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Leber Detox - Muss man das Organ "entgiften"?

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Ein Korb mit Löwenzahn,  man sieht die erdigen Hände einer Person, die sich über den Korb beugt

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Viele Menschen fühlen sich jetzt müde. Schuld daran soll die Leber sein: Braucht das Organ unsere Unterstützung?

Hurra, endlich Frühling! Die Natur erwacht – und wir? Müde und antriebslos nach dem Winter. Der Körper fühlt sich an wie ein vollgeräumter Dachboden, der dringend entrümpelt werden muss. Kein Wunder: Zu viel schweres Essen, wenig Bewegung, dunkle Tage und vielleicht auch ein paar Gläschen zu viel haben ihre Spuren hinterlassen. Besonders die Leber könnte jetzt eine Verschnaufpause gebrauchen. Detox-Kuren, TCM-Weisheiten, moderne Ernährungswissenschaft – was hilft wirklich, um sie zu entlasten? Zeit für einen klaren Blick auf eine der wichtigsten Gesundheitsfragen im Frühjahr.

Die Leber "entgiften"

Ist dies aus schulmedizinischer Sicht überhaupt notwendig? Jein, meint der Wiener Internist Marcus Franz, Zusatzfacharzt für Gastroenterologie und Hepatologie (Leberheilkunde). Grundsätzlich sei die Leber unser „einziges Organ, das eine wirklich ausgezeichnete Regenerations-und Erneuerungsfähigkeit hat“. Tag für Tag filtert sie Giftstoffe, produziert lebenswichtige Proteine und reguliert den Fett- und Zuckerstoffwechsel. Eine gesunde Leber kann sich also selbst entgiften – vorausgesetzt, sie wird nicht durch übermäßigen Alkoholgenuss, ungesunde Ernährung oder Medikamente überlastet. Wissenschaftliche Beweise, dass teure Detox-Programme oder Fastenkuren die Leber tatsächlich „entgiften“, gibt es nicht. Andererseits sei ein bewusster Lebensstil sehr hilfreich – sowohl bei Leberschäden wie etwa einer diagnostizierten Fettleber, aber auch vorbeugend: „Empfehlenswert ist eine proteinreiche und stark ballaststoffhaltige Kost, viel Bewegung, die Verwendung gesunder Öle wie Olivenöl, das weitgehende Meiden industrialisierter Lebensmittel und so viel wie möglich frisch zu kochen! Mehr Gemüse, weniger Obst – und schwarzen Kaffee trinken!“, rät Franz. Man könne der Leber auch mit pflanzlichen Mitteln auf die Sprünge helfen: „Nachweislich bewährt haben sich die Mariendistel und Artischocken.“

In der Traditionellen Chinesischen Medizin sieht man vieles ähnlich, manches differenzierter: Hier gilt der Frühling als die Jahreszeit des Holz-Elements, das mit der Leber verbunden ist. Nach TCM-Philosophie steuert sie den freien Fluss des Qi, der Lebensenergie, und beeinflusst nicht nur die körperliche Entgiftung, sondern auch die emotionale Balance. „Die Leber hat die Aufgabe, den Körper zu entgiften, und das macht sie sehr gut. Mit unserem Lebensstil können wir ihr diese Aufgabe erschweren oder erleichtern. Eine TCM-Leberreinigung ist eine Möglichkeit, sich selbst etwas Gutes zu tun. Das merkt man dann auch an neuer Energie“, erklärt Katharina Ziegelbauer, TCM-Ernährungsexpertin in Wien. In ihrem neuen Ratgeber verrät sie, wie man die Leber innerhalb von sechs Wochen nachhaltig stärken kann. Wichtig ist hier, zu verstehen, dass die TCM die Organe prinzipiell anders sieht als die westliche Medizin: „Sie haben sehr umfassende Funktionen. Die Leber etwa hat die Aufgabe, die Sehnen, die Nägel und die Augen zu versorgen“, erklärt Ziegelbauer (siehe auch Kasten vorige Seite). „Brüchige Nägel und trockene Augen zeigen einen Leber-Blut-Mangel, gelbliche Skleren eine feuchte Hitze in der Leber“, so die Expertin.

