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Kleine Gesten, große Wirkung: Über Freundlichkeit im Alltag

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Aktualisiert
Lesezeit
8 min
eine Frau in weißem Hemd, sie hat Blumen in den Ärmeln, das Bild ist unscharf

©Stocksy

Freundlichkeit muss nicht spektakulär sein. Ein Lächeln, ein Kompliment oder eine helfende Hand machen uns attraktiver, glücklicher und sogar erfolgreicher. Coach René Borbonus über die Kunst, ein freundlicher Mensch zu sein.

Die aktuelle Ära ist geprägt von Erschöpfung. Das hat Folgen: Der öffentliche Ton ist rauer geworden, und soziale Netzwerke dienen als Ventil für Unmut. Echte Freundlichkeit wirkt da fast schon wie ein Akt der Rebellion. Man begreift ihren Wert oft erst im Kontrast – etwa beim Zusammentreffen mit notorisch Gereizten: Menschen, die mit finsterer Miene und spitzen Bemerkungen jede Leichtigkeit im Keim ersticken. „Lass mich in Ruhe mit dem Mist!“, heißt es dann, und der Tag kippt in Sekundenschnelle. In einer Gesellschaft, die zunehmend von Eile, Effizienz und Eigeninteressen geprägt ist, wird Freundlichkeit schnell zur Nebensache. Dabei ist sie alles andere als banal – sie ist eine Haltung.

In seinem neuen Buch verrät Rhetoriktrainer und Kommunikations-Coach René Borbonus, wie es gelingt, ein freundlicher Mensch zu werden. Für ihn steht fest: „Wer besser leben will, der gebe mehr.“ Wir baten ihn zum Gespräch.

WOMAN

Glauben Menschen, wenn sie zu freundlich sind, dass sie sich etwas vergeben? Als schwach dastehen?

René Borbonus

Leider ja. Es ist aber ein großer Irrtum. Indem wir den Trumps und Musks dieser Welt zu viel von unserer Aufmerksamkeit schenken, entsteht leicht der falsche Eindruck, Erfolg könnte man mit dem Ellbogen erzwingen.

WOMAN

Warum ist dem nicht so?

René Borbonus

Menschen, die über einen langen Zeitraum wirksam sind – ich denke hier etwa an Helmut Schmidt, Barack Obama, Carlo Andreotti oder Nelson Mandela –, werden als sympathisch wahrgenommen, weil sie nicht hetzen, sondern ausgleichen. Wir sind oft zu sehr auf unsere kurzfristigen Interessen fixiert und vergessen, dass Glück und Zufriedenheit langfristig auf gelingenden Beziehungen fußen und nicht auf einem momentanen Vorteil.

WOMAN

Die Wiener gelten als Grantler. Was steckt hinter dieser Unfreundlichkeit?

René Borbonus

Unfreundliches Verhalten geht nicht zwingend mit einer grundlegend grantigen Einstellung einher. Oft verbirgt sich dahinter ein Schutzmechanismus: Bloß keine Schwäche zeigen! Wer Unfreundlichkeit aussendet, tut dies oft, weil er den Eindruck hat, dass er selbst vom Leben benachteiligt wurde.

Freundlichkeit ist nicht nur schön. Sie ist auch klug.

René Borbonus
Rene Borbonus

 © Privat
WOMAN

Sie sagen: Freundlichkeit ist nicht nur schön, sondern auch klug. Warum?

René Borbonus

Bei den meisten Begegnungen im Alltag geht es darum, mit anderen zu kooperieren – ob das nun die Kollegin, der Nachbar oder die Lebenspartnerin ist. Dabei hilft Freundlichkeit enorm, weil sie fast immer gespiegelt wird. Wem wir uns freundlich zugetan zeigen, der wird eher mit uns zusammenarbeiten. Ein gutes Wort kann aus Nachbarn Freunde machen, erschöpfte Menschen wieder aufrichten und Ladenöffnungszeiten aushebeln. Wir haben also selbst sehr viel davon, wenn wir uns freundlich zeigen, vor allem ein einfacheres Leben. Wer besser leben will, der gebe mehr – das ist für mich ein Leitsatz der freundlichen Kommunikation.

WOMAN

Gelingt es Ihnen selbst denn immer, freundlich zu sein?

