
Überzeugungskraft ist eine Kunst, die einen privat und beruflich weiterbringt. Silvia Agha-Schantl kennt die Profi-Strategien. Und: Wie uns Nervosität dabei hilft...
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Die Zeit läuft, die Scheinwerfer sind auf die Person im Mittelpunkt gerichtet – jetzt nur nichts Falsches sagen: Szenen wie diese sind unter anderem aus den TV-Formaten „2 Minuten 2 Millionen“ oder „Die Höhle der Löwen“ bekannt. Start-up-Gründer:innen präsentieren Investor:innen dabei unter Zeitdruck ihre Ideen. Nur wer in wenigen Momenten überzeugend auftritt, hat eine echte Chance. Doch worauf kommt es bei einem Pitch wirklich an? Wie viel ist reine Vorbereitung, was kann man mit Charisma und Präsentationsgeschick wettmachen?
Eine, die sich jenseits der Kameras mit diesen Fragen beschäftigt, ist Silvia Agha-Schantl. Die Kommunikationswissenschaftlerin und Verkaufsexpertin für Frauen weiß, was wichtig ist, wenn Ideen Gehör finden sollen. Sie ist überzeugt: „In den ersten Sekunden muss für das Gegenüber klar sein: Warum ist das hier spannend für mich?“ Im WOMAN-Gespräch verrät die Speakerin, wie es gelingt, andere für sich zu gewinnen – im Alltag und im beruflichen Umfeld.
Die eigene Story finden
Ob als Start-up-Gründerin oder vor einem wichtigen Projekt: Welche drei Fragen sollte man sich vor jedem Pitch stellen?
Am wichtigsten: Was genau soll mein Gegenüber danach denken, fühlen und vor allem tun? Was ist das Ziel dahinter? Zweitens: Was ist der konkrete Nutzen für mein Publikum? Nicht allgemein, sondern ganz individuell. Und drittens: Welche Emotion will ich wecken, und mit welcher Geschichte, mit welchem Bild gelingt mir das am besten? Beantworte ich diese drei Fragen für mich ehrlich, wird meine Präsentation automatisch relevanter, emotionaler und wirksamer. Beim Pitchen geht es um Wirkung, nicht um Wirklichkeit.
Wie lässt sich die Wirkung optimieren?
Für mich ist entscheidend, dass ein Pitch nicht nur bloß Fakten oder Informationen abspult, sondern sofort einen Funken überspringen lässt. Es geht nicht nur darum, was ich sage, sondern wie ich es sage. Meine Körpersprache, meine Stimme, meine Energie: All das ist Teil meines Auftretens. Und: Wer Geschichten erzählen kann, ist deutlich im Vorteil.
Storytelling ist in aller Munde. Wie findet man seine eigene Story?
Indem Sie sich fragen: Wann war ich selbst in der Situation meines Kunden? Oder: Welche Erfahrung hat mich geprägt? Was kann ich besser als die anderen? Die besten Pitches sind keine PowerPoint-Präsentationen, sondern Erlebnisse.
Wie emotional darf oder soll so ein Auftritt sein?
Er darf und muss emotional sein! Menschen entscheiden auf emotionaler Ebene. Rationalisieren tun sie später. Die wichtigsten Emotionen im Pitch sind Begeisterung, Vertrauen, Erleichterung. Begeisterung für die Lösung, Vertrauen in Sie und Erleichterung, dass Sie etwas Passendes präsentieren.


Sie weiß, wie man überzeugt: Silvia Agha-Schantl war die jüngste Dozentin an der Universität Klagenfurt. Mit ihrem Buch „Sell Like a Queen“ will sie vor allem Frauen dazu ermutigen, ihre Stärken einzusetzen und Ziele zu erreichen. agha-schantl.com
© Alisa van ZaamKompetent präsentieren
Welche Vorbereitung hilft, um positiv auf andere zu wirken?
Ich empfehle: Nehmen Sie sich Zeit für die Zielgruppenanalyse, Ihre geschickte Positionierung, Nutzenargumente und vor allem für Ihren Einstieg. Dabei entscheidet sich, ob Sie Gehör finden oder nicht.
Apropos Einstieg: Wie gelingt es, in den ersten Sekunden Interesse zu wecken – gerade wenn wenig Zeit bleibt?
