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Essstörung: Binge-Eating-Störung, Anorexie und Bulimie auf einen Blick

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Essstörung: Binge-Eating-Störung, Anorexie und Bulimie auf einen Blick

Binge-Eating-Störung, Anorexie und Bulimie auf einen Blick

©Elke Mayr
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Schönheitsideale und Vergleiche mit anderen Menschen werden uns vorgelebt, seit wir die Augen öffnen können. "Trägst du etwa nicht mehr XS?" - ein Satz, der enorm viel zerstören kann, obwohl das Gegenüber diesen längst vergessen hat. Oftmals resultieren solche Worte sowie bereits bestehende familiäre Probleme und Depressionen in Essstörungen wie Magersucht oder Binge-Eating.

Kennt ihr das Gefühl, in den Spiegel zu schauen und sofort unzufrieden mit eurem Äußeren zu sein? Schönheitsideale kommen und gehen - dabei beeinflussen sie innerhalb ihrer kurzen "Lebensdauer" aber viel zu viele Leben. Es fällt schwer, sich nicht mit Influencer:innen, Models oder Teilnehmer:innen von Fernsehsendungen wie "Germany's Next Topmodel" zu vergleichen und Selbstliebe zu verspüren, wenn man ständig damit konfrontiert wird.

Unser Körper verändert sich permanent - sei es während der Pubertät oder nach einer Schwangerschaft. Viele kommen mit diesem Wandel nicht klar, wodurch sich eine Essstörung entwickeln kann. Diese muss allerdings nicht immer mit Abnehmen zu tun haben, sondern kann auch in die andere Richtung gehen: Wir erklären, was Anorexie, Bulimie, die Binge-Eating-Störung sind. Kleine Triggerwarnung: In diesem Artikel geht es unter anderem um Würgen, Erbrechen und schlimme Nebenwirkungen.

Worum handelt es sich bei einer Essstörung?

Bei einer Essstörung handelt es sich um eine psychosomatische Störung, bei der es aufgrund von seelischen Belastungen zu körperlichen Schäden kommt. Personen, die unter einer solchen Erkrankung leiden, haben eigentlich nur noch einen einzigen Gedanken: Essen - und das nicht im positiven Sinne.

Da ein permanent gestörtes Verhältnis zum eigenen Körper vorliegt, wird versucht, sich über das Hungern oder Essen temporäre Befriedigung zu verschaffen. Mithilfe der Nahrungseinschränkung oder hemmungslosen Essanfällen soll also Kontrolle über das Gewicht oder den Körper gewährleistet werden.

Leider sieht die Realität etwas anders aus: Das Gefühl von Sicherheit und Erleichterung hält nicht lange an, weswegen der Vorgang wiederholt wird - bis sich eine Routine entwickelt und die Essstörung außer Kontrolle gerät. Grund dafür ist bei fast allen Betroffenen ein niedriges Selbstwertgefühl, denn eine Essstörung beginnt im Kopf. Dank des daraus resultierenden Schamgefühls fällt es den Betroffenen schwer, sich zu öffnen, wodurch es zu einem sozialen Rückzug kommt.

Gibt es spezielle Personen- und Altersgruppen, die davon betroffen sind

Essstörungen sind gar nicht so selten, wie es vielleicht scheinen mag. Nur, weil kaum eine:r darüber spricht, heißt es nicht, dass sie nicht existieren: Sie gehören tatsächlich zu den häufigsten psychischen Krankheiten bei Erwachsenen und entwickeln sich bereits in der Jugend. Früher hieß es, dass ausschließlich Frauen von Bulimie, Magersucht etc. betroffen wären - verständlich, weil eben diese primär im Fernsehen oder in Magazinen abgebildet wurden.

Heute weiß man, dass es absolut jede:n treffen kann und dies definitiv nicht mit dem Geschlecht zusammenhängt. Ganz im Gegenteil: Jeder 10. Mann soll an Magersucht und jeder 4. an Bulimie leiden. In den meisten Fällen treten Essstörungen erstmals in der Pubertät auf, können sich aber ebenso mit 25, 45 oder 65 bilden - ihr versteht, worauf ich hinaus möchte, oder? Eine solche Krankheit kennt kein Alter.

Wie erkennt man, ob man an einer Essstörung leidet?

