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Steinhauer auf der Couch

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Steinhauer auf der Couch
© Ernst Kainerstorfer©Ernst Kainerstorfer
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In seinem neuen Film versucht Erwin Steinhauer, als Therapeut ein streitendes Ehepaar in den Griff zu bekommen. Diese Rolle hat ihn zum Nachdenken gebracht. Wie sehr, verrät der Schauspieler im intimen Talk über Beziehungen, Herausforderungen eines Alleinerziehers und seinen größten Schmerz ...

Sieveringer Villenviertel, Wiens schönste Weingegend. Mittendrin lebt Erwin Steinhauer, 66. Im legeren Homestyle, Schlabberhose und Wuschelhaar, öffnet uns der Schauspieler und Kabarettist die Türe zu seinem Refugium. Bei einigen Häferln Kaffee reden wir übers Leben, die Kinder und seinen neuen Film. Den Stoff dazu lieferte Daniel Glattauers Theaterstück "Die Wunderübung". Die Erfolgskomödie startet am 2. Februar in unseren Kinos. Steinhauer mimt den Psychologen: "Es war anregend, in diese Rolle zu schlüpfen, und hat mich auch privat so einiges überdenken lassen." Na dann, Herr Steinhauer, bitte auf die Couch. Wir hören zu. Und fragen nach. Willkommen bei Steinhauer daheim ...

WOMAN: Gelten Sie in Ihrer Familie auch als Friedensstifter?

Steinhauer: Sagen wir mal so: Ich bin ein guter Zuhörer. Schon mal die ideale Voraussetzung. Aber es kommt ja darauf an, wie die handelnden Personen charakterlich aufgestellt sind. Wir sitzen jetzt zum Beispiel an einem Tisch, der seit Jahrzehnten in unserer Familie ist. Hier wurde viel diskutiert und politisiert. Da ist es schon hoch hergegangen. Na ja, und wenn man dann noch mit einem höheren Blutdruck ausgestattet ist, so wie ich, ist man schnell mal in der Höhe. (lacht)

WOMAN: Sind heftige Auseinandersetzungen wichtig, um einiges zu bereinigen?

Steinhauer: Ja, unbedingt. Aus der Disharmonie entsteht viel mehr als aus ewigem Harmoniegefasel.

WOMAN: Welche persönlichen Themen haben Sie lange beschäftigt?

Steinhauer: Meine beiden großen Kinder sind nach der Trennung von meiner ersten Frau mit zwölf und 13 Jahren zu mir gezogen. Ich habe mich sehr um sie gesorgt und wollte ihnen vermitteln, dass wir weiterhin eine Familie sind. Sie meinten nur: "Aber wieso? Zu einer Familie gehört ja auch die Mami." Dann ist man in einem ewigen Dilemma. So wie Frauen einen Vater nie ersetzen können, gelingt es Vätern nie, Mütter zu ersetzen. Auch wenn man sich noch so anstrengt. Ich habe mein ganzes Leben auf meine Kinder eingestellt, aber das gelingt eben leider nur in beschränktem Maß.

WOMAN: Bereuen Sie etwas?

Steinhauer: Wenn ich heute auf all meine Partnerschaften zurückblicke, würde ich sagen, Probleme oft zu spät erkannt zu haben. Ich war zu wenig selbstkritisch und habe zu leicht aufgegeben. Da war wohl kaum die Bereitschaft, für etwas zu kämpfen. Idealerweise müsste man sagen: Es muss dir das aber wert sein. Eine Beziehung ist tägliche Arbeit, wer sich da nicht engagiert, wird öfter scheitern.

WOMAN: Es ist aber auch anstrengend ...

Steinhauer: Das ganze Leben ist anstrengend. Der Austausch miteinander hält auch frisch und trainiert das Hirn. Eine alte männliche Schwäche ist ja Schweigen. Etwas so lange zu verdrängen, bis der andere langsam die Lust verliert, über Probleme zu reden, weil es ja eh nix bringt. Und dann ist es vorbei.

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© © Ernst Kainerstorfer

WOMAN: Mit welchen Vorwürfen mussten Sie in Ihren Beziehungen klarkommen?

