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Bella Freuds Stil-Therapie

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Aktualisiert
Lesezeit
5 min
Designerin Bella Freud

Designerin Bella Freud in einem ihrer ikonischen Looks.

©Getty Images

Sie ist die Urenkelin Sigmund Freuds und versteht sich ebenfalls auf Tiefenanalyse – als Designerin oder im Diskurs mit Superstars wie Kate Moss auf ihrer „Podcast-Couch“: Bella Freud im Mode-Porträt.

Der Stoff, aus dem (Mode-)Träume sind? Zumindest beschäftigt sich Designerin Bella Freud in ihrem Video-Podcast „Fashion Neurosis with Bella Freud“ mit Kleidung und der tieferen Bedeutung dahinter. Dafür lädt sie jede Woche Superstars der (Fashion)-Szene vors Mikro. Zu Beginn steht immer die zentrale Frage: „Was trägst du heute – und warum?“ Rede und Antwort stehen dann Celebrities wie Übermodel Kate Moss, Schauspielerin Cate Blanchett, Kultmusiker Nick Cave oder Designer-Kollege Rick Owens. Die Tochter des berühmten Malers Lucian Freud und Urenkelin des nicht minder berühmten „Vaters der Psychoanalyse“ Sigmund Freud weiß, wie man die Promis zum Reden bringt. Mit ihren Gesprächen über Stil, Identität und die Psychologie hinter dem scheinbar simplen Prozess der morgendlichen Kleiderwahl hat die Londonerin ein sehr persönlichstes Format gestartet.

Podcast-Performerin

Der Erfolg gibt ihr recht: Seit dem Launch im Herbst 2024 hat die Serie spürbar Momentum aufgebaut. Die Prämisse verbindet Freuds Modeblick mit ihrem Nachnamen: Auf der (symbolischen) Couch wird darüber gesprochen, warum wir tragen, was wir tragen – vom Styling-No-Go bis zur Selbstermächtigung durch Kleidung. Das Publikum wächst, die Resonanz ist überdurchschnittlich, und Feuilletons greifen die Gespräche auf, etwa wenn prominente Gäste sehr persönliches Terrain betreten. Freuds Timing ist dabei „on point“ – typisch britisch leise, aber dennoch dem Zeitgeist entsprechend. Die Branche ist nämlich müde von glattgebügelten PR-Interviews. Gleichzeitig erlebt Audio eine Renaissance – intimer, langsamer, persönlicher. „Fashion Neurosis with Bella Freud“ nutzt genau diese Lücke: Gespräche, die beim Styling anfangen und bei Kunst, Liebe, (Selbst-)Zweifeln, Krisen oder auch Politik landen, ohne den Zwang eines Lookbooks oder einschränkender Vorgaben am Catwalk. Die Gastgeberin bringt dafür drei Besonderheiten mit: Vertrauen (ihr Netzwerk in Kunstkreisen und der Londoner Upperclass ist legendär), Kompetenz (sie ist mit ihren Gästen auf Augenhöhe) sowie narratives Talent (auch ihre Mode hatte immer schon eine Botschaft). 

Bellas Fashion-Codes

Bevor sie zur Podcasterin wurde, prägte die heute 64-Jährige als Modeschöpferin ein klares, wiedererkennbares Vokabular samt auffälligen Designelementen, wie etwa ihre zum Kult avancierten Strick-Kreationen mit Sprachwitz („Je t’aime Jane“, „We can be Heroes“, „Ginsberg is God“, „1970“). Typisch: eine Mischung aus britischer Schneiderkunst, einer Prise Punk sowie einer guten Portion französischer Eleganz. Ihre Karriere begann in den 1980ern im Umfeld von Vivienne Westwood. 1990 gründete sie ihr eigenes Modelabel. Ihre Arbeit zitiert natürlich auch das psychoanalytische Erbe ihres Urgroßvaters, bleibt dabei aber immer modisch: Es geht um Haltung, Selbstbild, das sichere Gespür für Proportionen und Selbstironie.

Netzwerk der Superlative

Genau das macht auch Freuds Podcast so attraktiv. Denn das soziale Biotop der Engländerin ist seit jeher das Kultur-Establishment: Künstler:innen, Models, Schauspieler:innen, Medienschaffende. Ihr Umfeld, ob bei Benefizabenden oder der London Fashion Week, liest sich wie ein Who’s Who aus Mode, Film und Musik. Und auch als Hörer:in stellt man sich die Frage: Kann Mode Sinn machen? Warum dieses Kleidungsstück? Wofür steht es? Freud liefert Antworten darauf – zuerst auf Pullovern, nun via Spotify oder YouTube. Ihre Stärke liegt in der Übersetzungsarbeit: Sie verwandelt die Psychologie des Anziehens in Bilder, Worte und tragbare Codes. Dass sich dafür gerade so viele begeisterte Fans finden, ist kein Zufall. In einer überlauten Modewelt wirkt ihre Mischung aus Intimität, Witz und britischem Understatement wie ein heiß ersehntes Antidot

Über die Autor:innen

Bild von Michaela Strachwitz

Michaela Strachwitz

Chefredakteurin für Mode, Beauty & Lifestyle

Michaela ist seit 2024 Chefredakteurin bei WOMAN für die Themen Mode, Beauty & Lifestyle. Davor war sie 8 Jahre lang stellvertretende Chefredakteurin und 9 Jahre Chefin vom Dienst.

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