Warum entschuldigen sich Frauen ständig?

"Tschuldigung." "Sorry".

Ich bin eine Frau. Als solche habe ich so etwas wie einen angeborenen Reflex, mich ständig für mich zu entschuldigen. Jemand rempelt mich an – ich sage "Sorry". Ich will in der Sitzung etwas sagen – und läute den Satz mit einem "Äh, Entschuldigung..." ein. Der Impuls, ständig und immer völlig grundlos um Verzeihung zu bitten, ist so tief in uns verankert, dass es uns meist nicht einmal auffällt, wenn wir wieder mal mit dem doofen E-Wort in ein Gespräch einsteigen ...

Entschuldigen wir Frauen uns deshalb so häufig, weil wir das Gefühl haben, dass unser Verhalten dadurch verniedlicht, also "entschuldbarer" wird? Ist unsere Angst, in einem immer noch männlich dominierten Karriereumfeld als "schwierig" zu gelten, wenn wir uns in unseren Forderungen nicht durch eine vorausgeschickte Entschuldigung harmloser geben? Wirken wir sofort sympathischer, weil wir uns entschuldigen?

Meistens ist es leider so, dass wir uns entschuldigen, weil es uns an Selbstbewusstsein mangelt. Weil wir glauben, dass wir tatsächlich jemandem Probleme verursachen, wenn wir ihn bitten, seinen Job zu machen oder höflicher zu sein oder ein wenig Platz zu machen, damit wir auch sitzen können.

Frauen entschuldigen sich deutlich häufiger als Männer. Das zeigen nicht nur internationale Studien, sondern auch eine aktuelle repräsentative Umfrage unter 1.000 Österreicherinnen.

"Entschuldige, bitte": Die jüngste Erhebung von Palmers und dem unabhängigen Marktforschungsinstitut TQS zeigt, dass dieser Satz vornehmlich von Frauen ausgesprochen wird.

• 66 Prozent der Österreicher denken, dass sich Frauen deutlich häufiger entschuldigen.

• 89 Prozent der Frauen stimmen dabei zu, dass sich zu entschuldigen ein Zeichen von Höflichkeit und Anstand ist.

• 75 Prozent entschuldigen sich lieber einmal zu viel als einmal zu wenig.

• 74 Prozent geben an, dass ihnen ein "Sorry" manchmal rausrutscht.

• Entschuldigungen werden vor allem im Freundes- und Bekanntenkreis (68 Prozent), gefolgt vom Berufsleben (66 Prozent) und gegenüber Fremden (62 Prozent) ausgesprochen.

76 Prozent der Teilnehmerinnen geben in der Studie an, sich entschuldigt zu haben, obwohl sie es eigentlich nicht für notwendig hielten.

Was waren die Gründe der Teilnehmerinnen?

• Aus Höflichkeit (77 Prozent)

• um Konflikte zu vermeiden (65 Prozent)

• aus gesellschaftlicher Erwartung (42 Prozent)

• 13 Prozent gaben sogar an, sich aus Angst vor Gewalt entschuldigt zu haben.

69 Prozent der Frauen würden sich gerne weniger oft entschuldigen, bei den 30-39-Jährigen sind es sogar 79 Prozent. 66 Prozent der Befragten wünschen sich einen gesellschaftlichen Wandel, der Frauen ermutigt / ermöglicht, sich weniger zu entschuldigen.

Die Begründungen der Befragten umfassen, dass Frauen schneller eine Notwendigkeit für eine Entschuldigung sehen (58 Prozent). 52 Prozent glauben, dass die Erziehung ein Grund für die Geschlechterunterschiede ist, und 46 Prozent nennen soziale Erwartungen bzw. Rollenbilder als ausschlaggebend. Ein Mangel an Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl spielt laut den Teilnehmenden ebenfalls eine Rolle (45 Prozent).

Am häufigsten beobachten die Befragten ein Entschuldigungsverhalten bei:

• physischem Kontakt (79 Prozent)

• beim Einleiten einer Frage (77 Prozent).

• Zudem gehen auch persönliche Fehler (72 Prozent) und das Hinweisen eine anderen Person auf Etwas (68 Prozent) meist mit einer Entschuldigung einher.

• Konfliktvermeidung (64 Prozent)

"zu wenig Zeit für andere" (63 Prozent).

Aussehen als Entschuldigungsgrund:

Interessanterweise entschuldigen sich viele Frauen auch für ihr Aussehen, wobei jüngere Frauen häufiger dazu neigen. In der Altersgruppe von 18 bis 29 Jahren nennen rund 52 Prozent Gewicht, 46 Prozent Körperbehaarung und 44 Prozent Hautunreinheiten als relevante Entschuldigungsgründe.

Palmers ist es dabei ein Anliegen, diesen Missstand anzusprechen und Frauen dabei zu ermutigen, zu sich zu stehen sowie sich ihren Wunsch, sich weniger zu entschuldigen, zu erfüllen.