Erste Anzeichen

Wenn die Leber überlastet ist, zeigt sich das durch „Druckgefühl unter den rechten Rippenbögen, Erschöpfung verbunden mit innerer Gereiztheit, Verdauungsbeschwerden wie Blähbauch oder Verstopfung, gerötete Augen, Magenprobleme, PMS, Schlafstörungen sowie Kopfschmerzen“. Insbesondere eine frustrierte bis aggressive Grundstimmung sei typisch für eine Leber-Qi-Stagnation – als wäre uns „eine Laus über die Leber gelaufen“.

Kann die Leber wehtun? „Nein, das Organ hat keine Schmerzrezeptoren“, weiß Franz. Doch auch er ortet „chronische Müdigkeit“ sowie „unspezifische Verdauungsstörungen“ als erste Anzeichen einer überlasteten Leber. Und rät ebenso wie Ziegelbauer dazu, auf Wein, Bier und Spirituosen möglichst zu verzichten: „Alkohol ist ein starkes Zellgift.“ Schulmedizin und TCM sind sich zudem einig, dass Zucker die Leber massiv belastet – besonders in Form von Fruktose: „Obst und vor allem Fruchtsäfte wie etwa Apfelsaft können in größeren Mengen eine Leberverfettung begünstigen.“ Die Menge macht hier das Gift: „Ein Apfel oder ein 1/8 Liter Fruchtsaft am Tag sind kein Problem – aber mehr davon kann die Fetteinlagerung schon deutlich fördern“, so Franz. Gesünder sei es, das Obst zu reduzieren und dafür mehr Gemüse zu essen – insbesondere Brokkoli, Rote Rüben, Karfiol oder Kohlrabi. Franz: „Wer Obst unbändig liebt, der sollte auf Beeren umsteigen. Sie enthalten deutlich weniger Fruchtzucker.“

Auch Ziegelbauer empfiehlt „nicht mehr als einen Apfel pro Tag“. Süßes wirke nach TCM befeuchtend – egal ob als Zucker oder Fruchtzucker: „Auch Rohkost gilt als befeuchtend und ist schwerer bekömmlich als gekochte Nahrung.“ Feuchtigkeit könne man sich „als Schleim vorstellen, der nicht nur die Leber belastet, sondern den gesamten Körper.“ Mögliche Symptome von zu viel Feuchtigkeit seien Ödeme, Verdauungsbeschwerden, häufige Erkältungen, Übergewicht oder die Bildung von Zysten. Deshalb wird Obst auch in der TCM nur in Maßen empfohlen, immer angepasst an die Saison.

Grünes Gemüse

Das gehört auf den Teller, um die Leber zu stärken, so Ziegelbauer: „Brokkoli, Zucchini, Blattsalate. Dazu Reis, Kartoffeln, Eier, Linsen oder Fisch mit frischen Kräutern.“ Fleisch, Mehl, Frittiertes, Gegrilltes und Zucker dafür reduzieren! „Mehr Wasser zu trinken, wäre auch nicht schlecht, am besten lauwarm bis heiß, gerne auch mal mit Zitrone“, so die Expertin. Was man auf keinen Fall tun sollte? „Schnell viel erreichen wollen! Die Leber mag keinen Druck – der kann eine Qi-Stagnation oder Hitze im Körper auslösen.“ Und Leberhitze macht müde und kraftlos. Dagegen helfen auch abgestimmte Kräutermischungen, Akupunktur, Massagen sowie sanfte Bewegung wie Qi Gong oder Spaziergänge. Bei heimischen Kräutern unterscheidet die TCM sehr genau: „Zur Unterstützung der Leberentgiftung kann man jeden Tag ein bis zwei Tassen Löwenzahntee trinken oder auch frischen Löwenzahn in die Ernährung einbauen. Allerdings wirkt der Tee stark abkühlend. Wenn Sie also leicht frieren und oft kalte Füße haben, besser nicht mehr als eine Tasse am Tag trinken!“ Bitterstoffe (wie auch in Brennnessel oder Giersch) wirken generell trocknend, können also die „schlechte“ Feuchtigkeit ausleiten. Dies sei hilfreich bei Durchfall oder wenn man Gewicht verlieren möchte. „Wenn Sie jedoch zu Untergewicht neigen und zu innerer Trockenheit mit Verstopfung, dann sind zu viele Bitterstoffe nicht so günstig.“ Aufs eigene Bauchgefühl zu hören, kommt also auch der Leber zugute.

Muss man die Leber stärken?

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