
Sie stehen auf gegen den Männerclub der Macht und setzen ein Zeichen gegen den autoritären Kurs der Trump-Regierung. Wie sich sechs Frauen gegen die neue alte Ordnung stellen.
Mittlerweile vergeht kaum ein Tag, an dem Donald Trump die Welt nicht mit neuen Nachrichten in Atem hält. Der 78-Jährige, der bereits einmal abgewählt wurde, ist zurück im Weißen Haus und steht wieder im Zentrum der Macht – radikaler und erratischer denn je, wie Politikwissenschaftler:innen es einordnen. Aber nicht nur Trump selbst sorgt für Unruhe, sondern auch sein Schattenkabinett, das er um sich geschart hat: Milliardäre aus dem Silicon Valley, libertäre Tech-Titanen, Männer mit politischem Einfluss und einem ausgeprägten Sendungsbewusstsein gegen die politische Wokeness. Eine Elite von weißen Männern, die glaubt, das System neu erfinden zu müssen – indem sie es zerstört. Gesellschaftspolitisch bringt das bereits jetzt für viele Bevölkerungsgruppen – allen voran Frauen und Minderheiten – erhebliche Rückschritte mit sich: Schon seit 2022 gibt es kein landesweites Recht auf Abtreibung mehr. Das „Project 2025“ will Schwangerschaftsabbrüche in den gesamten USA verbieten. Gender-Studies-Programme an Universitäten werden zusammengestrichen, Diversity-Abteilungen in Behörden aufgelöst. Es ist ein Amerika im Kulturkampfmodus, ein Land, in dem Rechte nicht mehr garantiert, sondern verhandelt werden. Und verhandelbar sind.
Doch es regt sich Widerstand: Anfang April haben an vielen Orten Menschen zu Tausenden gegen die Politik von Donald Trump protestiert. Und es gibt entschlossene Frauen aus Kunst, Politik, Wissenschaft und Hollywood, die sich gegen diese neue alte Ordnung stemmen. Meist führen sie keine Institutionen an, aber sie führen Debatten – mutig und unermüdlich, jede auf ihre eigene Art. Mit ihrer Stimme, Reichweite, ihrem Humor. Eine von ihnen ist Jessica Walsh …


Jessica Walsh, Illustratorin. Die New Yorker Künstlerin und Unternehmerin veröffentlicht immer wieder Trump-kritische Postings auf Instagram – dort folgen ihr über eine halbe Million Menschen. Sie positioniert sich in ihrer Arbeit klar gegen Fremdenhass und politische Hetze.
© Jessica WalshKunst als Statement
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die New Yorker Illustratorin und Agenturchefin Jessica Walsh auf ihrem 570.000 Follower:innen starken Instagram-Account politisch positioniert. Gegen Frauenhass, Populismus und rassistische Hetze – für Empathie und Nächstenliebe. Am 20.1.2025, dem Tag der Amtseinführung des 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten, veröffentlichte die Kreative ein Bild einer verknitterten Gummimaske mit Trumps Konterfei drauf. Die Maske liegt am Boden und soll von einem Besen entsorgt werden. Im Hintergrund steht „Can’t wait for 2029“, das letzte Jahr, in dem Präsident Trump an der Macht sein soll. Mit ihrem Fotokommentar „Sigh“, also einem digitalen Seufzer, bringt Walsh die verzweifelte Gefühlslage so vieler Menschen in den Staaten auf den Punkt.
Schon 2016, als Trump beim ersten Wahlkampf mit seinen Grenzzaun-Plänen zu Mexiko rassistische Ressentiments befeuerte, wurde Walsh aktiv. Die Unternehmerin demonstrierte vor dem Trump Building in New York und errichtete gemeinsam mit dem Designer Timothy Goodman und Hunderten Unterstützer:innen eine Styropormauer mit den Worten „Build Kindness not Walls“. Die Aktion war Teil eines Jahresprojekts mit insgesamt zwölf Alltagsexperimenten, die zum Nachdenken und Umdenken anregen und unsere Welt zu einem besseren und freundlicheren Ort verwandeln sollen.


