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Depression nach der Geburt: Babyblues oder doch Wochenbettdepression?

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9 min

Wie äußert sich eine Wochenbettdepression?

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Jede Geburt ist ein sehr sensibles Ereignis. Sowohl für die frischgebackenen Mütter als auch für die Väter. Gefühlsschwankungen liegen da oft an der Tagesordnung. Wann spricht man nun vom Babyblues und wann zeichnet sich bereits eine beginnende Wochenbettdepression ab?

Eigentlich sollte nach rund 9 Monaten Schwangerschaft und der anstrengenden Geburt das Glück groß sein, wenn man endlich den langersehnten Nachwuchs in den Händen hält. Oft ist das jedoch nicht der Fall und die Gefühle schwanken zwischen Freude und Traurigkeit. Junge Mütter und auch Väter sind dann meistens beunruhigt, denn der Begriff Wochenbettdepression steht im Raum.

Allerdings ist das meistens nicht der Fall, denn durch die Umstellung der Hormone sind die Stimmungsschwankungen leicht zu erklären. Der so genannte Babyblues entsteht durch das rasche Absinken von Östrogen und Progesteron und dem Anstieg von Prolaktin, jenem Hormon, das für die Milchbildung verantwortlich ist.

Dazu meint Dr. Susanne Lynch-Arzt, Fachärztin für Gynäkologie, Geburtshilfe und Pränataldiagnostik und Oberärztin im Hanusch Krankenhaus: "Der so genannte Babyblues unterscheidet sich ganz klar von der Wochenbettdepression. Er dauert meist nur ein bis zwei Wochen an und klingt von selbst wieder ab."

Was versteht man unter einer Wochenbettdepression?

Dauert die depressive Stimmungslage jedoch mehrere Wochen oder sogar Monate an, dann spricht man von einer Wochenbettdepression, auch postpartale Depression und PPD genannt.

"Die Wochenbettdepression oder auch postpartale Depression ist eine Form der Depression, die meist im ersten Monat nach der Geburt auftritt und eine ernstzunehmende, behandlungswürdige Erkrankung darstellt. Sie äußert sich durch Traurigkeit, Antriebs- und Interesselosigkeit, Müdigkeit und Abgeschlagenheit bis hin zur Ablehnung des eigenen Kindes, so dass die Wöchnerinnen ihre neugeborenen Kinder nicht versorgen können. Bis zu 15 Prozent der Frauen sind davon betroffen." so Dr. Lynch-Arzt.

Die Dunkelziffer kann jedoch weit höher liegen, da viele junge Mütter sich nicht dem Arzt anvertrauen, weil sie nicht dem Klischee der glückseligen jungen Mutter entsprechen. Sie fühlen sich oft einsam und unverstanden, haben Angst ihr Baby nicht genug zu lieben und entwickeln so Schuldgefühle und Ängste zu versagen. Es können sogar Gedanken auftreten sich selbst oder dem Kind etwas anzutun.

Die Wochenbettdepression wird in drei Erkrankungen/Krisen gegeliedert:

  1. Postpartales Stimmungstief (= Babyblues)

  2. Postpartale Depression

  3. Postpartale Psychose

Die Wochenbettdepression umfasst eigentlich nur dir postpartale Depression, wird aber umgangssprachlich für alle drei Erkrankungen verwendet.

Welche Unterschiede gibt es zwischen postnataler und postpartaler Depression?

Beide Depressionen beziehen sich auf den Zeitraum nach der Geburt. Während sich die postnatale auf das Kind bezieht, ist die postpartale auf die Mutter bezogen. Der medizinisch korrekte Begriff ist postpartale Depression – auch wenn der andere geläufiger ist.

Wie ist die Symptomatik einer Wochenbettdepression?

Die Anzeichen einer Wochenbettdepression können sehr verschieden sein, unterscheiden sich aber in vielen Dingen nicht wesentlich von denen einer anderen Depression.

Dr. Lynch-Arzt: "Den Frauen fällt es schwer, ihren täglichen Aufgaben wie Körperpflege, Haushaltstätigkeiten usw. nachzugehen. Schlafstörungen, Appetitlosigkeit bis hin zum Gewichtsverlust können auftreten. Auffallend ist, dass die Versorgung des Neugeborenen den Müttern schwerfällt, sie sich teilweise sogar von ihrem Baby abwenden und auch für die Familie nicht mehr zugängig sind. Das heißt aber nicht, dass diese Frauen schlechte Mütter sind."

Was sind die Ursachen einer postpartalen Depression?

Die Gründe der Entstehung einer Wochenbettdepression können verschieden sein. So empfinden etwa manche jungen Mütter die neue Lebenssituation herausfordernd bis fast nicht bewältigbar. Dazu kommt oft Stress wegen finanzieller Probleme, Streit mit dem Partner, Erkrankungen, keine oder wenig soziale Unterstützung usw.

