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Weg vom Körperkult, hin zu einem besseren Körpergefühl

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Eine etwas dickere Frau im Bikini im Wasser

©Jonathan Cooper / Unsplash

Am Strand wohlfühlen? Es geht nicht um die perfekte Figur: Selbstbewusstsein entsteht aus Kraft, Haltung – und dem richtigen Mindset. Wir zeigen den Weg dorthin und warum Bewegung trotzdem einen Unterschied macht.

Gestreift, gepunktet, sportlich, retro, Bandeau, Balconette, Bustier oder Neckholder: In den Auslagen präsentieren normgeformte Schaufensterpuppen die neuen Bademodentrends. Doch hinter dem offensichtlichen Fokus auf Mode und Ästhetik liegt eine komplexere Frage: Wie fühlt man sich wirklich wohl in einem Bikini? „Bikini Confidence“ ist mehr als ein Hashtag auf Instagram. Es ist ein Spiegelbild gesellschaftlicher Erwartungen, ein Symbol für Körperpolitik – und in vielen Fällen eine sehr persönliche Reise.

Mythos "Bikini Body"

"Es geht nicht darum, wie man aussieht, sondern wie man sich fühlt“, sagt die Wiener Psychologin Cornelia Fiechtl, die sich auf Frauen, emotionales Essen, Körperbild und Selbstwahrnehmung spezialisiert hat. Im Sommer, so die Expertin, werde der Körper plötzlich sichtbar: „Und damit geht die Angst vor Bewertung einher.“ Laut einer Studie der American Psychological Association fühlen sich über 60 Prozent der Frauen und 40 Prozent der Männer unwohl in Badekleidung – vor allem, wenn sie sich öffentlich zeigen müssen.

Der Begriff „Bikini Body“ wurde in den 1960ern von der Werbeindustrie geprägt – ein Idealbild, das seither in Magazinen, Diätprogrammen und TV-Spots omnipräsent ist. „Was diese Narrative oft übersehen“, so Fiechtl, „ist die Vielfalt menschlicher Körper und Erfahrungen.“ Immer mehr Marken reagieren darauf. Labels wie Chromat, Summersalt oder Aerie setzen gezielt auf inklusive Kampagnen mit diversen Models – in Größe, Alter, Hautfarbe, Genderidentität.

Selbstvertrauen statt Körperkult

Dennoch werde äußere Attraktivität immer noch massiv überbewertet: „Frauen investieren unglaublich viel Zeit und Geld in ihr Aussehen“, weiß Fiechtl aus ihrer Praxis. Die Gründe dafür sind vielfältig – nicht selten wird mit dem Fokus auf rigide Ernährungsmuster und Trainingspläne ein geringer Selbstwert kompensiert. Auch Scham spiele eine Rolle: „Studien zufolge werden schlanken Menschen positive Eigenschaften zugeschrieben, Dicke gelten als faul. Wenn ich mich nun als zu dick empfinde, selbst wenn ich das gar nicht bin, nehme ich mich selbst als undiszipliniert wahr.“ Aus psychologischer Sicht wäre es demnach wichtig, „sich nicht nur über das Aussehen zu definieren, sondern auch über andere Lebensbereiche – wie etwa Charaktereigenschaften, Berufliches, Hobby oder die Familie."

Eine gute Figur machen wollen Frauen dennoch – und befinden sich oft in einem Zwiespalt: Darf man sich gleichzeitig für Body Positivity und für einen strafferen Bauch interessieren? Natürlich. Es geht nicht darum, sich für eine Seite zu entscheiden – sondern darum, aus welchem Motiv heraus man handelt. Denn wer sich gut fühlt, strahlt das auch aus – unabhängig von Kleidergröße oder Taillenumfang. Und Bewegung ist eine der wichtigsten Säulen zu einem besseren Körpergefühl: „Dabei geht es nicht um ein paar Kilogramm mehr oder weniger, sondern darum, seine eigene Kraft zu fühlen – innerlich wie äußerlich“, weiß Beatrice Drach, sportwissenschaftliche Beraterin in Wien. Zu spüren seien erste Feel-Good-Erfolge sehr schnell: „Die Haut ist nach dem Sport besser durchblutet und rosiger, man hat gute Laune und das Gefühl, etwas für sich getan zu haben“, so Drach. Sie empfiehlt, zwei bis drei Mal die Woche gezielt mittels Krafttraining Reize für die Muskeln zu setzen – nicht nur, um die Figur zu formen, sondern auch um die Knochendichte zu erhalten und um mehr Energie für den Alltag zu haben. Gleichzeitig gilt: „Wichtig sind aber auch die Pausetage zwischen den Einheiten – der Muskel wächst in der Regeneration.“

Haltung: Bitte aufrichten

Auch wer auf Grundlagenausdauer setzt und gerne joggt, walkt, Rad fährt oder schwimmt, sollte Zeit für Erholung und Dehnen einplanen. Und: Auch auf die Haltung kommt es an: „Wenn wir aufrecht stehen, fühlen wir uns stark. Denken Sie groß – also die Schultern immer weg von den Ohren!“, rät die Expertin. Sie empfiehlt Frauen zudem, auf eine ausreichende Proteinzufuhr zu achten: „Das wird leider immer noch stark vernachlässigt. Ein Muskel kann aber nur wachsen, wenn er genug Eiweiß erhält.“ Kohlenhydrate wiederum sind wichtig, um unsere Muskeln mit Energie zu versorgen: „Bitte kein Nüchterntraining – der Körper ist sonst nicht leistungsfähig! Wichtig ist, dass Sie nach dem Training sowohl Proteine wie auch Kohlenhydrate zu sich nehmen.“

Mehr Selbstmitgefühl

Psychologin Cornelia Fiechtl gibt keine Ernährungstipps: „Wir brauchen nicht noch mehr davon, sondern sollten wieder eine freudvolle Beziehung zum Essen entwickeln.“ Am Selbstwert anzusetzen, sei jedoch auch nicht hilfreich: „Er ist leider eine relativ stabile Konstante. Mich vor den Spiegel zu stellen und zu sagen: ‚Hey, bist du toll!‘ – das funktioniert nicht.“ Fiechtl setzt daher auf das „achtsame Selbstmitgefühl“: „Wenn mir bewusst wird, wie kritisch ich oft mit mir selbst spreche, kann ich das relativ schnell ändern.“ Es gehe nicht darum, an einem Punkt anzukommen, an dem man feststellt: „Jetzt fühle ich mich endlich super!“ Der erste Schritt heißt: Weg von der Abwertung, hin zum Respekt. Sich gut um sich kümmern, Grenzen setzen, freundlich zu sich sein. Vielleicht gelingt es dann auch, den Körper nicht nur als „Objekt“, sondern als wertvollen Begleiter zu sehen, der uns Tag für Tag durchs Leben trägt – und uns einen unbeschwerten Sommer schenkt.

Drei Säulen für mehr Energie, Kraft und Wohlbefinden

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