Chelsea Handler, Comedienne. Die US-amerikanische Comedienne, Autorin, Schauspielerin und Produzentin ist für ihren schonungslosen Humor und ihre politische Haltung bekannt. Sie nutzt ihre Plattform, um sich für Frauenrechte, Gleichstellung und Meinungsfreiheit starkzumachen.
© picturedesk.comHumor mit Substanz
Auch Chelsea Handler versucht ihre Arbeit politisch zu nutzen. Als sie im November 2016 erfuhr, dass Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, hielt sie es zunächst für einen Scherz. „Ich dachte, das wäre ein Witz“, sagte sie – und weinte damals in ihrer eigenen Show vor laufender Kamera. Bis dahin war die heute 50-Jährige vor allem für ihre derben Witze über die Eitelkeiten der Reichen und Schönen in Hollywood bekannt.
Acht Jahre später nutzt die Comedienne und Bestsellerautorin ihre Bühne zunehmend als politisches Sprachrohr. Ihr Humor bleibt dabei scharf – und derb –, die Haltung dahinter ist aber ernster geworden. In ihren Stand-up-Programmen spricht Handler zum Beispiel über Abtreibungsrechte, die Klimakatastrophe und männliche Machtfantasien. Ihr politischer Aktivismus geht dabei weit über bloße Empörung hinaus: Im Lauf der Jahre hat dieser einen Prozess der Reflexion bei der US-Amerikanerin in Gang gesetzt – vor allem über ihre eigenen Privilegien: „Ich bin ein besserer Mensch geworden und informierter. Ich lerne“, sagte sie gegenüber CNN. In der 2019 auf Netflix veröffentlichten Dokumentation „Hello, Privilege. It’s Me, Chelsea“ untersucht Handler, wie weiße Privilegien die amerikanische Kultur beeinflussen und inwiefern sie selbst davon profitiert. Als ihr Erzfeind Trump im vergangenen November zum zweiten Mal zum amerikanischen Staatsoberhaupt gewählt wurde, schlug sie auf Instagram einen ungewohnt nachdenklichen Ton an: „Ich werde nicht zulassen, dass meine Wut wieder mein Leben bestimmt. Ich werde meine Wut in Positivität, Freude und Entschlossenheit kanalisieren, damit etwas Positives dabei herauskommt, selbst wenn das erst in zwei Jahren bei den Zwischenwahlen sein wird. Ich werde niemals aufgeben, für Frauen, für unsere Rechte, für die LGBTQ+-Community, für alle meine trans Freunde und für die Eltern der jungen Transsexuellen in diesem Land zu kämpfen.“ Mit ihrem aktuellen Bühnenprogramm „An Abroad Broad“ tourt die Komikerin im Mai und Juni durch Europa, am 29. Mai gastiert sie im Globe Wien. Neben persönlichen Geschichten sind auch politische Kommentare in gewohnt bissiger Manier zu erwarten.


Vivian Jenna Wilson, Sprachstudentin. Der Tochter von Elon Musk folgen auf Instagram über 294.000 Fans. Sie bezeichnet sich dort als „professioneller F-Promi und angehendes irgendwas auch immer“. 2022 beantragte sie eine Namensänderung, um nichts mehr mit ihrem Vater zu tun zu haben.
© instagram.com/vivllainousKontaktabbruch zum eigenen Vater
Ausgerechnet die Tochter des reichsten Mannes der Welt sagt in einem Interview mit der „Teen Vogue“: „Ich gebe einen Scheiß darauf, wie viel Geld jemand hat.“ Lange Zeit äußerte sich Vivian Jenna Wilson nicht öffentlich über ihren Vater Elon Musk. Jetzt aber macht die 20-Jährige, die trans ist und aktuell in Tokio lebt, klar: „Er ist ein erbärmliches Mannsbild.“ Sie will mit dem technokratischen Welterklärer und engen Verbündeten von Donald Trump nichts zu tun haben. Nicht mit seinem Namen und auch nicht mit seinem Weltbild. Was wie eine Familiengeschichte klingt, ist in Wahrheit ein politisches Statement. Denn während Trump im Weißen Haus per Dekret die Existenz von trans Personen infrage stellt, steht Wilson exemplarisch für eine Generation, die sich nicht länger zum Schweigen bringen lässt.
„Mein Sohn ist tot. Das Woke-Mind-Virus hat ihn umgebracht“, schrieb Musk erst im März auf X. Wilson konterte mit Haltung – und Humor. Auf TikTok und Threads spricht sie über Dragshows, queere Kultur, linke Politik. Sie liest Marx, schaut „RuPaul’s Drag Race“, trägt Vintage und zerpflückt Trumps Regierung per Meme. Ihr Leben ist ein Gegenentwurf zu dem ihres Vaters. Während manche sagen, die Transition sei es gewesen, die den politischen Sinneswandel bei Musk ausgelöst habe, sagt seine Tochter: „Die Behandlung hat mich gerettet.“


Alexandra Ocasio-Cortez, Kongressabgeordnete. Die 35-Jährige wuchs in der Bronx auf, ihre Eltern stammen aus Puerto Rico. 2018 wurde sie mit 29 Jahren die jüngste Kongressabgeordnete aller Zeiten – und gilt seither als Hoffnungsträgerin für die Demokraten und insbesondere die Anliegen von Frauen.
© 2019 Getty ImagesPolitischer Protest
Bereits zur Amtseinführung Trumps im Jänner 2025 setzte die populäre linke Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez ein deutliches Zeichen, indem sie der Zeremonie demonstrativ fernblieb. In einem Instagram-Post erklärte sie: „Ich feiere keine Vergewaltiger.“ Damit bezog sie sich auf die Verurteilung Trumps im Fall E. Jean Carroll. Doch die Demokratin stellt sich nicht nur gegen Trumps Politik, sondern auch gegen seinen ideologischen Zirkel aus Milliardären wie Elon Musk, die durch Einflussnahme auf Medien und Plattformen den politischen Diskurs prägen. Auf der „Fighting Oligarchy“-Tour mit Bernie Sanders prangerte sie die Machtkonzentration an der Spitze der amerikanischen Gesellschaft an und warb für eine gerechtere Zukunft. Dabei bleibt ihre Botschaft klar: Die Demokratie braucht Widerstand – und eine neue Generation, die ihn laut artikuliert.


