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9 Fragen an die Liebe

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Mann verdeckt Frau die Augen
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Von der ersten Leidenschaft bis zu tiefer Verbundenheit: Es ist kompliziert. Wovon hängt es ab, in wen wir uns verlieben? Und: Wieviel Hingabe braucht es? Expert:innen klären auf.

Sie lässt uns zur besten Version unserer selbst werden und kann uns gleichzeitig zur Verzweiflung treiben. Über sie wurden Romane und Gedichte geschrieben, in ihrem Namen ganze Kontinente überwunden. Kein anderes Gefühl scheint für Menschen so mächtig zu sein und birgt gleichzeitig so viele Rätsel wie die Liebe. Was löst sie aus? Warum reicht sie manchmal einfach nicht? Wie hält sie für immer? Und geht das überhaupt?

Gemeinsam mit Expert:innen haben wir nach Antworten auf neun Fragen in Liebesdingen gesucht. Und uns angeschaut, was wir beitragen können, um in erfüllenden Partnerschaften zu leben.

Ist Liebe (auch) eine Entscheidung?

"Liebe zeigt sich in der Bereitschaft, für den anderen da zu sein", erklärt Einzel- und Paarcoach Sandra Teml-Wall (wertschaetzungszone.at). "In den kleinen Gesten des Alltags, aber auch in der Fähigkeit und dem Willen, Konflikte konstruktiv zu bewältigen. Sowohl in Handlungen der Fürsorge als auch in der Bereitschaft, sich emotional und sexuell mit dem anderen zu verbinden, ohne dabei dauerhaft zu verschmelzen." Dieser liebevolle Umgang miteinander braucht durchaus aktive Entscheidungen. "Liebe erfordert Arbeit im Sinne der ,Selbsterziehung', Hingabe und die Bereitschaft, durch Höhen und Tiefen zu gehen." Damit zwischen zwei Menschen überhaupt erst ein Gefühl tiefer Zuneigung entstehen kann, ist eine tiefe Verbindung, "die auf gegenseitigem Respekt, Vertrauen, Authentizität und Integrität beruht", die Grundvoraussetzung, weiß die Expertin. Die Entscheidung, jemanden zu lieben, könne durch bewusste Handlungen unterstützt werden - "auch wenn das emotionale Gefühl nicht sofort vorhanden ist". Die Expertin weist darauf hin: "Echte Liebe bedeutet, den anderen anzunehmen und zu respektieren, ohne ihn verändern zu wollen."

Wie hält die Intensität der Gefühle an?

Wenn wir jemanden kennenlernen, zeigen wir uns von unserer Schokoladenseite. Wir geben unser Bestes, weil wir uns des anderen nicht sicher sind. "Diese Unsicherheit verleiht dem Anfang seine Intensität: Wir wollen gefallen, und wenn uns das gelingt, steigert das unser Selbstbewusstsein", ordnet Sandra Teml-Wall ein. "Wir spiegeln uns gegenseitig und bekommen andauernde Bestätigung." Lässt dieser Anfangszauber nach, werden wir mit neuen Fragen konfrontiert: Wenn du mich nicht mehr brauchst, wirst du mich dann noch wollen? "In einer Beziehung kommen wir unweigerlich an unsere tiefsten Ängste und an unsere Begrenzungen. Das sind intensive Gefühle, die Paare über Jahre hinweg begleiten." Ohne die rosa Brille der Verliebtheit müssen die Partner:innen diese erst managen lernen. Es geht um eine Balance zwischen Nähe und Distanz. Um das Aushalten von Krisen. "Jede:r hofft, dass man selbst von den schlechten Zeiten verschont wird, aber Beziehungen sind nicht nur Wohlfühloasen, sondern auch Wachstumsmaschinen und Krisen insbesondere Einladungen dazu." Dass sich Gefühle im Lauf der Zeit verändern, ist demnach unumgänglich. Wichtig ist, zu erkennen, dass sie keine Selbstläufer sind: "Liebe nährt sich von der Fähigkeit zur Selbstachtung und gegenseitigen Wertschätzung."

Was ist wichtiger: Leidenschaft oder tiefe Zuneigung?

"Für eine erfüllende Beziehung ist beides von entscheidender Bedeutung", ist die Wiener Psycho- und Paartherapeutin Katrin Zoncsich (die-liebe.at) überzeugt: "Leidenschaft, sei es sexuelle oder emotionale, spielt besonders zu Beginn einer Partnerschaft eine zentrale Rolle, um in eine tiefgreifende emotionale Verbundenheit zu finden. Der Reiz des Neuen kann sexuelle Begierde natürlich zusätzlich anfachen." Auf der anderen Seite legen manche Menschen mehr Wert auf die emotionale und intellektuelle Kompatibilität, fühlen sich weniger von der Leidenschaft angezogen, weiß die Expertin. Für sie stehen Freundschaft und eine gemeinsame Entwicklung im Vordergrund: "Sie suchen nach einem oder einer Partner:in, der oder die sie geistig herausfordert und mit dem oder der sie ein tiefes Verständnis und Respekt teilen." Letztlich gebe es kein "richtig" oder "falsch" in dieser Frage: "Es zählt, was für jedes individuelle Paar funktioniert, was es als wichtig erachtet, abhängig von unterschiedlichen Bedürfnissen und Prioritäten. Entscheidend ist nur, dass man gemeinsam herausfindet, was man als Grundlage für eine erfüllende Beziehung betrachtet." Egal ob es sich um eine aufregende Romanze oder eine tiefe, innige Freundschaft handelt, das Wichtigste sei, dass die Partner:innen sich geliebt, respektiert und unterstützt fühlen.

