
Seit 3. März ist Eva-Maria Holzleitner Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung.
©Julia RotterEva-Maria Holzleitner hat das Frauenministerium in einer Zeit der Krisen übernommen. Wir wollten von ihr wissen: Wie will sie die drängenden Fragen der Gleichstellung angehen – und wieso lässt sie sich bremsen?
"Ja, ich bin Feministin“ – vier Worte, mit denen sich die neue Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner in ihrer ersten Pressekonferenz Anfang März klar von ihrer Vorgängerin Susanne Raab abgrenzte. Das Bekenntnis war ihr wichtig, sagt die 32-Jährige, als wir sie in ihrem neuen Büro im Palais Dietrichstein treffen: „Weil Feminismus etwas Positives ist. Ich werde mir das nicht von den Rechten madig reden lassen. Wir haben in den vergangenen Jahren oft genug gesehen, dass frauenpolitische Wordings diffamiert und zu Kampfbegriffen gemacht wurden.“ Auch die Frauenquote ist so ein Beispiel. Holzleitner: „Wir holen uns die Quote zurück. Gerade in Zeiten, in denen man geopolitisch merkt, dass die Männer ihre Reihen schließen und aktiv in die Rechte von Frauen eingreifen, muss man noch stärker auf genau solche Maßnahmen pochen.“ Wie mächtig sie sich fühlt und warum wir in puncto Gleichstellung immer nur schleppend vorankommen – das große Interview.
Frau Holzleitner, was können Sie nach zwei Monaten als Frauenministerin von Ihrer To-do-Liste abhaken?
Ziel Nummer eins war, die budgetäre Lage zu bewerten und abzusichern. Jetzt können wir in die inhaltliche Arbeit einsteigen und die Maßnahmen aus dem Regierungsprogramm angehen. Einer der ersten Punkte war, für die Frauenberatungsstellen sofort eine erste Zahlung anzustoßen, weil wir wissen, wie wichtig ihre Arbeit ist – diese Institutionen sollen nicht ums Überleben kämpfen müssen. Wir konnten außerdem am 23. April den „Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen“ starten. Jetzt geht es an die Umsetzung, damit alle Frauen rasch den Schutz bekommen, den sie brauchen. Auch beim „DickPic-Paragraf“ war es mir wichtig, schnell eine Lösung zu finden – in Kürze geht der Gesetzesentwurf dazu in Begutachtung.
Apropos Regierungsprogramm: Den Frauen werden nur zwei Seiten von 211 gewidmet. Reicht das, um endlich Gleichstellung zu erreichen?
Wir haben viele frauenpolitische Maßnahmen, die nicht nur im Frauenkapitel stehen, sondern auch in Bereichen wie Gewaltschutz, Arbeitsmarkt und Gesundheit. Neben mir müssen es auch andere Regierungsmitglieder als ihre Aufgabe verstehen, die Gleichstellung in unserem Land voranzutreiben. Dieses Bekenntnis verspüre ich bei vielen Kolleginnen und Kollegen.
Sie sagen es: Gleichstellung ist nicht nur „Frauenthema“. Scheitert man da dann nicht schon am Titel als Frauenministerin?
Sich in einer Regierung klar zu einem Frauenministerium zu bekennen, ist nicht nur ein essenzielles Signal, es geht dabei auch um Sichtbarmachung. Es ist meine Aufgabe, Problemlagen zu benennen und im Bündnis mit anderen Regierungsmitgliedern Lösungen im Sinne der Frauen zu finden. Wie beispielsweise beim „DickPic-Paragraf“ mit Justizministerin Anna Sporrer.
In einer Zeit der multiplen Krisen rückt Gleichstellungspolitik schnell in den Hintergrund. Wie werden Sie sichergehen, dass dem nicht so ist?
Sie rückt teilweise in den Hintergrund, das stimmt, dazu kommt ein weiterer negativer Trend, nämlich dass Männer aktiv Frauenrechte beschränken. Etwa im Bereich des Schwangerschaftsabbruchs, wo es nicht nur in den USA, sondern auch in manchen europäischen Ländern Rückschritte gibt. Oder Donald Trump, der in der öffentlichen Verwaltung das Wort Frau einfach streichen lässt. All das soll Frauen ihre Sichtbarkeit wegnehmen. Das klar zu benennen und über Österreichs Ländergrenzen hinaus Bündnisse mit anderen Frauenministerinnen zu schmieden, ist wichtig, um unsere Rechte weiter zu stärken. In der letzten Periode der EU-Kommission wurden maßgebende Richtlinien verabschiedet: die Lohntransparenz zum Beispiel oder die Geschlechterquote in Vorstand-und Aufsichtsratspositionen. Jetzt muss das EU-weit angegangen werden.
Auch bei uns steht der Schwangerschaftsabbruch noch immer im Strafgesetzbuch. An wem ist es gescheitert, dass das nicht geändert wird?
Ich möchte keine Rückschau zu den Verhandlungen machen. Es findet sich leider nicht im Regierungsprogramm, meine Haltung dazu ist aber ganz klar. Ich sehe es jetzt als Teil meiner politischen Verantwortung, etwa das Gesundheitspersonal zu unterstützen, das sich offen zu diesen Eingriffen bekennt.
Wie können Sie verhindern, dass veraltete Männerbilder, wie sie gerade auch in den USA verstärkt propagiert werden, zu uns herüberschwappen?
Mir sind gleiche Chancen für alle ein großes Anliegen, und dazu gehört es auch, Männlichkeitsbilder so zu definieren, dass Frauen wie Männern alle Möglichkeiten offenstehen – im Beruf und im Haushalt. Viel davon passiert aber auf Social Media: Ein wichtiger Punkt auf EU-Ebene ist dahingehend der Digital Services Act, der Hassrede und unangemessenes Verhalten im Netz definiert. Es muss klare Grenzen geben, was gepostet werden darf und was nicht. Auf der anderen Seite geht es darum, klar zu reflektieren: Was sehe ich in den sozialen Medien? Im Regierungsprogramm haben wir das unter „wehrhafte Demokratie“ zusammengefasst, aber es geht hier viel um Bildung, darum, zu verstehen und kritisch zu hinterfragen. Das betrifft nicht nur toxische Männlichkeit, sondern auch KI-generierte Bilder und Fake News. Jedem muss klar sein: Nicht alles, was ich online lese, ist wahr, und vieles davon ist problematisch. Das ist eine große Aufgabe, da wird es zahlreiche Maßnahmen brauchen. An der genauen Ausformulierung der Programme arbeiten wir noch.
Feminismus ist etwas Positives. Das lasse ich mir von den Rechten nicht madig reden.
Auch häusliche Gewalt ist eng mit tradierten Männerbildern verbunden: Welches Gesetz würden Sie sofort umsetzen, stünde Ihnen niemand im Weg?
Ich halte es für sinnvoll, gesetzlich den norwegischen Weg einzuschlagen, der da lautet: Nur Ja heißt Ja. Aktuell ist die gesetzliche Lage so, dass Frauen aktiv ablehnen müssen, wenn sie etwas nicht wollen. Es ist aber ein Konsens von beiden notwendig. Und diesen Shift wünsche ich mir in Österreich, aber auch international.
Österreich gilt im internationalen Vergleich nicht unbedingt als Vorreiter in Gleichstellungsfragen. Liegt das an der Politik oder der Gesellschaft?
In der Vergangenheit hat es immer geheißen: Frauenpolitik ist das Bohren harter Bretter, inklusive einer Platte Stahlbeton obendrauf. Warum geht es nur schrittweise weiter? Das liegt an verschiedenen Faktoren. Zum einen an den Positionen der Parteien und daran, dass man in Koalitionsverhandlungen aufeinander zugehen muss. Zum anderen braucht es auch eine Gesellschaft, die klar fordert, dass es mehr Fortschritte gibt.
Trotzdem – Stichwort Väterkarenz: Man könnte ein Karenzmodell nach isländischem Vorbild einführen, wo eine Beteiligung der Väter vorgesehen ist und finanziell belohnt wird. Warum geht man das nicht offensiver an?
Wenn es nach mir ginge, wäre eine Gesetzesänderung hier der schnellste Weg, damit sich beide Elternteile unabhängig vom Geschlecht gleichermaßen an der Kindererziehung beteiligen und sich bezahlte und unbezahlte Arbeit besser aufteilt. Aber man muss eben auch anerkennen, dass diese verpflichtende Teilung der Karenz nicht alle wollen. Was ich tun kann, ist Frauen zu ermutigen, Gleichberechtigung in der Partnerschaft einzufordern, Männer zu bestärken, in Karenz zu gehen, und positive Beispiele sichtbar zu machen – denn das kann etwas bewegen.