Jay Graber, Bluesky-CEO. Ihre Botschaft am T-Shirt richtet sich gegen Mark Zuckerberg: „Mundus sine Caesaribus“ („Eine Welt ohne Kaiser“) ist darauf zu lesen. Die Visionärin kritisiert damit die Monopolstellung von Meta, zu dem Instagram, WhatsApp und Facebook gehören. Zu ihrer Plattform flüchten viele, die X unter Elon Musk satthaben.
© DDP ImagesKampfansage am Shirt
Mit ihrem T-Shirt sorgte die 34-jährige Bluesky-Chefin zuletzt bei einer Konferenz in Austin für Aufsehen. „Mundus sine Caesaribus“ stand drauf, auf Deutsch: „Eine Welt ohne Kaiser“. Jay Grabers Message richtet sich gegen Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, der ein paar Wochen vorher ebenfalls mit einem lateinischen Spruch auf seinem Oberteil für Aufsehen sorgte: „Aut Zuck aut nihil“, frei übersetzt mit „Entweder Zuck oder nichts“. Eine wenig überraschende Phrase, die den narzisstischen Machtanspruch in seinem Tech-Imperium zum Ausdruck bringen soll. Für ihren Konter wird Graber im Internet gefeiert. Ihre Kampfansage: „Wir wollen keine digitalen Feudalherren!“ Sie verspricht, dass ihre 34,7 Millionen User:innen starke Social-Media-Plattform niemals von einer einzelnen Person monopolisiert werden könne. Die ehemalige Krypto-Entwicklerin ist Verfechterin des offenen Internets, ihre soziale Microblogging-Plattform Bluesky ist seit 2021 als gemeinnütziges Unternehmen am Start für ein friedliches und zivilisiertes Miteinander.


Mariann Edgar Budde, Bischöfin. Seit ihrer offenen Kritik an Trump in ihrer Predigt zur Inauguration wird die Bischöfin aus Washington massiv bedroht. Der Präsident selbst fordert eine Entschuldigung – Mariann Edgar Budde aber denkt nicht daran.
Stimme der Vernunft
Das Video von ihrer Predigt ging um die Welt: Die Geistliche aus Washington nahm zum Amtsantritt von Donald Trump ihren ganzen Mut zusammen und übte vor laufender Kamera Kritik. Mariann Edgar Budde sagte ihm ins Gesicht, was seine Politik bei vielen Menschen auslöst: „Im Namen unseres Gottes bitte ich Sie um Erbarmen für die Menschen in unserem Land, die jetzt in Furcht leben. Es leben schwule, lesbische und transgeschlechtliche Kinder in demokratischen, republikanischen und unabhängigen Familien. Manche von ihnen fürchten um ihr Leben.“ Die Bischöfin brachte auf den Punkt, was Trumps Kultur der Verachtung, Herabsetzung, Dehumanisierung mit der amerikanischen Gesellschaft anrichtet. „Zudem sind Millionen Menschen von der Vision eines wiederaufstrebenden Amerikas ganz einfach ausgeschlossen“, so Budde. Es ist nicht das erste Mal, dass die 65-Jährige ihre Stimme erhebt. Bei den Black-Lives-Matter-Protesten 2020, die nach der Tötung von George Floyd durch die Polizei im ganzen Land stattfanden, positionierte sich Budde gegen den Präsidenten, der in Washington Demonstrant:innen gewaltvoll vom Lafayette Square entfernen ließ. „Damit hatte er eine Grenze überschritten“, erinnert sich die Geistliche. Für Budde war dieses Erlebnis auch der Auslöser, um ein Buch zu schreiben, in dem sie reflektiert, wie man aus sich selbst Mut schöpfen kann („Mutig sein“, Fischer). Sie denkt noch lange nicht daran, still zu bleiben: „Ich werde für das Wohlergehen des Planeten weiterkämpfen.“
Einstweilen hat Trump eine Liste von 200 Wörtern zusammengefasst, die aus Regierungsdokumenten verschwinden sollen. Darunter Begriffe wie „Frauen“ oder „Feminismus“. Denn nichts scheint für den US- Präsidenten bedrohlicher zu sein als emanzipierte Frauen, die selbstbestimmt ihre Stimme erheben. Doch die Zukunft wird nicht kampflos demontiert. Sie wird von denen gemacht, die sich nicht zum Schweigen bringen lassen.