Mit einem „Wow!“ beim Gegenüber statt einem „Hallo, ich will mich gerne kurz vorstellen“. Ich starte am liebsten mit einer starken Frage, einem Zitat, einer Kundenaussage, einem überraschenden Fakt oder einem kurzen Bild aus dem echten Leben. Das Ziel ist, Aufmerksamkeit nicht durch Lautstärke, sondern durch Relevanz und Persönlichkeit zu generieren. Ein echter Gamechanger ist, gleich zu Beginn eine persönliche Verbindung herzustellen, zum Beispiel durch ein ehrliches Kompliment, einen humorvollen Einstieg oder eine berührende Mini-Story. Es geht darum, Nähe zu schaffen.
Wie lässt sich die eigene Präsentationskompetenz steigern?
Ein wichtiger Faktor ist Ihre Ausstrahlung. Sie beginnt nicht erst, wenn Sie auf der Bühne stehen und zu sprechen beginnen, sondern bereits im Kopf. Ihre innere Haltung spiegelt sich eins zu eins in Ihrer äußeren Wirkung. Wie denken Sie über sich? Über Ihr Thema? Über Ihr Publikum? Kann das Publikum in jeder Zelle spüren, wie sehr Sie für Ihr Thema brennen? Dann kommt die Technik ins Spiel: Stimme, Körper, Sprache.
Kann man das trainieren?
Ich habe über Jahre hinweg aus Schauspiel, Wissenschaft und Praxis ein Set an Tools entwickelt – und das Wunderbare ist: Jede:r kann lernen, zu strahlen. Nur: Das bloße Lesen über Ausstrahlung, Positionierung und Co. bringt leider nichts. Wir müssen es üben – nur so schaffen wir, dass es ankommt.
Es geht nicht nur darum, was ich sage, sondern wie ich es sage. Meine Körpersprache, meine Stimme, meine Energie: All das ist Teil meines Pitches.
Mit Nervosität umgehen
Sneaker oder High Heels: Welche Rolle spielt die Wahl des Stylings?
Das Outfit ist die erste Message, noch bevor Sie ein Wort sagen. Ich rate daher: Kleiden Sie sich so, wie Sie sich fühlen wollen, und bedenken Sie, was zu Ihnen, Ihrem Job und Ihrer Wirkung passt. Empfehlenswert ist ein Business-Look, der Power ausstrahlt. Den können Sie durch bewusst gesetzte Akzente, etwa mittels farbiger Accessoires, unterstreichen. Und, ganz wichtig: Am Tag des Pitches keine Experimente wagen.
Man kann so oft wie möglich proben, auf der Bühne werden viele dennoch nervös. Ihr Tipp bei Lampenfieber?
Erstens: Kämpfen Sie nicht dagegen an. Nervosität ist kein Feind, sie ist Energie. Und Energie brauchen wir! Zweitens: Bereiten Sie sich so gut vor, dass Ihr Selbstvertrauen lauter ist als Ihre Zweifel. Und drittens: Nutzen Sie Atemtechniken. Ich liebe die 4-6-Methode: 4 Sekunden ein-, 6 Sekunden ausatmen – das bringt Sie in den Parasympathikus und damit zur inneren Ruhe. Außerdem: Viel trinken, denn Wasser verdünnt das Adrenalin im Blut. Am besten zimmerwarm und, wichtig, ohne Sprudel. Sie wollen ja nicht aufstoßen.
Was raten Sie beim Gefühl, nicht laut genug sprechen zu können?
Sie müssen nicht laut sein, Sie müssen klar sein. Eine klare Stimme, ein klarer Standpunkt, eine klare Botschaft – diese Aspekte sind im übertragenen Sinn viel lauter, als in Dezibel gemessen werden kann. Präsenz beginnt in der Tiefe Ihrer Stimme, nicht in ihrer Lautstärke. Mit meinen Kund:innen mache ich gerne Übungen zur Stimmbildung. Darüber hinaus können Sie sich überlegen, wie Sie sich anders Gehör verschaffen können, etwa durch Erfolge, Kunden-Success-Stories oder ein umwerfendes Portfolio.
Worst Case: Der Pitch scheitert. Wie kann man trotzdem gestärkt daraus hervorgehen?
Indem man das Ganze als Feedback und Chance betrachtet. Hier zeigt sich das innere Gewinner-Mindset: Übernehmen Sie Verantwortung, und fragen Sie sich: Was war gut? Was kann ich verbessern?