
Die New Yorker Designerin Amy Smilovic schuf mit Tibi eine Marke mit treuer Fanbase – und mit ihrem Buch „The Creative Pragmatist“ auch gleich die ideale Stilbibel dazu.
Ruhig und dennoch im Herzen Wiens (Tuchlauben 14/6), in einem historischen Altbau liegt das Tibi Studio – kein klassischer Store, sondern ein Ort der Klarheit, eine Art Showroom, in dem man ganz persönlich beraten wird. Kein Schaufenster, kein Lärm, kein Druck. Nur Raum für Stil und Bewusstsein. Hier verschmilzt Garderobe mit Mindset. Kleidung wird zur Sprache, und das Anziehen zu einer Form von Ausrichtung. Yasemin Demirci, Gründerin von The Store by Schneeweiss, holte die Marke 2013 nach Wien, nun widmet sie ihr diesen ganz speziellen Ort. Zum Opening kam auch Tibi-Gründerin und Chefdesignerin Amy Smilovic, die uns ihre ganz persönliche Stilphilosophie erklärte.
Sie haben mit „The Creative Pragmatist“ eine Stil-Bibel geschaffen. Wie kam es zu diesem Styling-Ansatz?
Er entstand aus Frustration. Jedes Mal, wenn ich Redakteur:innen oder Einkäufer:innen erklären wollte, was Tibi ist, fand ich keine präzisen Worte. Wir waren modern, aber nicht modernistisch. Klassisch, aber nicht zu sehr. Mühelos, aber nicht nachlässig. Und irgendwann hieß es: „Komm wieder, wenn du weißt, wer du bist.“ Ich wusste es, aber das Vokabular der Branche ließ keine Grautöne zu. Also habe ich mir einen eigenen Begriff geschaffen: Creative Pragmatism. Er beschreibt ein Denken, das immer beides ist – kreativ und pragmatisch zugleich. Es geht nicht um Schwarz oder Weiß, sondern um die Schattierungen dazwischen. Viele Menschen haben sich darin wiedererkannt, weil sie sich nicht auf eine Identität reduzieren wollen – in der Mode wie im Leben.
Denken Sie beim Entwerfen eigentlich an eine bestimmte Frau?
An mich selbst – und an Tracy, meine Head of Design. Wir sind unterschiedlich, aber teilen denselben Ansatz: Wir wollen modern, mühelos und klassisch zugleich sein. Diese Mischung spricht viele Frauen an – meist unabhängige, berufstätige Frauen, die wissen, wer sie sind. Sie machen ihr eigenes Geld, treffen eigene Entscheidungen und wollen Kleidung, die sie in all ihren Rollen begleitet.
Sie haben Ihre Marke 1997 gegründet. Wie hat sich Ihre Arbeitsweise seitdem verändert?
Wie bei vielen Designer:innen war der Anfang sehr intuitiv. Ich hatte eine klare Vision, aber sobald man mit einer bestimmten Kollektion Erfolg hat, wird man auf diesen Moment festgelegt. Bei mir waren es damals bunte, florale Prints. Und plötzlich war ich „die Designerin mit den Prints“, obwohl das nie meine DNA war. Irgendwann war ich es leid, dass Einkäufer bestimmten, was ich „sein“ durfte. Nach der Pandemie habe ich Tibi bewusst verkleinert, keine Department Stores mehr beliefert und das Label auf seine Essenz reduziert. Heute bin ich freier – und glücklicher.
In Wien gibt es nun ein Tibi Studio. Warum ist es kein normales Geschäft?
Weil Tibi auch nicht „normal“ funktioniert. Hier können Kundinnen Zeit verbringen, sprechen, sich wohlfühlen – fast wie zu Hause. Yasmin, die diesen Ort kuratiert hat, hatte die Idee, daraus kein Geschäft, sondern eine Art Wohnraum zu machen. So entsteht eine echte Beziehung, kein Konsumerlebnis im Vorbeigehen.
Was sind Ihre persönlichen Favoriten aus der neuen Kollektion?
Mein Lieblingsstück ist der Rock, den ich gerade trage – weil er so wandelbar ist. Ich habe ihn drei Tage hintereinander getragen, immer anders kombiniert. Das ist für mich wahre Mode: vielseitig, funktional, nie starr. Viele Teile dieser Kollektion kann man verändern, anknöpfen, umstylen – sie leben mit der Trägerin.
Und was würden Sie jemandem empfehlen, der Tibi zum ersten Mal kauft?
Beginne mit den Fundamentals – Basics, die keine Basics sind. Eine perfekt geschnittene Hose, ein übergroßer Blazer, Stücke, die mit allem funktionieren und lange halten. Sie bilden dein modisches Rückgrat. Alles andere – die ausgefallenen Runway-Pieces – darf dann wie ein Gewürz dazukommen. So bleibst du dir treu, auch wenn sich Trends ändern.









