ende ist beides wahr. Wir leben in polarisierten Zeiten.

WOMAN

Was regt Sie dabei am meisten auf?

Maria Furtwängler

Dieser Tenor: „Ach, jetzt haben wir über das Ganze aber auch schon genug geredet. Jetzt können wir wieder zurück zu den alten Mustern, zum Gelernten, so schlecht war es auch wieder nicht.“ Was mich dabei wirklich frustriert, sind Statistiken, die zeigen, dass auch viele Jugendliche der Meinung sind, eine Frau gehöre an Heim und Herd. Gewisse Besitzvorstellungen sind mittlerweile wieder salonfähig, das lässt mich ein bisschen erschaudern. Denn wo laufen wir denn da hin?

WOMAN

Inwiefern macht es aber auch Mut, wenn solche Produktionen, die die Täter-Opfer-Umkehr beleuchten, prämiert werden?

Maria Furtwängler

Ich habe mich natürlich unglaublich gefreut. Einmal als Schauspielerin, aber vor allem auch für mein Team. Gerade die Regisseurin Saralisa Volm hat da sehr viel Herzblut reingesteckt. Sie hat es geschafft, keine der Figuren eindeutig gut oder böse erscheinen zu lassen. Denn meine Figur, Martina, verhält sich durchaus auch falsch, macht Fehler. Mischa ist ebenso nicht nur der böse Täter. Es heißt immer, das Publikum schätze Eindeutigkeit. Das muss nicht stimmen. Daher ist es einfach gut, dass man in der ARD bereit war, diesen Film zu produzieren. Und natürlich ist es ein ganz besonderes Glück, wenn dieser auch noch erfolgreich ist. Dass das Thema viele Menschen bewegt und Diskussionen ausgelöst hat, ist ein gutes Zeichen. Genau das wollten wir.

WOMAN

Am Ende sagt Martina zu Mischa: „Du solltest dich schämen, nicht ich!“ Das erinnert an den unglaublichen Fall von Gisèle Pelicot ...

Maria Furtwängler

Ja, ist das nicht bodenlos? Also dass die Opfer dazu gebracht werden, sich schämen zu müssen? Ein Zitat der französischen Philosophin Manon Garcia, die über den Fall ein Buch geschrieben hat, ist mir im Gedächtnis geblieben: „Man wirft den Feministinnen vor, Männer zu hassen. Aber ist es nicht eher so, dass die Männer die Frauen nicht mögen?“ Wenn man sich die Zahlen anschaut, trifft das häufig zu. Das ist für mich ein sehr kluger Switch, weil es den Frauen den Rechtfertigungsdruck nimmt.

WOMAN

Wie schaffen Sie für sich einen guten Ausgleich nach emotional intensiven Drehtagen?

Maria Furtwängler

Wenn ich drehe, versuche ich alles andere von mir fernzuhalten, um mich wirklich ganz und gar auf die Rolle einzulassen. Dabei hilft mir abends eine Meditation und eine heiße Badewanne. Und ich achte darauf, ausreichend Schlaf zu bekommen. Das ist mir sehr wichtig.

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Maria Furtwängler schaut in die Sonne

Seit über 20 Jahren steht die Schauspielerin u. a. für den „Tatort“ vor der Kamera. Wenn sie nicht gerade dreht, setzt sie sich für Artenvielfalt und Biodiversität ein.

 © Magnus Winter
WOMAN

Neben Ihrer Arbeit als Schauspielerin engagieren Sie sich für Nachhaltigkeit und Gleichstellung. Gemeinsam mit Ihrer Tochter Elisabeth haben Sie dafür 2016 die MaLisa Stiftung gegründet. Wer hat die aktivistische Ader von wem?

Maria Furtwängler

Die Idee, eine Stiftung zu gründen, kam von meiner Tochter. Sie ist eine sehr gute und strenge Begleiterin. Wir lernen beide viel voneinander.

WOMAN

Was war Ihr größter Meilenstein bislang?

Maria Furtwängler

Sehr erfolgreich war die erste große Untersuchung zur Sichtbarkeit von Frauen und Männern im Fernsehen und im Kino, das hatte wirklich eine nachhaltige Wirkung bei den Sendern und Filmförderungsinstitutionen. Da konnten wir mit einem kleinen Team sehr viel bewegen.

WOMAN

Sie sind außerdem die neue Markenbotschafterin des Schweizer Naturkosmetikherstellers Weleda. Inwiefern spielte bei der Entscheidung eine Rolle, dass mit Tina Müller eine Frau als CEO an der Spitze steht?

Maria Furtwängler

Wir haben uns bei der DLD-Nature-Conference kennengelernt, und ihr handfester Unternehmensgeist ist mir sofort aufgefallen. Wie sehr sie sich mit einer Philosophie identifiziert, die auch ich großartig finde – nämlich die Art, wie die Produkte hergestellt werden und aus welchen Grundsubstanzen. Als ich mit Tina dann den Kräutergarten in Schwäbisch Gmünd besucht habe, hat mich als Naturfreak überglücklich gemacht, zu sehen, was die Grundlagen der Produkte sind. Da dachte ich: Ja, das will ich auf meiner Haut haben.

WOMAN

Rund um Longevity hat sich nicht nur in der Beauty-Branche ein riesiger Trend entwickelt. In welcher Form ist gesundes Altern für Sie ein Thema?