Steinhauer: Das ist phasenweise unterschiedlich. Als ich 1978 das erste und einzige Mal geheiratet habe (denkt kurz nach). Jetzt muss ich aufpassen, was ich sage, denn die Mutter meiner erwachsenen Kinder liest dieses Interview wohl auch. (lacht) Aber wir sind nach wie vor sehr eng, also passt es schon. Ich habe damals nicht eingesehen, wie ich den Spagat zwischen Karriereaufbau und meinem Part zu Hause hinbekommen soll. Mit Anfang 20 ging es darum, mir einen Namen zu schaffen. So war ich rund um die Uhr weg und habe ein eigenes Leben geführt, das mit der Familie nichts zu tun hatte. Und dann zieht irgendwann die Kälte ein, der andere verzagt, und wenn dann auch noch Untreue dazukommt, ist der Ofen natürlich aus.

WOMAN: Waren Sie nie beim Psychologen?

Steinhauer: Nein, aber interessanterweise habe ich mir bei der Arbeit an dem Film öfter überlegt, ob das irgendetwas gebracht hätte. Ich habe durchaus Ähnlichkeiten zu den Problemen des Paares im Film erkannt. Er weiß von keinen Konflikten, hat viel zu tun, macht zu Hause nix und sie keppelt herum, wirft ihm vor, dass er nix tut.

WOMAN: Es liegt aber auch nicht jedem, einem fremden Menschen intimste Einblicke zu gewähren ...

Steinhauer: Ja, für mich kann ich mir das sowieso nicht vorstellen. Aber ich weiß, dass es viele Menschen mit einem großen Mitteilungsbedürfnis gibt. Sie sprechen gerne über Dinge, die sie beschäftigen oder sehr schmerzen. Ich bin da eher so, dass ich meine Probleme mit mir selbst ausmache. Man muss sicherlich die Bereitschaft haben, sich einem Psychologen anzuvertrauen. Sonst wird das nix. Mir bleibt Schauspielern als Therapie.

WOMAN: Inwiefern?

Steinhauer: Es ist doch die große Chance! Die hat sonst niemand in seinem Beruf. Ich kann jemand anderen spielen. In einen völlig fremden Charakter zu schlüpfen, hilft bei der Selbstreflexion. Das ist ja auch ein Punkt im Film. Da fordere ich als Psychologe die beiden Kontrahenten auf, in die jeweils andere Rolle zu schlüpfen und sich in deren Lage zu versetzen.

WOMAN: Selbst ausprobiert?

Steinhauer: Wenn ich mit einer Frau streite, die Rollen zu tauschen? Nein, aber es wäre interessant.

WOMAN: Zurück zu Ihren Partnerschaften: Wie sehr schmerzt es, die traditionelle Familie nicht geschafft zu haben?

Steinhauer: Sehr! Ich habe ja drei Kinder mit zwei Frauen, bin also familienmäßig zwei Mal gescheitert. Das ist mein großer Stein. Aber ich denke mir auch: Bist selber schuld. Es ist, wie es ist. Jetzt muss ich damit klarkommen.

WOMAN: Was im Leben empfinden Sie noch als Scheitern?

Steinhauer: Wenn man nach einem fürchterlichen Streit nicht bereit ist, wieder bei null anzufangen. Ich erinnere mich, dieses Problem vor vielen Jahren mit meinem Vater gehabt zu haben. Wir hatten bei einem Abendessen eine schwere Auseinandersetzung. Danach war drei Monate lang komplette Funkstille zwischen uns. Diese Zeit vermisse ich heute noch. Ich habe sie verschenkt, um nicht mehr mit ihm zu reden und mich mit ihm auszutauschen. Er war ein sehr wichtiger Mensch für mich. Da ist das Entscheidende: Nicht zu hinterfragen, wer hat jetzt wen verletzt. Zu denken: Soll sich doch der andere melden. Ich finde, beide müssen für eine Aussprache immer bereit sein und sagen können: So, aus jetzt! Wir fangen neu an, ohne Wenn und Aber. Wenn man sich liebt, geht das. Ich spreche aber von Kindern und Eltern, nicht unbedingt von Partnern. Da ist das oft anders. Da hilft kein Versöhnen mehr.

WOMAN: Wann sollte man in einer Partnerschaft einsehen, dass nichts mehr geht?