Gegen diese Konditionierung sollten wir ankämpfen. Hier sind 17 Situationen, in denen sich die meisten von uns entschuldigen – obwohl es gar nicht nötig wäre:

1. WENN DU UM UNTERSTÜTZUNG ANSUCHST. Nein. Du belastest andere Leute nicht, wenn du sie bittest, einen Artikel, den du geschrieben hast, ein Event, das du veranstaltest oder eine Umfrage, die du für deine Master-Thesis ausgefüllt benötigst, zu teilen, zu liken oder auf andere Weise zu unterstützen. Wer es nicht machen will, soll es lassen. Aber es gibt keinen Grund, sich für eine Bitte um einen Gefallen zu entschuldigen.

2. WENN DU JEMAND BITTEST, EIN WENIG PLATZ ZU MACHEN. Äh, bitte untertänigst um Verzeihung, dass Sie die gesamte Treppe verstellen und ich deshalb nicht vorbei komme. Oh, sorry! Ich habe nicht gesehen, dass Sie gerade ein Videogame auf Ihrem Handy spielen. Ich werde einfach schauen, ob ich den Notausgang finde – oder etwas in der Art...

3. WENN DU EINFACH DEINEN JOB MACHST. "Entschuldige, ich muss noch ein Telefonat machen." – "Äh, Verzeihung, darf ich kurz etwas dazu sagen?" Hör auf, dich ständig dafür zu rechtfertigen und zu entschuldigen, dass du einfach nur deinen Job machst.

4. WENN ES UM DEINE ENTSCHEIDUNGEN GEHT. Du willst keine Kinder? Du willst jetzt schon Kinder, obwohl der Rest deiner Freundinnen noch lange nicht so weit ist? Du willst nie wieder heiraten? Deine Karriere ist dir wichtiger als dein Partner? Du musst dich nicht dafür entschuldigen, dass du anders empfindest als der Rest deines Umfelds.

5. WENN DU EIN WENIG ZERRUPFT AUSSIEHST. Niemand erwartet, dass du immer so aussiehst, als würdest du gleich bei einer Gala auftauchen. Jeder hat Verständnis, dass man sich mal mit Kaffee anpatzt oder das Haar nicht ordentlich gemacht ist. Die Wahrheit: Den Wenigsten fällt es wirklich auf – du lenkst mit deiner Erklärung nur weitere Aufmerksamkeit darauf.

6. WENN DU WEINST. Emotionen sind Emotionen. Wenn dich etwas sehr traurig macht, dann hast du das Recht zu weinen. Ohne dich dafür zu entschuldigen.

7. WENN DU DEINE BEINE NICHT RASIERT HAST. Oder hässliche Unterwäsche trägst. Deine Entschuldigung interessiert deinen Sexualpartner in diesem Moment sowieso nicht. Er fokussiert gerade anders. Versprochen.

8. WENN DU VERSEHENTLICH JEMANDEN BERÜHRST. Armlehnen sind dafür gedacht, dass zwei Ellbogen darauf ruhen. Wenn du also versehentlich im Kino mit deinem Sitznachbar Körperkontakt hast oder unterm Tisch dein Fuß einen anderen anstupst, dann musst du deshalb nicht gleich so tun, als hättest du gerade eine schwere Körperverletzung begangen.

9. WENN DU ETWAS UNGESUNDES ISST. "Tschuldigung, aber DAS habe ich jetzt echt gebraucht." Eben. Spare dir das erste Wort im Satz. Und alles ist bestens.

10. WENN DU JEMANDEN AN ETWAS ERINNERST, AN DAS ER SICH ERINNERN SOLLTE. Deine Freundin schuldet dir noch Geld? Du musst mit deinem Freund an diesem Wochenende unbedingt die Eltern besuchen? Denke immer dran: Du bist offenbar die einzige Person, die ihre Gedanken so beisammen hat, um sich Dinge zu merken. Warum also dafür entschuldigen?

11. WENN DU DEINE MEINUNG VERTRITTST.Du hast eine Überzeugung, die jemand anderer nicht teilt? Mal ehrlich: Eine klare Meinung oder Überzeugung zu vertreten, ist nichts, wofür man sich verteidigen muss.

12. WENN DU JEMANDEN BITTEST, MIT EINER LÄSTIGEN ANGEWOHNHEIT AUFZUHÖREN. Deine Kollegin zieht den Rotz lautstark hoch? Dein Freund rennt mit den schmutzigen Schuhen durch die Wohnung? Wenn dich manche Angewohnheiten stören, dann kannst du darum bitten, dass sie unterlassen werden. Ohne deine Bitte durch ein "Entschuldige vielmals..." zu verharmlosen.

13. WENN DU UM HILFE BITTEST. Jemanden um Hilfe zu bitten ist keine Schande. Punkt.

14. WENN DU ZEIT FÜR DICH BRAUCHST. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, wenn du deine Bedürfnisse in den Vordergrund stellst.

15. WENN DU EINE FRAGE HAST. Fragen kostet nicht nur nichts, es ist auch völlig legitim. Und damit nichts, was einer vorhergehenden Entschuldigung bedarf.

16. UND VOR ALLEM BRAUCHST DU DICH NICHT DAFÜR ZU ENTSCHULDIGEN, DASS DU NICHT PERFEKT IST. Nobody is perfect, right?