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Malarina: Mit Witz und Widerstand

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Marina Lackovic alias Malarina

©Christopher Glanzl

Sie ist eine der spannendsten Persönlichkeiten der österreichischen Kabarettlandschaft. Jetzt muss sich Marina Lacković, bekannt als Malarina, gegen eine Klage wehren. Was macht das mit ihrer Kunst?

Entweder sie zahlt 4.697,38 Euro oder es werden strafrechtliche Schritte eingeleitet – so lautete die unschöne Nachricht, die Marina Lacković Anfang Juli erreichte. Die 35-jährige serbisch-österreichische Kabarettistin, die als auf den Bühnen des Landes unterwegs ist, wurde von Ex-BVT-Mitarbeiter Egisto Ott verklagt. Seit 2017 stand Ott wegen Spionageverdachts vor Gericht. Lacković kommentierte diesen Umstand „ pointiert, kritisch und zugespitzt“ , wie sie selbst sagt, „ in einem Facebook- Posting, das ich vor über einem Jahr geschrieben habe.“ Als wir sie Mitte Juli dazu erreichen, zeigt sie sich verwundert: „ Mehr Streisand-Effekt (eine Info, die nicht verbreitet werden soll, bekommt noch mehr Aufmerksamkeit) geht ja gar nicht. Deshalb glaube ich, dass damit vor allem die Öffentlichkeit eingeschüchtert werden soll.“ Für die Kabarettistin eine bizarre Erfahrung. Sie wurde als Privatperson verklagt, denn mit ihrer aktuellen Arbeit hat das Ganze wenig zu tun: In ihrem Soloprogramm „ Trophäenraub“ nimmt sie andere Figuren der österreichischen Wirtschaft und internationalen Politik in die Mangel.

Lacković ist überzeugt: Satire ist als Teil einer demokratischen Kultur unerlässlich. „Gerade Österreich hat eine tief verwurzelte Kabarettkultur.“ Ihr Programm adaptieren würde die gebürtige Serbin deshalb auf keinen Fall. „Das wäre eine total seltsame Botschaft. Wozu würde Kunst denn dienen, wenn sie nicht mehr von Politik und Gesellschaft handeln dürfte?“

Systemkritik

Seit 2019 setzt die Wahlwienerin, die 1990 in Serbien geboren wurde und als Kleinkind mit ihren Eltern nach Österreich kam, ihren Schmäh als Brücke zwischen den Kulturen ein. Für ihr Solo-Debüt „Serben sterben langsam“ wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Damals durchleuchtete sie die serbische Seele und die österreichische Politik. In „Trophäenraub“ geht es damit weiter – nur will ihr Alter Ego Malarina weniger aufbegehren, als sich das Patriarchat für ihren sozialen Aufstieg zunutze machen. Das Ziel der Serbin aus prekären Verhältnissen: eine Trophäenfrau werden. Also einen älteren, gut situierten und heiratswilligen Mann finden, um reich zu werden – und zu erben. Das geht in Österreich schließlich ganz ohne Steuern. Malarinas Fazit: „Die FPÖ ist die Partei des kleinen Mannes, die ÖVP hingegen die der großen Frau.“ Wer hat, dem wird noch mehr gegeben. Ihre Gesellschaftskritik verpackt die 35-Jährige in eine zweistündige Dating-Historie, in der sie ihr Publikum mit scharfem Witz quer durch die Epochen führt – von der Frühsteinzeit über die Antike bis in die Gegenwart. Die zentrale Frage dabei: Wann und wo sind wir hinsichtlich Gleichstellung eigentlich so falsch abgebogen, dass wir jetzt – schon wieder – eine Tendenz zurück zu konservativen Werten erleben? „Die Geschichte verläuft leider nicht linear, sonst wären wir ja schon längst am Ziel“, resümiert Lacković. „Man muss sich nur vor Augen führen, wie viel fortschrittlicher die Antike im Vergleich zum Mittelalter war, um ins Grübeln zu kommen.“ Dabei wird der Einfluss von Kapitalismus, Kommunismus und Kolonialisierung von der Kreativen genauso hinterfragt wie humorvoll mit Balkan-Klischees jongliert. Lacković’ einzige Prämisse: Niemals nach unten treten. Auf die Frage, wie viel Persönliches sie in ihrem Programm preisgibt, antwortet die Kabarettistin scherzhaft: „Ich war nicht mit René Benko oder Marlene Engelhorn zusammen. Was manchmal vorkommt, ist meine innere Haltung. Und oft entspricht die eher dem Gegenteil der Bühnenfigur.“

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Marina Lackovic alias Malarina

On Stage. In „Trophäenraub“ nimmt Malarina ihr Publikum hinter die Kulissen mit. Nächste Termine und weitere Infos: malarina.com

 © Christopher Glanzl

Brücken schlagen

Mit Malarina möchte Lacković Menschen aus unterschiedlichen Milieus und Generationen erreichen, „weil ich relativ früh in meiner Karriere verschiedene Fangruppen angezogen habe. Zu mir kommen Migrant:innen genauso wie das klassische Discovery-Publikum und diverse Altersklassen.“ Jeder Absatz, den sie auf der Bühne vorträgt, soll auf eine Pointe zulaufen – „nur ist nicht jede Zielgruppe immer dran“. Sie gibt zu bedenken: „Gerade Minderheiten sind es total gewohnt, nicht immer abgeholt zu werden, wenn sie sich ein Stück anhören oder einen Film anschauen.“ Oft werde unterschätzt, wie empfänglich ein Kabarettpublikum für diverse Themen sei. 

Ob sie die Klage gegen sich in ihr zukünftiges Programm integrieren werde, kann die 35-Jährige noch nicht sagen. Sie werde jedenfalls dagegenhalten – auch für andere Betroffene. Denn Lacković ist nicht die erste Person, die von Ott verklagt wurde. Sie wehrt sich nur als Erste öffentlichkeitswirksam. „Es gibt ein serbisches Sprichwort, das ich sehr gerne mag“, erzählt sie: „,Sve što se mora, nije teško‘ – das heißt übersetzt: ,Alles, was getan werden muss, ist nicht schwierig.‘“ Das beschreibe ihre Situation gerade sehr treffend. „Man wächst sozusagen mit seinen Herausforderungen.“

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