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Elke Kahr: Wer ist die Grazer Politikerin?

Sie wurde bei der Grazer Gemeinderatswahl mit der KPÖ Erste - Parteinchefin Elke Kahr hat ein Ergebnis geschafft, mit dem niemand gerechnet hat. Wer ist die Frau hinter dem unerwarteten Erfolg?

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Elke Kahr Politikerin
© Heinz Tesarek / picturedesk.com

"Jetzt gehe ich einmal eine rauchen", sagte sie zu den Journalist:innen bei der Pressekonferenz 2021 nach dem Sieg ihrer Partei. Er kam unerwartet, wenngleich sich die KPÖ seit 2012 zur zweitstärksten Partei in Graz etabliert hat. 29,3 Prozent machte die KPÖ, vor der ÖVP (25,8 %) und den Grünen (17 %). Langzeitbürgermeister Siegfried Nagl, er war 18 Jahre lang im Amt, trat zurück. Seine Nachfolge ist KPÖ-Vorsitzende Elke Kahr. Funfact: Nach der Wahlsieg-Party, die bis 1 Uhr morgens ging, hat die Politikerin zusammen mit ein paar Kolleginnen noch dreckige Gläser selbst abgewaschen. "Damit es keine schlechte Nachrede gibt."

Steckbrief

  • Name: Elke Kahr
  • Geboren am: 02. November 1961, Graz
  • Sternzeichen: Skorpion
  • Beruf: Politikerin
  • Familienstand: verheiratet mit Franz Stephan Parteder
  • Kinder: zwei Kinder

Der politische Werdegang von Elke Kahr

KPÖ-Mitglied wurde die Steirerin 1983, zwei Jahre später engagierte sie sich in der Bezirksleitung der Partei. Einen weiteren politischen Sprung machte sie im Jahr 1993: Da wurde sie Gemeinderätin mit dem Fokus auf Soziales, Frauen, Kinder und Jugendliche. Seit 1998 ist Kahr Klubobfrau der Grazer KPÖ. 2003 und 2004 war sie stellvertretende Bundesvorsitzende ihrer Partei. 2005 übernahm sie als Stadträtin für Wohnungsangelegenheiten – und hatte das Amt bis 2017 über.

Im Juni 2016 wurde sie zur Bürgermeisterstellvertreterin gewählt. 2017 wechselte sie als Stadträtin ihr Aufgabengebiet und kümmerte sich um Verkehrsangelegenheiten. Sie ist außerdem Vorstandsmitglied im Grazer Büro für Frieden und Entwicklung. Und seit 17. November 2021 hat sie den Bürgermeister-Posten in der steirischen Landeshauptstadt Graz.

So tickt Elke Kahr als Mensch und Politikerin

Viele Sozialsprechstunden, bei denen sie bis zu 150 Menschen pro Woche empfängt, unbürokratische Hilfe bei Probleme - Elke Kahr ist für ihre "Robin-Hood-Politik" bekannt. Sie spendet etwa zwei Drittel ihres monatlichen Nettogehalts für Karitatives. Das sind rund 4.000 Euro, die sie an Menschen überweist, die es dringender brauchen – um kaputte Haushaltsgeräte zu ersetzen, Mieten, Kautionen, Lebensmittel und Begräbnisse zu bezahlen. Sie selbst behält sich 1.900 Euro. Auch weiterhin.

Einige verbuchen ihr Vorgehen als "Bestechung". Kahr dazu: "Es rufen Menschen an, Sozialarbeiter:innen, NGOs, Spitäler, die dankbar sind, dass ich und mein Stadtratskollege Robert Krotzer Menschen unbürokratisch und rasch in Notlagen helfen (...). Da geht es nicht um Bestechungsgelder (...). Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie jemanden gefragt, wen er wählt und wie er denkt. Ausschließend entscheidend ist, wie es ihm geht und was er braucht (...) Ich mag Menschen einfach gerne."