Wann weiß man, dass es vorbei ist?

"Viele Menschen suchen die Ursache für die Veränderung in ihrer Liebe und Partnerschaft beim anderen – und fühlen sich von diesem manchmal sogar um das eigene Glück betrogen", ordnet Trennungsberater Torsten Geiling in seinem Buch "Ich will mich trennen" (Goldegg Verlag, € 24,-) ein. Was sie dabei oft nicht sehen: "Beide sind nicht mehr die Menschen, die sie waren, als sie sich ineinander verliebten." Das ist an sich nicht schlimm, im Gegenteil: Veränderung ist wichtig und unumgänglich. Schließlich stecken in einer Beziehung zwei Individuen mit eigenen Vorstellungen, Selbstwert und Gefühlen. "Schwierig wird es dann, wenn wir uns beziehungsweise die Richtung aus den Augen verlieren. Denn dann können wir nicht mehr sicher sein, ob unsere Ziele und damit unsere Wege, diese zu erreichen, überhaupt noch dieselben sind." Reden Paare nur noch aneinander vorbei und begegnen sich nicht mehr (auf Augenhöhe), ist das Ende damit oft vorprogrammiert. Um besser einschätzen zu können, wohin die Reise geht, ermutigt Geiling, das eigene Leben aus einer beobachtenden Perspektive zu betrachten.

Wovon hängt es ab, wen ich liebe?

Auch wenn Romantiker:innen es nicht gerne hören: Verliebtheit ist viel weniger eine Herzensangelegenheit als eine reine Kopfsache. Inwiefern, das führt die französisch-amerikanische Neurowissenschafterin Stephanie Cacioppo in ihrem Buch "Warum wir lieben" (Ullstein Paperback, € 21,50) aus. Das menschliche Gehirn setzt eine komplexe Reihe von Neurotransmittern und Chemikalien frei, die unsere Stimmung und Wahrnehmung beeinflusst. Diese biochemische Reaktion führt zu einem euphorischen Gefühl, das hauptsächlich durch Dopamin ausgelöst wird, auch bekannt als "Glückshormon". Es aktiviert Hirnregionen, die für Wohlgefühl und Belohnung zuständig sind und spielt auch bei Sucht eine große Rolle. "Deshalb kann das Verliebtsein sich so anfühlen, als würde man Drogen nehmen, ohne einen Kater zu bekommen", so Cacioppo.

Die körperlichen Effekte sind vielfältig: Die Herzfrequenz steigt, die Haut wird warm, die Wangen röten sich, das Gehirn sendet Signale an den Körper, Glukose auszuschütten und so zusätzlich Energie zu erzeugen. Verstärkt wird diese Reaktion von Noradrenalin, das unter anderem die Wahrnehmung von Zeit und Realität verändert. Gleichzeitig sinkt der Spiegel des Hormons Serotonin "auf ein derart niedriges Niveau, wie es bei Personen mit Zwangsstörungen anzutreffen ist", schreibt die Wissenschafterin. In wen wir uns letztlich verlieben, hängt von ganz bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen, die ebenfalls stark von Hormonen – konkret Östrogen, Testosteron, Dopamin und Serotonin – beeinflusst werden, ab, wie die amerikanische Anthropologin Helen Fisher herausfand. Der Forscherin zufolge fühlen wir uns vor allem zu jenen Menschen hingezogen, die hormonell ähnlich ticken wie wir selbst.

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Zwei Frauen, die mit ihren Lieben eine Blume berühren
 © Pexels

Wie viel Hingabe braucht es?

Es erfordert Engagement, Zeit, Aufmerksamkeit, um eine tiefe Verbindung aufrechtzuerhalten, weiß Paartherapeutin Zoncsich: "Jeder und jede Partner:in trägt Verantwortung dafür, dass die Liebe lebendig bleibt. Das gelingt durch Kommunikation und gegenseitige Unterstützung. Gemeinsame Interessen verbinden zusätzlich, doch muss man nicht in allem übereinstimmen." Selbstlosigkeit bis zu einem gewissen Grad sei gut, dabei dürfe man jedoch nie auf eigene Bedürfnisse vergessen: "Es geht um ein gesundes Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen." Zu Spannungen könne es auch kommen, wenn einer mehr liebt als der andere, sagt die Expertin. Es sei entscheidend, dass die Partner:innen auf derselben Ebene der emotionalen Investition sind: "Ein Ungleichgewicht kann zu Enttäuschung, Unzufriedenheit, letztlich zum Scheitern der Beziehung führen. In solchen Fällen ist es wichtig, darüber zu kommunizieren, Lösungen zu finden, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Das erfordert Offenheit, Kompromissbereitschaft und den gemeinsamen Willen, am Zusammenhalt zu arbeiten."