Bei folgender Aufzählung handelt es sich um ein "Kann", aber nicht um ein "Muss" - nicht jede Person, die schlecht isst oder eine Diät macht, ist automatisch an einer Essstörung erkrankt. Dennoch ist es empfehlenswert, auffälliges Verhalten im Blick zu behalten: Essstörungen entwickeln sich meist über Jahre hinweg und weisen einen fließenden Verlauf auf.

  • Auslassen von Mahlzeiten

  • Zählen von Kalorien in Kombination mit einem strikten Essensplan

  • Gebrauch von Appetitzüglern oder Abführmitteln

  • Übermäßiger Sport

  • Übergewicht

  • Meiden von gemeinschaftlichem Essen

  • Ekelgedanken, um Speisen unappetitlich zu finden

  • kein Sättigungsgefühl

  • permanenter Gedanke an Essen

  • Blick in den Spiegel ist unangenehm

  • Äußerungen, zu dick zu sein, ohne Übergewicht aufzuweisen

  • starke Nutzung von Maßbändern und Waagen

  • Erbrechen nach dem Essen

  • Hass auf den eigenen Körper

Falls du dich selbst dabei erwischst, Selbstbewusstsein oder Schönheit von deiner Konfektionsgröße abhängig zu machen und dich stets mit anderen Menschen zu vergleichen, kann dies ein Indiz einer Essstörung sein. Insgesamt gibt es vier Phasen: Präkontemplation (Verleugnung), Kontemplation (Erkennen), Aktion mit Änderung und letztlich die Stabilisierungsphase.

Was sind die häufigsten Ursachen?

Die genaue Ursache einer Essstörung herauszufinden, ist gar nicht so einfach. Hierbei kann es einen ausschlaggebenden Faktor geben - es können jedoch auch viele verschiedene Faktoren zusammenwirken. Bisher gibt es keine wissenschaftliche Erklärung.

Eine Möglichkeit wären biologische und körperliche Faktoren, wobei eine genetische Veranlagung oder eine Beeinträchtigungen des Gehirnstoffwechsels in Bezug auf Hunger und Sättigung besteht. Auch Diäten und Fasten können Essstörungen hervorrufen! In Bezug auf die sozialen und kulturellen Faktoren kann gesagt werden, dass in manchen Regionen bis vor kurzem - vor allem in westlichen Industrieländern - das Schönheitsideal eines schlanken Körpers vorlag.

Allgemein begünstigen Depressionen und belastende Lebensereignisse wie die Trennung von Partner:innen, Verluste oder anderweitige Probleme innerhalb der Familie stets eine Essstörung - man ist sowieso instabil und damit viel anfälliger. Im 21. Jahrhundert, vor allem in den letzten Jahren, kommt natürlich noch das uns allen bekannte Internet inklusive Social Media hinzu: Es ist, denke ich, kein Geheimnis, dass sich durch unrealistische Vergleichsbilder die Körperwahrnehmung vieler verändert.

Welche Varianten einer Essstörung existieren?

Essstörungen müssen nicht unbedingt in einer reinen Form auftreten, sondern können eine Mischung verschiedener Varianten darstellen. Ist dies der Fall, wird von einer "Mischform" oder einer "nicht näher bezeichneten Essstörung" gesprochen. Außerdem kann es durchaus vorkommen, dass sich eine Essstörung aus einer anderen entwickelt, also man beispielsweise zuvor an Magersucht und nun an Bulimie erkrankt ist.

Anorexie (Magersucht)

Bei der Magersucht, die im Fachjargon als Anorexie bekannt ist, handelt es sich um eine panische Angst vor dem Zunehmen und Dicksein - das, obwohl das Körpergewicht meist mindestens 15% unter dem minimalen Normalgewicht liegt. Um möglichst dünn zu bleiben, hören Betroffene mit dem normalen Essen auf. Anstatt Zucker, Fett und Kohlenhydraten wird - wenn überhaupt - zu Obst- und Gemüsesorten gegriffen.

Reicht das Hungern allein nicht aus, kommt eine ungesunde Menge an Sport oder Abführmitteln hinzu. Im Extremfall entsteht die sogenannte "Lanugo-Behaarung" am Rücken oder im Gesicht, um den Körper vor Wärmeverlust zu schützen. Ein Zeichen dafür, dass etwas nicht so ist, wie es sein sollte.