Frauenrechte stehen für Eva-Maria Holzleitner schon lange im Fokus. Seit 2021 als Bundesvorsitzende der SPÖ-Frauen und seit 2017 als Abgeordnete zum Nationalrat.
Wenn man sich Ihren Lebenslauf anschaut, sind Sie das, was man gemeinhin als Berufspolitikerin bezeichnet: Wie nah sind Sie an der Lebensrealität von Frauen, die täglich zwischen Job, Kind und unbezahlter Care-Arbeit pendeln?
Wir sitzen gerade in einem wunderschönen Büro im 1. Wiener Bezirk, aber mir ist es wichtig, viel unterwegs zu sein und im Gespräch zu bleiben. Ich war immer gern in den Bundesländern, um dort Beratungsstellen zu besuchen und mit verschiedenen Frauen zu reden.
Sie sind mit 32 Jahren eines der jüngsten Regierungsmitglieder. Wie mächtig fühlen Sie sich in Ihrer Rolle?
Es ist vor allem Demut, die mich erfüllt, weil ich diese Funktion ausüben darf. Auch wenn es gerade eine schwierige Zeit ist, wenn man zum Beispiel an das Budget denkt, ist es eine große Ehre, für die Frauen in diesem Land arbeiten zu dürfen.
Welche Frage sollen sich Frauen in fünf Jahren nicht mehr stellen müssen?
Wie geht sich das alles aus?
Über die Autor:innen

Elisabeth Mittendorfer
Elisabeth schreibt als leitende Redakteurin für WOMAN für das Ressort Porträts & Reportagen.

Melanie Zingl
Melanie ist seit 2007 bei der Verlagsgruppe News (VGN) tätig. 2016 wurde sie Leitende Redakteurin und 2018 Stellvertretende Chefredakteurin. Seit 2024 ist Melanie Chefredakteurin bei WOMAN. Ihr erklärtes Ziel: "Make the World more WOMAN. Weil wir davon überzeugt sind, dass eine gleichberechtigte Welt eine bessere ist."