Steinhauer: Wenn die Liebe weg ist, das merkt man ja. Wenn es nur äußere Bedingungen des Arrangements sind. Wenn man sagt: Wir bleiben wegen der Kinder zusammen. Das ist Unsinn. Dann könnte man auch gleich mit einem Kasten zusammen sein. (lacht) Es geht doch ums Gefühl. Kinder merken es, wenn es zwischen den Eltern nicht mehr stimmt. Selbst wenn man sich nicht vor ihnen streitet. Als meine Älteren in den 1990er-Jahren zu mir gezogen sind, haben sie einmal gesagt: "Gell, Papa, jetzt seid ihr getrennt, aber scheiden lasst ihr euch nicht." Das war für sie ganz wichtig. Heute fragen Kinder das nicht mehr. Sie wachsen ganz anders auf. Geschiedene Eltern sind heute normal.

WOMAN: Gibt es die ideale Beziehung?

Steinhauer: Ich beglückwünsche Menschen, denen es gelungen ist, eine Familie zu halten und glücklich zu sein. Da bin ich auch ein bisschen neidisch. Es mag altmodisch klingen, aber ich finde, die Ursprungsfamilie ist die beste Form für Kinder auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Man stößt immer wieder an Grenzen, bei denen man sieht, dass es wichtig wäre, dass ein Zweiter da ist. Der abfängt, unterstützt. Natürlich kann es auch ganz gut funktionieren, wenn man getrennt ist. Ich erlebe das ja mit der Mutter meines jüngsten Sohnes Stanislaus (Anm.: ORF-Programmdirektorin Kathrin Zechner). Wir kooperieren wirklich sehr gut. So lässt sich einiges abfangen.

WOMAN: Kann eine Patchwork-Familie nicht auch eine Bereicherung sein, da mehr Menschen zum System gehören?

Steinhauer: Ja, es ist mittlerweile eine große Familie, obwohl sich nicht alle meine Ex-Frauen miteinander verstehen. Aber zumindest können sich einige über mich gut unterhalten. (lacht)

WOMAN: Mit welchen Vorwürfen konfrontieren Sie Ihre Kindern heute?

Steinhauer: Meine Tochter Iris hat eine Zeit lang geraucht, und ich habe ihr deshalb Vorhaltungen gemacht. Sie hat dann gesagt: "Kannst dich nicht erinnern? Du hast sogar geraucht, als wir mit dem Auto gefahren sind." Das hat eine Zeit gebraucht, bis ich das eingesehen habe. Und Matthias hat mich lange wegen meines Lebenswandels kritisiert. Ich habe neue Freundinnen zu Hause zunächst immer als Kollegin vorgestellt. Man muss ja kleinen Kinder nicht alles aufs Aug drucken, dachte ich. Mein Sohn hat aber gemeint, das hätte ich ihm sagen müssen.

WOMAN: Sind Sie bei Ihrem jüngsten Sohn Stani milder als bei den beiden Großen?

Steinhauer: Ja, der Stani wird 18 und wir machen gerade den L17 gemeinsam. Ich liebe diese Stunden mit ihm im Auto. Er ist ja, bedingt durch seine Mutter und mich, einer, der permanent die Pappen offen hat, und dann gibt es im Auto immer hitzige Diskussionen. Bis er begriffen hat, dass es beim Fahren keine Diskussion gibt und er den Mund halten muss, hat es gedauert. Ich habe gedroht, sonst steige ich aus. Meistens ist dann er ausgestiegen. (lacht) Nein, aber es ist ja ein schönes Erlebnis, und er ist auch sehr gut. Ich war bei ihm gelassener, abgeklärter. Die Iris war die Ärmste. Sie hat schon bemängelt, dass ich beim Matthias lockerer war als bei ihr, obwohl er nur dreizehn Monate älter ist als sie. Ich hab dann immer gesagt: "Hallo, du bist ein Mädchen." (lacht) Aber dennoch, ich sehe ja am Ergebnis, dass ich da einiges richtig gemacht habe. Sie stehen beide super im Leben, Iris ist Juristin, Matthias Schauspieler.

WOMAN: Wie viel Freiheit brauchen Sie in einer Beziehung?

Steinhauer: Ich bin 66, da geht es schon um andere Dinge, als die Selbstfindung oder den Egoismus auszuleben. Meine Lebensgefährtin, Bettina Kuhn, ist Filmproduzentin und führt, wie ich, ein völlig selbstbestimmtes Leben. Wir sind seit zwölf Jahren zusammen und leben nicht in derselben Wohnung. Wir bemühen uns, füreinander da zu sein und Zeit miteinander zu verbringen. Es gibt aber keinen gemeinsamen Alltag, und das ist wohl das große Geheimnis, dass es länger halten kann. Der Gewöhnungseffekt ist tödlich für eine Beziehung.

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