Bulimie (Ess-Brech-Sucht)

Die Ess-Brech-Sucht bildet die vermutlich häufigste aller Essstörungen - circa 10% aller Frauen zwischen 15 und 30 Jahren leiden unter Bulimie. Wie auch bei der Magersucht besteht eine Angst davor, zuzunehmen. Statt auf das Essen zu achten, kommen unkontrollierte Heißhungeranfälle vor, wobei die - vergleichsweise sehr großen - Mahlzeiten kurze Zeit später wieder erbrochen werden.

Bulimie, was übrigens aus dem Griechischen kommt und übersetzt so viel wie "Ochsenhunger" bedeutet, wird auch als Purging-Typ bezeichnet: Es beschreibt den Vorgang, sich nach dem Essen zu übergeben. Ist vom Non-Purging-Typ die Rede, bezieht sich dies auf Gewichtsabbau durch Sport oder strikte Diäten - also ein Zeichen von Anorexie.

Binge-Eating-Störung (Esssucht)

Hier wird der Spieß umgedreht: Statt auf Essen zu verzichten, haben Personen hier permanent das Bedürfnis, etwas Essbares aufnehmen zu wollen - und das, ohne überhaupt Hunger zu verspüren. Auch der Unterschied zwischen Appetit und Hunger ist unbekannt. Oft hängt dies mit vernachlässigten Bedürfnissen zusammen, die durch das Essen kompensiert werden sollen.

Da Betroffene der Binge-Eating-Störung - im Gegensatz zur Bulimie - nichts gegen die Essanfälle unternehmen, entsteht meist eine Adipositas. Innerhalb einer Stunde können Lebensmittel mit bis zu 2000 Kalorien und mehr konsumiert werden. Aufgehört wird erst, wenn starke Bauchschmerzen verspürt werden.

Orthorexie Nervosa

Spricht man von der Orthorexie, so geht es um die Einteilung von "guten" und "schlechten" Lebensmitteln. Gegessen wird hierbei nur gesunde Nahrung. Wird ungesundes Essen verzehrt, treten sofort Schuldgefühle auf. Diese Art der Essstörung ist vergleichsweise noch sehr jung und weist bisher keine verbindlichen Diagnosekriterien auf.

Ruminations-Regurgitations-Störung

Bei der Ruminations-Regurgigations-Störung handelt es sich um das absichtsvolle und wiederholte Hochwürgen (Regurgitation) von bereits zu sich genommener Nahrung. Um den Hunger zu stillen, ohne etwas zu essen, werden die zuvor verzehrten Lebensmittel erneut gekaut und heruntergeschluckt (Rumination). Diese Essstörung kann frühestens ab dem 3. Lebensjahr diagnostiziert werden und tritt sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen auf.

Night-Eating-Syndrom

Falls du dich gerne dabei erwischst, im Kühlschrank nach einem Mitternachtssnack zu suchen, keine Panik! Das Night-Eating-Syndrom ist zwar von nächtlichen Essattacken gekennzeichnet, geht jedoch darüber hinaus - man kann nur durch erneute Nahrungsaufnahme wieder einschlafen. Es ist nur 1 von 100 Personen betroffen.

Pica-Syndrom

Das Pica-Syndrom kommt vergleichsweise sehr selten vor: Wer daran leidet, hat das Bedürfnis, Ungenießbares zu essen - das kann von Papier über Haare bis hin zu Kreide reichen. Im Umkehrschluss treten Probleme bei der Verdauung auf. Betroffene dieser Essstörung sind meist geistig behinderte oder vernachlässigte Kinder. Eine Diagnose erfolgt, wenn ein Kind ab zwei Jahren über einen Monat hinweg Dinge isst, die keine Lebensmittel sind.