Ihre Nummer findet man online und teilweise auf Wahlplakaten – um für alle möglichen Anliegen der Bevölkerung direkt da zu sein. Erreichbar ist sie auf einem alten Nokia. "Wenn ich abheben kann, hebe ich hab. Wenn nicht, kann mir jemand aufs Band reden oder ein Email schreiben, was mir noch lieber ist." Ihre politische Botschaft, so steht's auf der offiziellen Homepage: "Auf keinen Menschen vergessen." Wofür sie außerdem geschätzt wird: Ihre Handschlagqualität. "Sie hält definitiv, was sie verspricht. Das sagen wirklich alle", wissen Insider.

Elke Kahr privat

Ihre Ideologie liegt vielleicht ihrer eigenen Geschichte zugrunde: Als Dreijährige wurde sie von einer Hausfrau und einem Schlosser adoptiert. Aufgewachsen ist sie mit ihrer neuen Familie im Bezirk Gries in bescheidenen Verhältnissen, wo viele Ärmere und Migrant:innen wohnen. Später machte sie die Abendmatura und studierte acht Monate "Lenismus und Marxismus" in Moskau.

Ob die beiden ihre Vorbilder sind, wird sie in Interviews oft gefragt. Ihre Antwort: "Ich bin ein 68er Kind. Ich bin überhaupt kein autoritätshöriger Mensch oder jemand, der Idole hat. Meine Großmutter hat gesagt: 'Schau, dass du auf eigenen Beinen stehst. Es gibt keine Märchenprinzen.' Ich bin aus einer Bewegung heraus, die alles hinterfragt. Menschen, die ich bewundere und schätze, gibt es Tausende. Die finde ich tagtäglich im Leben (...). Es gibt auch viele bekannte Persönlichkeiten ... ob es der Aki Kaurismäki ist, ein großer Filmregisseur und auch Kommunist. Ob es großartige Leute waren, die im Widerstand waren wie Maria Cäsar und Franz Leitner aus meiner Bewegung. Ob es meine Enkelin ist … Oder mein Partner, den ich total gerne hab und immens schätze, weil er ein so gescheiter und bescheidener Mensch ist. "

»Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der man a bisserl mehr aufeinander schaut ...«

Zusammen mit ihrem Lebensgefährten und dem ehemaligen KPÖ-Landesparteivorsitzenden Franz Stephan Parteder lebt sie in der steirischen Landeshauptstadt. Seit mehr als 30 Jahren ist das Paar liiert. "Offiziell ist es damals nach einem Konzert der Rolling Stones geworden", erzählt Kahr in einem Interview. Die beiden haben zwei Kinder: Franz und Maria.

Kahr und Partender wohnen bescheiden. In einer "Der Standard"-Homestory im Jahr 2015 zeigte die Politikerin ihr Daheim: Eine 85 Quadratmeter große Wohnung, Altbau. Miete: 807 Euro, inklusive Betriebskosten, ohne Heizung. Damals standen Umzugspläne im Raum, weil "unsere Kinder, Maria und Franz, sind zwar schon erwachsen, brauchen das eine oder andere Mal aber trotzdem noch eine finanzielle Hilfe (...) Daher wird in den nächsten Jahren eine Wohnung gefragt sein, die günstiger und kleiner ist." Auch ein großes, politisches Anliegen von ihr: leistbares Wohnen mittels einer Mietzinsobergrenze.

Elke Kahr

Viel wichtiger als ein pompöses Zuhause sind Kahr selbst ihre Hobbys: Pflanzen und Reisen, besonders gern nach Skandinavien. Für Urlaube hat sie seit der gewonnen Wahl aber eher weniger Zeit. Ihr Ziel ist nach wie vor: Das Soziale in den Vordergrund stellen - und mit Prestigeprojekten sparen, sagt sie. Andere Parteien nennen es "Populismus". Sie lässt sich davon nicht beirren. Kahr: "Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der man a bisserl mehr aufeinander schaut, Gemeinschaft lebt, Zivilcourage zeigt. Dein Daheim ist so, wie du deine Nachbarschaft pflegst."