Lässt sich Liebe in Worte fassen?

Eine, die sich professionell damit beschäftigt, Gefühle verschriftlicht auf Papier zu bringen, ist Veronika Fischer. Die deutsche Philosophin, Autorin und Journalistin betreibt einen Liebesbriefservice (liebesbriefservice.com). Dabei geht sie sehr individuell an die Briefe heran und führt mit ihren Kund:innen ein Telefoninterview. Fischer fragt nach der Person, die diesen empfängt, der gemeinsamen Geschichte und dem Anlass. "Jeder ist anders, es gibt keine Musterformulierung", erklärt sie und findet: "Man kann mit Worten vieles ausdrücken, Geschichten erzählen, Erinnerungen bewahren und die eigenen Träume und Sehnsüchte beschreiben. Aber es gibt natürlich andere Wege, um seine Liebe zu zeigen." Manchen gelinge das besser über körperlichen Kontakt oder mit wertschätzenden Gesten wie einem selbst gekochten Essen oder einem kleinen Geschenk.

Welchen Tipp hat sie für Menschen, die selbst einen Liebesbrief schreiben möchten? "So zu schreiben, wie man ist, sich nicht großartig verstellen!" Sie selbst arbeitet dabei gerne mit gemeinsamen Erinnerungen: Welche tollen Erlebnisse hatte man zusammen? Vielleicht eine Reise, ein Konzert? Wie hat sich das damals angefühlt? Wie war das Wetter, was gab es zu essen? "Das sind Kleinigkeiten, die ein Bild sofort wieder aufleben lassen, Gefühle hervorrufen. Ein guter Liebesbrief berührt etwas im Inneren, stellt eine Verbindung her."

Wie verändert sich eine Partnerschaft im Alter?

Eine tiefe Verbundenheit, Vertrauen und gegenseitiger Respekt nehmen bestenfalls zu, meint Katrin Zoncsich: "In langjährigen Beziehungen hat man sicherlich viel miteinander durchgestanden und musste einander oft verzeihen. Der Schlüssel, den Respekt und die Zuneigung zu bewahren, liegt oft in der Kommunikation und im Verständnis füreinander." Im Idealfall sollte man sich nach wie vor gegenseitig unterstützen und gemeinsame Interessen pflegen, aber auch Freiräume für persönliche Entfaltung schaffen, rät die Therapeutin: "Die Zuneigung in einer langjährigen Partnerschaft kann beispielsweise durch kleine Gesten, Wertschätzung und Zeit füreinander aufrechterhalten werden. Letztendlich geht es darum, weiterhin an der Beziehung zu arbeiten und den Partner oder die Partnerin als den Menschen zu sehen, den man über die Jahre lieben und schätzen gelernt hat."

Wie bleibt man bei sich und wird gleichzeitig ein Team?

In einer Beziehung ist es wichtig, dass beiden Partner:innen klar ist, dass sie selbst und auch der andere eine eigenständige Person sind, weiß Einzel-und Paarcoach Sandra Teml-Wall: "Weil das eine Tatsache ist – die Verschmelzung ist dagegen nur Schein." Wie stark jemand dazu tendiert, in einem "Wir" aufzugehen, basiert auf der Fähigkeit, eine eigene Identität unabhängig von anderen zu entwickeln und aufrechtzuerhalten und gleichzeitig in engen Beziehungen verbunden zu bleiben. Man spricht in diesem Zusammenhang von Differenzierung, erklärt die Expertin. "Ein niedriges Maß an Differenzierung führt eher dazu, die eigene Identität aufzugeben, um in engen Beziehungen ein Gefühl der Sicherheit und Nähe zu finden. Diese Menschen verschmelzen eher mit dem Partner und sehen sich als Teil eines kollektiven ,Wir'."

Was tun, wenn man dazu neigt? "Das Bemerken ist schon ein erster wichtiger Schritt! Wenn ich feststelle, dass ich mich verloren habe, bin ich eingeladen, mich wieder sichtbar zu machen und eingefahrene Muster aufzubrechen. Dann wird es oft holprig in einer Beziehung, das gehört allerdings dazu, wenn man wachsen will." Teml-Wall weiter: "Es ist wichtig, an der eigenen Differenzierung zu arbeiten, Ängste und Unsicherheiten anzugehen und eine gesunde Balance zwischen Nähe und Autonomie zu finden. Nur wer sich Letztere bewahrt und gleichzeitig bereit ist, sich auf die Bedürfnisse und Wünsche eines anderen einzulassen, kann im Team funktionieren."

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