René Borbonus

Ich bin ein Lernender. Man kann nicht verhindern, dass sich Emotionen einschleichen. Wir haben ja selten ein Problem damit, was eine Person sagt, sehr wohl aber damit, wie sie es sagt. Bestimmte Reizworte bauen sofort Widerstände in uns auf. Davor bin ich genauso wenig gefeit wie jeder andere auch. Wer freundlicher sein möchte, der sollte lernen, eine wohlwollende Grundhaltung mit den richtigen Kommunikationstechniken zu verbinden. Genau dabei möchte ich Menschen unterstützen.

WOMAN

Was fällt alles unter „Freundlichkeit“?

René Borbonus

Es gibt kaum eine Form der Interaktion, die sich nicht durch Freundlichkeit wirkungsvoller gestalten ließe. Die wichtigsten Schlagworte sind Präsenz, Verbindlichkeit und Akzeptanz. All diese Tugenden entspringen einer freundlichen Haltung und formen unsere Begegnungen. Wer präsent ist, kann nicht gleichgültig sein. Wer sich verbindlich zeigt, kann nicht unglaubwürdig rüberkommen. Wer Akzeptanz demonstriert, kann nicht abweisend wirken. Was die Relevanz von Freundlichkeit für unser Leben betrifft, würde ich sogar noch einen Schritt weiter gehen und den Umgang mit sich selbst einbeziehen. Denn der wirkt sich in hohem Maße darauf aus, wie wir anderen begegnen. Wer nicht gelernt hat, freundlich zu sich selbst zu sein, dem wird es auch anderen gegenüber schwer gelingen. Sich auf andere einlassen, zuhören und vergeben können, sich selbst auch mal nicht so ernst nehmen – das sind wichtige Bestandteile der freundlichen Kommunikation.

WOMAN

Wie lerne ich, mit mir selbst freundlich umzugehen?

René Borbonus

Gegenfrage: Wie wollen Sie selbst behandelt werden? Das Schlüsselwort lautet: Respekt. Wir wollen mit unseren Bedürfnissen wahr- und ernst genommen werden. Wir unterdrücken zu oft Empfindungen und Wünsche, weil wir glauben, dass uns die Zeit dafür fehlt oder dass etwas anderes wichtiger ist.

WOMAN

Können selbst Grantler zu freundlichen Menschen werden?

René Borbonus

Sicher. Freundliche Kommunikation kann jeder erlernen. Menschen mit bestimmten Lebenserfahrungen oder einer guten Sozialisierung mögen es dabei vielleicht etwas leichter haben als stark skeptische oder introvertierte Typen. Aber wer den Wert der Freundlichkeit in zwischenmenschlichen Beziehungen einmal anerkennt, der kann diese Haltung jederzeit selbst anwenden.

WOMAN

Danke sagen – warum ist das mehr als eine reine Höflichkeitsfloskel?

René Borbonus

Die Wirkung von Dankbarkeit auf Absender und Empfänger ist gut erforscht. So wirkt Dankbarkeit beispielsweise sehr gut gegen latente Unzufriedenheit. Auch eine gute Zusammenarbeit wird gefördert: Wenn wir Dankbarkeit gegenüber anderen empfinden, wird das Belohnungszentrum im Gehirn stimuliert. Gleichzeitig wird das Bedürfnis ausgelöst, anderen zu helfen. Sogar eine Schutzwirkung vor psychischen Krankheiten und eine gestärkte Resilienz durch Dankbarkeit sind wissenschaftlich nachgewiesen.

WOMAN

Sollte man sich auch öfter trauen, andere um etwas zu bitten?

René Borbonus

Absolut! Menschen lieben es, anderen zu helfen. Wir wollen uns vielleicht nicht zumuten, dabei ist es genau umgekehrt: Eine Bitte kann eine Beziehung vertiefen. Wenn ich jemanden um Hilfe ersuche, zeigt das ja, dass ich dieser Person vertraue. Wenn meine Mitmenschen aber gar nicht wissen, was ich brauche, wie sollen sie mir dann helfen können? Wir tun anderen einen großen Gefallen, wenn wir ihnen die Chance geben, freundlich zu uns zu sein.

Kompliemente machen, aber richtig

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Das Buch "Über die Kunst, ein freundlicher Mensch zu sein" von René Borbonus

„Über die Kunst, ein freundlicher Mensch zu sein“. Econ, um € 16,–, auf ullstein.de.

 © Econ Verlag

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