"Gehäuft tritt die Wochenbettdepression bei Frauen auf, die bereits vor oder während der Schwangerschaft an Angststörungen oder Depressionen gelitten haben oder auch besonders sensibel auf die hormonelle Veränderung nach der Schwangerschaft reagieren." so Dr. Lynch-Arzt. Sie ergänzt: "Als Risikofaktoren gelten Vernachlässigung durch den Partner oder soziale Probleme. Drogen-, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch sowie eine familiäre Belastung können auch Wegbereiter dieser Erkrankung sein."

Kann einer Depression nach der Geburt vorgebeugt werden?

Die Entstehung einer Wochenbettdepression kann nie mit absoluter Sicherheit vorausgesagt oder verhindert werden. Ein traumatisches Geburtserlebnis zählt nicht zu den Risikofaktoren, das heißt, dass jede Frau auch mit einem komplikationslosen Geburtsverlauf davon betroffen sein kann.

Es ist daher besonders wichtig, auf Frühsymptome zu achten und rechtzeitig professionelle Hilfe - etwa Psychotherapie - anzunehmen. Und wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Unterstützungen – sowohl im sozialen als auch im psychischen Bereichvorbeugend wirken können.

Wo bekommen junge Mütter Hilfe?

Zeigt sich die Wochenbettdepression bereits einige Tage nach der Geburt, so wird sie von den betreuenden Krankenpfleger:innen und Hebammen bemerkt und Hilfe kann angeboten werden.

Dr. Lynch-Arzt: "Oft treten die Symptome aber erst Wochen bis Monate nach der Geburt auf, sodass eine besondere Sensibilität des Partners bzw. des unmittelbaren sozialen Umfeldes gefragt ist. Auch die betreuende Frauenärztin oder der Frauenarzt wird bei der gynäkologischen Nachkontrolle auf spezielle Symptome, die auf eine Wochenbettdepression hinweisen können, achten. Professionelle Hilfe bieten dann Ärzti:nnen und Psychotherapeuten:innen an."

"In vielen Fällen ist auch eine medikamentöse Therapie mit Antidepressiva, die auch stillverträglich sind, notwendig. Bei rechtzeitigem Erkennen und Inanspruchnahme von professioneller Hilfe ist eine Wochenbettdepression prinzipiell gut behandelbar. Es gibt auch leichte Formen der postpartalen Depression, die keine medikamentöse Therapie benötigen.“

Wie kann man bei einer Wochenbettdepression helfen?

Eine Wochenbettdepression hat eine gute Prognose und heilt zumeist vollständig aus. Wichtig ist dabei die Unterstützung des Partners und der Familie, sodass die Mutter zur Ruhe kommen kann und ausreichend Schlaf findet. So sollte bei der Versorgung des Babys und seiner Geschwister geholfen werden. Auch ist eine Mithilfe im Haushalt wichtig.

Zudem sollte mit den diversen Bezugspersonen über Gefühle und Gedanken gesprochen werden. Auf jeden Fall sollte der Austausch mit anderen Betroffenen gefördert werden. Denn dadurch erkennt die junge Mutter, dass nicht nur sie darunter leidet. Kurzum – je mehr die Betroffenen Unterstützung bekommen, umso einfacher und schneller kann die Krise überwunden werden. Dr. Lynch-Arzt: "Trotzdem sollte bedacht werden, dass bei weiteren Geburten ein – allerdings geringes – Wiederholungsrisiko besteht."

Unterstützung - Hilfreiche Seiten im Internet:

Können auch Männer eine Wochenbettdepression bekommen?

Lange Zeit glaubte man, dass nur Frauen von einer Wochenbettdepression betroffen sein können. Dem ist nicht so. Genauso können Männer darunter leiden, denn "Auch für Männer stellt die Geburt ihres Kindes eine neue Lebenssituation dar. Die neue Verantwortung, die finanziellen Mehrbelastung, der Zeitmangel für Partnerschaft und Freunde, aber auch besonders hohe Erwartungen an sich selbst, um der neuen Vaterrolle gerecht zu werden, begünstigen das Auftreten dieser seltenen Form der Depression." meint dazu Dr. Lynch-Arzt.

Auch hier sind jene Männer gefährdet, die bereits früher unter Depressionen gelitten hatten oder wenn die Partnerin unter einer akuten Krise leidet. Die Symptome sind oft Schlafstörungen, Durchfall, Magenschmerzen bis hin zu Herzrhythmusstörungen. Genauso wie bei den Frauen ist Hilfe wichtig. Doch das ist gar nicht so einfach, da Männer sehr gerne ihre Probleme verdrängen und sich in Arbeit stürzen oder mit Freunden ausgehen.

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