Maria Furtwängler

Ich denke, auf dieselbe Weise, wie für die meisten von uns: Da, wo wir es in der Hand haben, unser Leben so lang, erfüllt und gesund zu erleben, wie es geht, wollen wir auch etwas dafür tun. Nicht zuletzt, indem wir achtsam mit uns, aber auch mit dem Planeten umgehen, auf dem wir noch lange leben wollen.

WOMAN

Im letzten WOMAN-Interview 2022 meinten Sie, dass auch Sie sich manchmal fragen, ob Sie schön genug sind. Ist das heute noch so?

Maria Furtwängler

Privat kann ich tagelang nicht in den Spiegel schauen. Ich beschäftige mich nicht ständig mit meinem Äußeren, es lenkt mich eher ab. (lacht) Aber natürlich – in dem Moment, in dem ich drehe und immer wieder in der Maske sitze, werde ich damit konfrontiert. Und neben Pflege und Make-up spielt das Licht beim Film eine sehr große Rolle. Das kann einen unglaublich schön und glatt, aber auch schlagartig 100-jährig aussehen lassen. Manchmal kann ich es ausblenden, und ich sage mir: Egal, Hauptsache du spielst das jetzt ganz toll! Mir werden auf dem Handy immer wieder Fotos von Galas von vor einigen Jahren angezeigt. Wenn ich die sehe, denke ich schon: Ui, diese Frau schaut aber ganz schön gut aus. Und ich frage mich dann: Maria, hast du das eigentlich ausreichend genossen? Ich glaube nämlich nicht. Das ist aber wahrscheinlich auch heute noch der Fall. Dabei habe ich auch zunehmend Momente, in denen mir auffällt, dass das Alter auch eine ganz eigene Kraft hat.

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Maria Furtwängler für Weleda

Nachhaltigkeit versteht Schauspielerin und Aktivistin Maria Furtwängler als ganzheitliche Lebensphilosophie – die bis in ihre Beauty-Routine reicht. Neben ihrem persönlichen Engagement ist die 59-Jährige die neue Markenbotschafterin der „Cell Longevity“-Hautpflegereihe von Weleda. „Für mich ist entscheidend, woher die Substanzen stammen und wie die Produkte hergestellt werden. Darüber hinaus mag ich insbesondere den subtilen Duft“, argumentiert Furtwängler. Der Schweizer Naturkosmetikhersteller präsentiert damit erstmals eine hochwirksame Premium-Gesichtspflege, die der Haut mithilfe des Schlüsselmoleküls NAD+ mehr Jugendlichkeit und Gesundheit verleihen soll. Das Highlight der Serie: das „Liquid Youth Double Serum“ (€ 85,–). Erhältlich unter weleda.at und in Filialen von Douglas sowie Müller.

 © Weleda
WOMAN

Was schätzen Sie am Älterwerden?

Maria Furtwängler

Insgesamt ist es diese Gelassenheit. Ich glaube, es gibt ganz viele Menschen, die vergnügter sind, je älter sie werden.

WOMAN

In einer Studie Ihrer MaLisa-Stifung aus dem Jahr 2022 wurde der Alters-Gap bei zentralen Rollen im deutschen Kino untersucht. Das Fazit: Ab Mitte 30 sind Frauen nach wie vor weniger sichtbar. Entspricht das Ihrer Erfahrung?

Maria Furtwängler

Dass man als Frau ab 35 sehr viel seltener gebucht wird, merke auch ich. Es ist nicht so, dass ich mit Angeboten überhäuft werde. Für Nebenrollen, ja, aber Hauptrollen werden ab einem bestimmten Alter seltener.

WOMAN

Inwiefern hilft es, sich dagegen zu engagieren?

Maria Furtwängler

Total, denn ein dumpfes Gefühl allein reicht für Veränderung nicht. Dafür braucht es Zahlen und Fakten. Und in unserem Fall war es wichtig, die Sender selbst mit an Bord zu holen, um ein Bewusstsein zu schaffen. Wir haben auch eine Umfrage zur Präsenz von Klimathemen im TV durchgeführt. Da waren die Zahlen wirklich enttäuschend.

WOMAN

Sie sind gerade auf dem Weg zu einer Rede über Nachhaltigkeit und Biodiversität. Was treibt Sie diesbezüglich an?

Maria Furtwängler

Ich frage mich momentan vor allem, wo die Vertreter Konservativer Parteien und Institutionen denn bei diesem Thema abgebogen sind. Die Schöpfung sowie der Erhalt unserer Lebensgrundlagen entsprechen doch im Grunde genau ihren Wertvorstellungen. Aber die werden in eine linksgrüne Ecke verschoben. Für den Moment kommen wir hier mit Studien nicht weiter, aus diesem Grund versuche ich die Menschen persönlich mitzunehmen.

WOMAN

Was macht Ihnen bei so viel Gegenwind Mut?

Maria Furtwängler

Es gibt vereinzelt Stimmen in dieser Ecke, die die Dringlichkeit erkennen. Andreas Jung von der CDU zum Beispiel. Und natürlich auch viele andere Menschen, die versuchen, im Kleinen wie im Großen etwas zu bewegen. Man ist damit nicht allein.

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