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Ungeplant schwanger: Wenn alles dagegen spricht

Mit 35 wurde Martina ungeplant schwanger und erlebte die "schwierigste Zeit" ihres Lebens. Sie dachte sogar über Adoption nach. Uns erzählt die Angestellte, wie es ihr heute – 11 Jahre später – geht.

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Regretting Motherhood
© iStock

Eigentlich hat sie es sich immer gewünscht, eine eigene Familie zu haben. Zwei, drei Kinder. "Der Arzt aber hat mir gesagt, ich könnte nicht schwanger werden", erzählt Martina (Name von der Red. geändert) , 46. "Es war schwer, das zu akzeptieren, aber dann habe ich mich damit arrangiert."

Mit 34 traf die Burgenländerin Bernd wieder – einen Freund aus der Schulzeit. "Wir mochten uns sehr, fühlten uns voneinander angezogen. Aber außer den Gefühlen für einander stimmte so gut wie nichts – wir waren grundverschieden." Nach drei Monaten Beziehung trennten sich die beiden. "Es hatte einfach keine Zukunft mit uns."

Schwanger trotz Diagnose "unfruchtbar".

Vier Wochen nach der Trennung stand Martina mit einer Kollegin in der Kaffeeküche des Büros, in dem sie arbeitete. "Sie fragte mich: 'Sag, was hast du mit deinen Brüsten gemacht. Die sind plötzlich so groß.' Ich zuckte mit den Schultern und sie lachte daraufhin: 'Bist du schwanger?'" Ich schüttelte verneinend den Kopf, aber in mir rasten die Gedanken: Was, wenn doch? Ich konnte doch gar keine Kinder bekommen. Und unter diesen Umständen – frisch getrennt... ?" Am Abend machte sie einen Schwangerschaftstest: Positiv.

"Ich verstand mich selbst nicht mehr. Ich sollte mich freuen, oder? Aber das schaffte ich nicht. Stattdessen dachte ich über einen Abbruch nach." Aber auch das fühlte sich nicht richtig an …

»Es war, als hätte ich eine Fußfessel – du kannst dich bewegen, aber nur in einem bestimmten Rahmen.«

Martina kontaktierte den Kindsvater. "Er freute sich riesig und schlug vor, es noch einmal miteinander zu probieren. Er meinte, wir würden das schon schaffen. Und ich willigte ein." Das ungute Gefühl aber blieb. "Ich merkte plötzlich, wie freiheitsliebend ich eigentlich war. Ich war bis dahin viel gereist und wenn's mir danach war, hab ich die Wohnung hinter mir zugesperrt und war weg. Mit Kind geht das nicht mehr so einfach. Und was war mit den USA? Ich hatte ein Job-Angebot im Ausland bekommen. Das konnte ich jetzt nicht annehmen … Es war, als hätte ich eine Fußfessel – du kannst dich bewegen, aber nur in einem bestimmten Rahmen."

Keine Muttergefühle.

Dazu kam das schlechte Gewissen: "Ich begegnete in den nächsten Monaten immer wieder Frauen, die keine Kinder bekommen konnten und erinnerte mich an das Gefühl, als mein Arzt mir gesagt hätte, ich könnte nie schwanger werden. Ich wollte glücklich und dankbar sein. Aber es ging einfach nicht …" Muttergefühle stellten sich bei der Angestellten nicht ein. Auch nicht, nachdem sie ihr Baby auf die Welt gebracht hatte. "Ich hielt meine Tochter im Arm, sah sie an und sagte: 'Was machen wir nun?'" Dann zerbrach auch noch die Beziehung zum Kindesvater. "Es war absehbar, trotzdem schwierig für uns beide."

»Es ist keine Leidensgeschichte, sondern eine über pures Glück.«

Heute ist Martinas Tochter elf. "Sie ist mein Ein und Alles, mein größtes Geschenk", sagt die 46-jährige jetzt. Als das Kind etwa vier Jahre alt war, änderte sich alles grundlegend. "Vor allem meine Einstellung. Mir wurde mehr und mehr bewusst, dass sie wegen mir hier war. Ich hatte ein Kind in die Welt gesetzt - und konnte es jetzt nicht hängen lassen." Aus einem Gefühl von Verantwortung entwickelte sich schließlich Liebe. "Ich merkte, dass es mein Kopf mein Käfig war – nicht das Kind. Ich war noch immer frei, wenn auch auf andere Weise. Und vor allem wurde mir klar, was für ein großes Geschenk es tatsächlich war, Mutter sein zu dürfen. Ich bin kein Opfer, sondern privilegiert. Es ist keine Leidensgeschichte, sondern eine über pures Glück."

Und sie hat aufgehört, sich mit anderen Müttern zu vergleichen. "Ich hatte von Anfang an viel zu hohe Ansprüche an mich selbst. Ich bin nie zu 100 Prozent im Mama-Sein aufgegangen, war keine, die stundenlang mit ihr am Spielplatz war, sondern hab sie stattdessen oft in meinen Alltag integriert. Aber das ist okay so - für mich und auch für meine Tochter." Auch über ihre Erfahrungen in den ersten Jahren hat sie mit ihrem Kind offen geredet. "Ich will keine Geheimnisse vor ihr haben. Und ich will, dass auch sie mir sagt, was in ihr vorgeht. Immer. Sie weiß, sie kann auf mich zählen und sich auf mich verlassen - das ist es, was zählt."