Eine Essstörung kann lebensbedrohliche Ausmaße annehmen

Essstörungen sollten immer ernst genommen werden, da sie im schlimmsten Fall zum Tode führen können. Bevor dies eintritt, können folgende Erscheinungen und Krankheitsbilder auftreten:

  • Mangelerscheinungen durch unausgewogene Ernährung

  • Zahnschäden durch ständigen Kontakt mit Magensäure

  • Entzündungen in der Speiseröhre sowie Magen- und Speiseröhrenrisse

  • Erhöhtes Krebsrisiko

  • Sodbrennen

  • Herzrhythmusstörungen und Nierenschäden durch den Verlust von Elektrolyten

  • Bluthochdruck

  • Diabetes

  • Sozialer Rückzug, Einsamkeit und Depressionen

  • Stimmungsschwankungen

  • Schlaf- und Kreislaufstörungen

  • Verlust von sexuellem Verlangen und Potenz sowie Ausbleiben der Menstruation

  • Haarausfall

  • Muskelkrämpfe

  • Schwierigkeiten beim Konzentrieren

Der vernünftigste Weg, aus einer Essstörung herauszufinden, ist eine Therapie. Hier sollte sich definitiv Hilfe von außen gesucht werden - bitte aus neutraler Perspektive. Essstörungen sind Krankheiten und müssen behandelt werden.

Welche Therapien und Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Eine Therapie kann von verschiedenen Personen oder Kliniken durchgeführt werden: niedergelassenen Fachärzt:innen für (Kinder- und Jugend-)Psychiatrie, Spezialambulanzen für die Behandlung von Essstörungen, Psychotherapeut:innen und Ärzt:innen mit Weiterbildung in psychotherapeutischer Medizin. Um den ersten Schritt einzuleiten, können die Hausärzt:innen kontaktiert werden, um geeignete Anlaufstellen zu finden. Eine solche Behandlung oder Therapie soll dabei helfen, gesundes Essverhalten (wieder) zu erlernen und beizubehalten. Medikamente werden eher selten eingesetzt.

Ambulante Behandlung

Bei der ambulanten Behandlung dürfen die Patient:innen weiterhin im eigenen zu Hause leben und von ihrem gewohnten Umfeld umgeben sein. Eine Behandlung erfolgt in der Praxis des:der Ärzt:in und umfasst regelmäßige Sitzungen von ungefähr 50 Minuten - diese können in Einzel-, Gruppensitzungen oder einer Kombination beider abgehalten werden. Eine ambulante Behandlung wird dann genutzt, wenn keine lebensgefährliche Situation besteht.

Stationäre Behandlung

Die stationäre Behandlung bildet das genaue Gegenteil: Betroffene ziehen für eine (un-)bestimmte Zeit in ein Krankenhaus, wo sie stets beobachtet werden können. Je nach Krankheitsbild kann die Therapiedauer hier zwischen drei Wochen und mehreren Monaten betragen. Patient:innen brauchen dringend Abstand vom gewohnten Umfeld und bilden einen Notfall.

Teilstationäre Behandlung

Wie der Name bereits verrät, handelt es sich bei der teilstationären Behandlung um einen Mix der obigen Varianten. Hier verbringen Patient:innen die Wochentage in Tageskliniken, dürfen allerdings für die Nächte und Wochenenden nach Hause. Dementsprechend ist es wichtig, darauf zu achten, dass sich das Krankenhaus in unmittelbarer Nähe befindet! Wer eine teilstationäre Behandlung heranzieht, erhält ein Programm aus unterschiedlichen Bereichen wie Psychotherapie, Medizin und Ernährung.

Wie können Betroffene von Außenstehenden unterstützt werden?

Eine Essstörung wird oft nicht (rechtzeitig) erkannt. Viele sind mit ihren eigenen Problemen beschäftigt und bemerken die Veränderung im Verhalten ihrer Freund:innen nicht. Meist sind es die engsten Freund:innen, Familienmitglieder oder Lehrkräfte, denen die Essstörung auffällt.

Ist die Krankheit erst einmal bekannt, kann unterstützt werden, indem offen über Möglichkeiten zur Besserung kommuniziert wird: Das können Beratungsstellen und der Angriff einer Therapie sein. Es ist wichtig, Interesse zu zeigen und den Betroffenen deutlich zu machen, dass man sie sieht - und liebt. Wie wäre es, wenn ihr gemeinsam zum Erstgespräch geht oder eventuell eine Selbsthilfegruppe aufsucht? Auch eine Therapie kann zusammen mit den Familienmitgliedern erfolgen. Eine schwierige Zeit bedarf nun einmal einem noch stärkeren Zusammenhalt.

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